Blattkritik: Harald Willenbrock, Redaktionsleiter “Walden”, über “ramp”.

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Harald Willenbrock, zusammen mit Markus Wolff Redaktionsleiter bei Walden, bewundert ramp für seine technische Perfektion. Und ist gleichzeitig ein bisschen von ihr gelangweilt.

Mag ja sein, dass es Männer gibt, bei denen sich alles nur um das Eine dreht. In “ramp” geht es konsequent um das Andere. 240 Seiten Auto, Motor und Sport vom Allerfeinsten, produziert von Machern, die augenscheinlich gleich Automobilingenieuren so lange an Details herumschrauben, bis jedes hundertzwanzigprozentig sitzt. Wäre “ramp” ein Automobil, bestäche es durch perfekte Form, makelloses Lackfinishing und rekordverdächtige Spaltmaße. Alles stilvoll, makellos und geradezu beängstigend perfekt.

Das alles ist auch für Nicht-Auto-Freaks eine Freude, weil bei diesem Modell die Sonderausstattung inbegriffen ist. Hochglanz im vorderen Teil, ungestrichenes Papier im hinteren und in der Heftmitte, wo gerade der neue BMW 7er vorgestellt wird, ein Blaupausenpapier-Einschuss mit technischen Illustrationen. Zur Ausstattung gehören ferner feine Extras wie eine gelackte Titelzeile und ein Heftrücken im Absperrbaken-Muster. Das Beste an “ramp” aber sind seine atemberaubend guten Fotostrecken, die von einem klaren, puren Gestaltungsraster zusammengehalten werden. Chefredakteur und Verleger Michael Köckritz, der “ramp” seit 2007 in seinem Reutlinger Red Indians-Verlag herausgibt, setzt angenehmerweise auf Pixel statt PS und Design anstelle dröger Daten. Man muss nicht Autos lieben, um “ramp” zu schätzen.

Zu den Auflagenkönigen auto motor sport und Auto Bild verhält sich das Hochglanzmagazin damit wie ein Lotus Evora zu Golf und Mazda: Man ist in derselben Branche, aber in einer ganz anderen Klasse unterwegs. Für einen ordentlichen Abstand sorgt schon allein der Copypreis: Umgerechnet in Kraftstoff, käme man mit einer einzigen “ramp” locker 200 Kilometer weit (beim in der aktuellen Ausgabe vorgestellten Ferrari California T reichte es allerdings nur für die Fahrt bis zum Bäcker). Dabei ist “ramp” trotz aller Hochklassigkeit keinesfalls snobistisch-abgehoben. So stellen die Magazinmacher gleich neben dem Tesla Model X (Preis: 117.000 Euro) den neuen Smart ForTwo (10.900 Euro) und damit ein Fahrzeug vor, das der Zielgruppe allenfalls als Dritt- oder Viertwagen in die Garagen käme.

Thematisch beherzigt “ramp”, was Federico Fellini mit Blick auf die Ehe empfahl: Wenn man es schon mit einem “Theater mit gleichbleibendem Repertoire” zu tun habe, so der Regisseur, solle man “wenigstens gelegentlich die Inszenierung ändern.” Also schickt “ramp” einen Mercedes Benz GLE auf Berg- und Talfahrt, der Nissan GT-R Nismo bekommt einen Auftritt als “Der letzte Samurai” und Ken Duken darf mit einem Opel Corsa OPC durchs Baskenland kurven. Chefredakteur Köckritz wiederum schaut bei einem “Freund” zum gemeinsamen Autoschrauben vorbei. Der sieht nicht nur aus wie ein Model, sondern ist auch eines und besitzt praktischerweise eine schmucke Schrauberwerkstatt in der Nähe Kapstadts. Dort schraubt der Boliden-Beau in seiner aufgelassenen Fabrik an Ford-Newtimern, während Köckritz ihm durchs Gegenlicht mit seiner Kamera zuschaut.

Schöner kann der Schein kaum sein, und paradoxerweise liegt darin eine gewisse Schwäche des Magazins. Spätestens ab Seite 200 fühlt man sich beim Durchblättern von “ramp” wie in einer Automobil-Edition der Cannes-Rolle, die irgendjemand auf Endlos-Modus geschaltet hat. Jede Einstellung, jeder Schnitt ist hier durchkomponiert und kühl kalkuliert, selbst die raren Ecken und Kanten perfekt inszeniert. Eine ist jene lustige Idee, Chefredakteur Köckritz als Anhalter im Roboterkostüm an die Straße zu stellen (Anlass war das Experiment zweier Künstliche-Intelligenz-Forscher, die einen Roboter auf Anhalter-Tour durch die USA geschickt hatten). So sehr “ramp” auf Leidenschaft fürs Automobil setzt, so sehr zügelt es echte Emotionen.

Vielleicht muss das so sein. Man kann “ramp” auch als opulentes Portfolio interpretieren, das seine Macher mit Blick auf Artbuyer und Markenmanager aus der Automobilindustrie komponiert haben. Das muss kein Nachteil sein, bedingt aber eine gewisse rationale Perfektion, denn nichts hassen Marketingleute so sehr wie das Risiko, irgendwo auf ihrer Strecke aus der Kurve getragen zu werden. Unvorhergesehenes aber gehört zum Unterwegssein nun einmal dazu.

“Wenn Du glaubst, Du hättest die Dinge unter Kontrolle, fährt Du nicht schnell genug”, wusste schon der Rennfahrer Mario Andretti. Dass Andretti ob seiner notorischen Pannen und Fehlstarts mit dem “Andretti-Fluch” assoziiert wurde, macht seine Erkenntnis nur noch umso wahrer.

Wäre “ramp” also unser Freund, würden wir ihm sagen: Klasse, dass es Dich gibt. Wir bewundern Dich für vieles, was Du kannst und immer wieder neu zeigst. Aber jetzt hau auch mal auf die Kacke.

Bisher wurden folgende Titel einer Blattkritik unterzogen: 11 Freunde, art, auto motor und sport, B.Z., Cicero, Clap, c’t, Donna, Enorm, Euro am Sonntag, Fit for Fun , Gala, Geo Wissen Gesundheit, Kontext, Merian, National Geographic, People, ramp, Playboy, Séparée, Sneaker Freaker, Spektrum der Wissenschaft, Women’s Health, Zeit-Magazin.

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