Digitaljünger in die Dönerbuden-Hölle!

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Für die Verlegerzeitschrift “Print & more” hält Digitalverleger Peter Turi ein Plädoyer fürs Verlegen von gedruckten Zeitschriften.

Eines vorweg: Ich bin bis auf die Zähne bewaffnet. Bewaffnet mit Argumenten pro Print und contra die Presse-stirbt-Propaganda. Und ich bin militant. Ein militanter Anhänger von Print und Kritiker der Online-Only-Obsession der Branche.

Ich spüre es an mir selbst – ohne bedrucktes Papier wäre eine große Leerstelle in unserem Leben. So sehr ich mich am Tag mit Lust ins Internet-Getümmel werfe, so sehr liebe ich die Ruhe, das Ich-bin-dann-mal-weg-vom-Schirm beim Lesen von gedruckten Zeitschriften, Zeitungen und Büchern. Menschen sind besser drauf und leben gesünder, wenn sie am Abend für eine Stunde den Stöpsel zum Netz ziehen und sich auf Print einlassen.

Solange wir im Netz sind, sind wir gehetzt. Die nächste Info wartet hinter dem nächsten Link. Die Menge der Sensationen ist unendlich, unsere Zeit begrenzt. Deshalb sind wir kurzatmig, wenn wir im Web unterwegs sind. Der typische Leser von turi2 liebt den Branchendienst für seine Kürze und für den weiterführenden Link – den er allerdings selten klickt, weil ihm die Zeit dafür fehlt.

Zeitschriften (und Zeitungen und Bücher) sind anders: Sie signalisieren durch ihre physische Existenz, durch ihre Haptik “Ich habe einen Anfang und ein Ende” – und wenn Du Dich auf mich einlässt, dann erzähle ich Dir alles zum Thema, das Du hören willst. Die Zeitschrift fasst ein Maß, das wir fasziniert, gelangweilt oder interessiert durchschreiten können. Sie hat einen Anfang und ein Ende und einen Rhythmus. Die Zeitschrift ist eine analoge Insel im Ozean der digitalen Infos.

Ich bin überzeugt, dass es “Spiegel”, “Bunte” und “Geo” noch lange gedruckt geben wird. Erst recht so wunderbare Liebhabertitel wie “Mare”, “Geo Epoche” oder “Lecker”. Und “Landlust”, “Yacht” und “Bike” sowieso. In Zeiten der digitalen Zerstreuung hat Print eine Zukunft als Medium der inneren Sammlung.

Wer das bestreitet, wer Print als Toter-Baum-Medium beschimpft, der weiß vielleicht noch nichts vom Fluch der Beschleunigung. Oder er ist schlichtweg ein Ignorant. Wie der Mann, der glaubt, er brauche keine Küche mehr, weil nebenan eine Dönerbude aufgemacht hat.

Verleger sollten ihre Zeitschriften hegen und pflegen, denn sie haben Zukunft als Medium der Entschleunigung in einer hyperbeschleunigten Welt. Als Vergegenständlichung des Bleibenden in einer Flut des Virtuell-Vergänglichen.

Mag sein, dass die breite Masse am Handy hängt wie der Junkie an der Nadel. Menschen mit Herzensbildung werden das Handy auch in Zukunft so oft es geht aus der Hand legen und in die Wohlfühlwelt einer gut gemachten Zeitschrift eintauchen. Und dabei froh mit dem Papier rascheln.