“Spiegel” rät ARD und ZDF zum radikalen Neuanfang.


Anleitung zum Neuanfang: Der "Spiegel" analysiert in seiner elf-seitigen Titelgeschichte Die unheimliche Macht differenziert die Situation der öffentlich-rechtlichen Sender zwischen journalistischem Anspruch und seichter Massenunterhaltung, Legitimationskrise und Rechtfertigungsdruck. Das Autoren-Team, bestehend aus Markus Brauck, Hauke Goos, Isabell Hülsen und Alexander Kühn, fordert die Sender auf, das System komplett zu überdenken: In einem neuen Gesellschaftsvertrag müsste neu definiert werden, was der Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten in Zukunft sein solle und "wo sie tatsächlich unersetzlich sind". Ernsthaft diese Frage zu stellen, hieße jedoch, "Abschied zu nehmen vom gebührenfinanzierten Allerlei". ARD und ZDF sollten all das, was andere besser können, diesen anderen überlassen: "Den Verlagen den Textjournalismus. Dem Privat-TV manche Unterhaltung. Den Streamingdiensten manche Serie."

Die "Spiegel"-Autoren sehen schwindenden Rückhalt für ARD und ZDF bei Publikum und Politik: "Komischerweise hat man derzeit den Eindruck, dass sich nicht die Anstalten von der Politik emanzipieren wollen, sondern, dass es die Parteien sind, die gerade Distanz zu ARD und ZDF suchen". Die Strahlkraft des Fernsehens sei weiter ungemein groß, doch ARD und ZDF machten Programm, so "wie Angela Merkel regiert. Irgendwo zwischen 'Sie kennen uns', 'In der Ruhe liegt die Kraft' und kulturellem Wachkoma". Informationssendungen hätten dann den größten Zuspruch, wenn sie in der Halbzeitpause vom Fußball laufen. Ein Grundproblem sehen die Autoren im derzeitigen System darin, dass "in der DNA der Sender das Bild vom unfertigen, eigentlich unpolitischem Bürger fortwirkt, der mit Trallala-Shows zum Schauen von Nachrichten überredet werden muss".

Selbst kleine Sparanstrengungen würden nur auf politischen Druck hin geschehen: "Es fehlt die Kraft für einen Neuanfang", doch das pure Vertrauen darauf, "dass es immer so weitergeht, dass die Politik immer weiter den schützenden Mantel über ARD und ZDF" hält, dürfte nicht ausreichen.
"Spiegel" 41/2017, S. 10-20 (Paid)

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