Blattkritik: Katja Hertin, Chefredakteurin “Donna”, über “Séparée”.

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Katja Hertin, Chefredakteurin von Donna, Burdas “freundin” für Ältere, erregt mit einem gedruckten Männerakt in der U-Bahn Aufsehen – und lobt das Frauen-Erotikmagazin Séparée dennoch in höchsten Tönen.

Zunächst mal meine uneingeschränkte Anerkennung für den Mut und den Idealismus, den es braucht, heute im Eigenverlag und ohne großes Geld im Rücken ein neues Magazin auf den Markt zu bringen! Übersetzerin Janina Gatzky und Autorin Ute Gliwa haben sich das im Juni 2014 mit Séparée getraut. Die Mission, die sie auf ihrer Website ausrufen: Mit Charme und Esprit das weibliche Bedürfnis nach Lust und Sinnlichkeit zu befriedigen.

Ein Erotikmagazin für Frauen also. Das Titelbild der aktuellen Ausgabe 4 – eine überstilisierte Adam-und-Eva-Szene – sieht harmlos aus, also blättere ich auf der Rückfahrt vom Bahnhofs-Buchhandel, wo es “Séparée” für 4,90 Euro zu kaufen gibt, schon mal locker durch und bleibe prompt am “XXL-Männerakt” hängen. Der gut gebaute Kerl, der im Tropenhaus nackt mit einem Spaten hantiert, ist offensichtlich spannender als das, was Facebook/Instagram/Snapchat gerade hergeben, und so habe ich binnen Sekunden die Aufmerksamkeit des ganzen U-Bahn-Abteils. Meine 10-jährige Tochter, die mit mir unterwegs ist, findet das alles natürlich megapeinlich und rät mir dringlichst, dem Herrn Turi die Blattkritik wieder abzusagen.

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Allein auf der Couch mit einem guten Rotwein – so lese ich “Séparée” dann am Abend. Und das Schöne ist: Es gibt wirklich viel zu lesen in diesem Heft (das ist ganz ähnlich wie beim “Playboy”). Auf patente Sex- und Optimierungstipps à la “Cosmopolitan” verzichten die aus Magdeburg stammenden Macherinnen glücklicherweise komplett. Stattdessen findet man Reportagen (etwa von einer Dildo-Party), Kulturgeschichtliches (die weibliche Ejakulation vom Altertum bis in die Neuzeit), Essays (über die neue Lust der Frauen), Interviews (z.B. mit einem Tantra-Masseur), eine erotische Kurzgeschichte rund um eine Zucchini-liebende Gärtnerin sowie diverse Produktvorstellungen.

Was mir besonders gefiel, sind die verschiedenen Tonarten der Texte. Nicht alles ist krampfhaft darauf angelegt, die Leserinnen – und vermutlich auch gar nicht so wenigen Leser – in Wallung zu bringen. Bei “Séparée” darf Sex mitunter auch komisch oder peinlich sein; wie in der Kolumne “Gespräche mit meiner Therapeutin”, wo Autor Henning Zimmermann davon erzählt, wie der Geruch von Schweißfüßen seine erste und einzige Gruppensex-Erfahrung ruinierte.

Und die Optik? Ist ja nicht ganz unwichtig beim Thema Erotik. Außer in der 14-Seiten-Story mit dem Gärtner gibt es überraschend wenig nackte Männer zu sehen – dafür umso mehr erotisch inszenierte Frauen. Macht durchaus Sinn, denn in weiblichen Sexfantasien spielt das eigene Geschlecht eine viel größere Rolle als in männlichen. Ob einem die Ästhetik der sehr unterschiedlichen Bildstrecken anspricht – Geschmacksfrage. Auch hier gilt wie bei den Texten: Die Fotos wirken authentisch, sie zeigen verschiedene Facetten von Sinnlichkeit und Lust, sind aber nicht auf genormte Instant-Erregung ausgelegt.

Kompliment also für dieses mit viel Leidenschaft und Hirn produzierte Magazin. Die Branche braucht mehr Frauen wie Janina Gatzky und Ute Gliwa, die enthusiastisch und unbeirrt das verwirklichen, woran sie glauben.

Im Reigen der Blattkritiken erschienen bisher folgende Beiträge:
– Janina Gatzky und Ute Gliwa am 17.5.2015 über den “Playboy”
Florian Boitin am 10.5.2015 über “Clap”
Peter Böhling am 2.5.2015 über “Cicero”
Christoph Schwennicke am 26.4.2015 über “Kontext”.
– Josef-Otto Freudenreich am 19.4.2015 über die “B.Z.”.
– Peter Huth am 11.4.2015 über “Geo Wissen Gesundheit”.
Michael Schaper am 4.4.2015 über die deutsche “People”

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