Blattkritik: Johannes Endres, Chefredakteur “c’t”, über “Sneaker Freaker”.

blattkritik-ct-sneakerfreaker-600Johannes Endres lässt als “typischer Computer-Nerd” Modezeitschriften normalerweise im Regal liegen. Das Turnschuh-Fanzine Sneaker Freaker überrascht den Chefredakteur der Computerzeitschrift c’t positiv, überzeugt aber nicht durchgehend.

Worauf habe ich mich da eingelassen? Die Web- und Facebook-Seiten sprechen eine sehr deutliche Sprache: Ich habe offenbar zugesagt, einen Turnschuh-Katalog zu rezensieren. Nein schlimmer: Die Lizenzausgabe eines australischen Turnschuh-Katalogs.
Als typischer Computer-Nerd treibe ich mich nur selten am Mode-Regal im Kiosk herum. Dort finde ich den Sneaker Freaker nebst Konkurrenz.

Was gefällt
Das Cover würde noch zu einem Prospekt passen, aber beim ersten Aufschlagen zeigt sich, dass die Website in die Irre führt. Der “Sneaker Freaker” ist kein Katalog, sondern ein Fanzine für Turnschuh-Nerds. Auch diese Gruppe hat ihre eigene Fachsprache, die für Außenstehende weitgehend unverständlich ist.
Das ganze Magazin konzentriert sich auf dieses Interesse und findet dabei erstaunlich spannende Stories über Sneakers und vor allem ihre Liebhaber: Ein Interview mit einem Sammler, die Kulturgeschichten eines klassischen Schuhs, der Designer ikonischer Nike-Plakate in den 80ern, Clown-Schuhe von innen, Turnschuh-Träger in Südafrika; ich war überrascht, wieviel ich davon gerne gelesen habe, obwohl ich ganz und gar nicht zur Zielgruppe gehöre.
Die Konkurrenz vom “Sneakers Magazine” setzt auf großes Format und Hochglanz-Titel; es mutet wie Lack-Pumps an. Der kleinformatige “Sneaker Freaker” wirkt dagegen eher wie der Turnschuh unter den Turnschuhmagazinen. Diese Anmutung passt perfekt zum wunderbar verschroben-nerdigen Blick aufs Thema.
Auf den ersten Blick gibt es auch keinen Bruch zwischen den übernommenen Teilen der australischen Ausgabe und den hier hinzugefügten.

Was nicht gefällt
Leider nutzt das Layout das kleine Format nicht immer optimal. Viele Seiten wirken, als wären sie für ein wesentlich größeres Blatt layoutet und dann gewaltsam auf das kleine Format heruntergeprügelt. Zu diesem Eindruck trägt die sehr kleine Textschrift bei. Ob man die mag, ist eine reine Geschmacksfrage; für die tendenziell junge Zielgruppe dürfte die Lesbarkeit kein Problem sein. Aber einige Bilder hätten Besseres verdient. Extrem stößt das im Artikel über die Nike-Plakate auf, wenn sich drei davon auf eine Doppelseite drängeln müssen.

Die Texte sind von sehr unterschiedlicher Qualität. Auf der einen Seite stehen Gespräche auf Augenhöhe zwischen Kennern, die selbst Uneingeweihte mit unnützem Wissen unterhalten. (Es gibt Dienstleister, die getragene Turnschuhe zerlegen und wieder zusammensetzen, damit sie ihre ursprüngliche Form zurückerhalten!) Auf der anderen Seite gibt es dann Stücke aus lauter lahmen Fragen, die ihre verdienten Antworten einfahren: “Was bringt das Jahr 2015 für dich als Designer?” – “Viele neue Herausforderungen!” Aha.

Als gutes Fanzine widmet sich der “Sneaker Freaker” seinem Thema mit Liebe zum Detail. Ein bisschen mehr davon wünsche ich mir allerdings auch beim Magazin-Machen: In den Übersetzungen stehen die deutschen Wörter oft noch im englischen Satzbau und in den idiomatische Wendungen. Mich stören auch die zahlreichen Schreib-, Sprach- und Layoutfehler.

Was ich nicht verstehe
Wieso liegt am 25.6. noch nicht die Ausgabe 16 (Erstverkaufstag 16.6.) im Kiosk? Ist der Sneaker Freaker Germany etwa schon wieder tot?
Wieso gibt es 6 verschiedene Titel, von denen mehrere in meinem Kiosk nebeneinander stehen? Für Sneaker-Sammler-Magazin-Sammler? Oder um in jedem Partner-Shop als Promo-Exemplar das passende Cover auszulegen?

Was mich weiter beschäftigt
Das Layout zerlegt die Superstar-Strecke in viele Teile, die ein wenig wie einzelne Artikel aussehen. Der Text läuft aber eigentlich durch. Mich als älteren Leser verwirrt das, aber es schafft viele Leseeinstiege. Ob es bei uns auch Geschichten gibt, die sich für eine solche Form eignen?

Im Blattkritik-Reigen schrieb in der vergangenen Woche Daniel Giebel über “Enorm”.

Eine Übersicht aller bisheriger Beiträge finden Sie hier.

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