Blattkritik: Tatjana Kerschbaumer über “Emma”.

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Emma beschenkt sich zum 40. Geburtstag mit einer Jubiläumsausgabe, in der sich das feministische Frauenmagazin prominent beglückwünschen lässt. Für turi2 gratuliert Tatjana Kerschbaumer, 26. Die Journalistin aus München bezeichnet sich zwar selbst nicht als Feministin, liest die Zeitschrift von Alice Schwarzer aber trotzdem gerne – allerdings nicht wegen ihrer Gründerin.

Happy Birthday: Die “Emma” wird 40 und nutzt ihren Geburtstag dazu, sich Streicheleinheiten fürs feministische Ego abzuholen. Das soll gleich das Cover signalisieren: Alle dort abgebildeten (A-, B- und C-) “Promis” dürfen zu Beginn des Hefts verraten, was sie an “Emma” besonders mögen – und was sie stört. Mir würde da ja einiges einfallen: Zum Beispiel die Tatsache, dass Chefredakteurin und “Emma”-Erfinderin Alice Schwarzer über ihrem Produkt helikoptert und sich selbst zur unverzichtbaren Ikone hochstilisiert. Die Titelseiten-Köpfe sind da gnädiger.

Im Editorial von Alice Schwarzer sowie einem protokollierten Gespräch der “Emma”-Redakteurinnen erfährt der Leser mehr über die Geschichte des Magazins. Das ist oft ziemlich witzig und interessant (der erste Schreibtisch zog erst nach 10 Jahren in die “Emma”-Redaktion ein), manchmal aber auch ermüdend und einigermaßen selbstverliebt:

“Ich war 33 Jahre alt, aber bereits eine erfahrene Journalistin: als Volontärin bei den Düsseldorfer Nachrichten, Reporterin bei Pardon und freie politische Korrespondentin in Paris für Print, Funk und Fernsehen. Ab 1971 hatte ich in Deutschland meine ersten drei Bücher veröffentlicht.“ 

Ich gestehe: Ich habe mich beim Lesen dieser Superwoman-Passage einen Moment lang ziemlich mies gefühlt. Ich habe mit immerhin 26 Jahren weder in Paris korrespondiert, noch ein Buch geschrieben – zumindest kein ganzes. Ich habe auch keine 250.000 D-Mark (oder Euro) auf dem Konto, wie Schwarzer nonchalant nebenbei einwirft. Was bezweckt Schwarzer mit solchen “Ich-bin-so-geil”-Aussagen? Soll sich die Leserin genieren, dass sie nicht genauso viel feministischen Biss hat? Mein Fazit: Was wäre die Welt nur ohne Alice? Jedenfalls eine Welt ohne “Emma”.

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Und das wäre schade. Wie fast jede Ausgabe glänzt auch das Geburtstagskind in meiner Lieblingsrubrik “Emma Menschen” mit starken Porträts über starke Frauen: Christa Stolle, Geschäftsführerin von “Terre des Femmes” bekommt ebenso ein Plätzchen wie das Wiener Wunderweib Stefanie Sargnagel. Das Problem ist die Formulierung “Plätzchen”. Viele der Porträtierten hätten – wie fast immer – locker eine halbe oder eine Seite mehr verdient. Den meisten von ihnen kommt der Leser auf kurzer Distanz nur sehr oberflächlich nahe.

Sparen können hätte man sich dafür den beschönigenden Frauke-Petry-Text, die zur “emanzipierten Frau in einer Männerwahn-Partei” verklärt wird. Die AfD wird darin zwar nicht gänzlich unkritisch betrachtet. Aber die angeblich von innerparteilichen Macho-Putschversuchen bedrohte Petry rutscht in eine Opferrolle, die ihr nicht gebührt. Liebe “Emma”: Frau Petry hat sich ihre Partei selbst und bewusst ausgesucht. Es gibt sicher andere Frauen, die eure Unterstützung und eure Stimme wesentlich mehr brauchen können.

Aber keine Sorge, das soll jetzt kein Shitstorm werden. Davon hatte die “Emma” in ihrer Geschichte nämlich wahrlich genug. 1994 (Prä-Internet-Phase) geht Shitstorm noch ganz wörtlich: Ein Dutzend Aktivisten stürmt die Redaktionsräume und kippt Mist auf die Schreibtische. Grund war ein “Emma”-Dossier über islamistische Fundamentalisten – ein Thema, bei dem die “Emma” noch heute eine Haltung vertritt, die ihr bei einigen den Ruf einbringt, rassistisch und politisch inkorrekt zu sein.

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Fluffiger ist da schon die klassische Geburtstags-Rubrik “Ich lese Emma”, die als Rausschmeißer dient. Geht immer: Ganz normale Menschen erzählen lassen, wie sie so leben und was die “Emma” in diesem Leben eigentlich verloren hat. Elke, 57, fühlt sich durch das Magazin besser gegen männliche Platzhirsche gewappnet; Anja, 26, entdeckte die “Emma” als Kind bei ihrem Feministen-Vater. Es könnte so schön sein – wären da nicht die Freisteller-Fotos der Erzählenden, die wirken, als wäre das Layout in den 90ern hängen geblieben. Bitte, bitte, liebe “Emma”: Beheben. Dann steht trotz aller Höhen und Tiefen auch dem 50. nichts mehr im Weg.

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