Blattkritik: Marie-Luise Lewicki, Chefredakteurin “Eltern” über “Hohe Luft”.

Blattkritik-Hohe Luft Marie-Luise Lewicki 600
Marie-Luise Lewicki, Chefredakteurin der Eltern, liest im Auftrag von turi2 Hohe Luft und geht mit dem Philosophie-Magazin sofort eine Ehe ein, die aber nur eine Vernunftehe ist: Das Heft hat alles, was es braucht, um das “große Ganze zu sehen”, leider fehlen ihm Streit und Leidenschaft, urteilt Lewicki.

Warum lese ich ein Philosophie-Magazin? Ist das eine deformation professionelle – wer sich mit Erziehung beschäftigt, muss Stoiker sein? Vielleicht, aber vor allem die Überdosis an medialen Pseudo-Trends treibt mich in die Arme von Hohe Luft: Das große Ganze sehen, verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält – das müsste doch guten Lesestoff ergeben.

Steckt der in “Hohe Luft”? Unbedingt. Das Heft punktet mit einem breiten Themenspektrum und angesichts der Komplexität der Themen sehr zugänglich geschriebenen Beiträgen. Ein Philosophie-Studium braucht man definitiv nicht, um sich in Themen wie “Darf man Wasser predigen und Wein trinken?” (beruhigenderweise heißt die Antwort: durchaus …) oder die Frage einzulesen, was eigentlich so schwierig am Entscheiden ist. Aktualität ist da mit der Frage, was die braunen Hassprediger antreibt. Mehr als news-to-use geben “Fünf Thesen zur Pubertät”, von denen man sich gleich doppelt verstanden fühlt: als Ex-Pubi und als Mutter. Weil die Autorin, die Philosophin Rebekka Reinhard, mit viel Empathie und Liebe zum Schrägen gearbeitet hat.

Alles gut also? Nicht ganz. Mit “meinem” Philosophie-Magazin würde ich so gern eine Liebesbeziehung haben. Es müsste nach Rotwein und Gauloises riechen und nach Nächten in der Kneipe, in denen man sich die Köpfe heiß redet und die absurdesten Thesen challengt. Es müsste Dialog herausfordern, Widerstreit und die Leser müssten mitreden. Ich würde das Magazin und die, die es lesen, mal lieben und mal hassen, aber so kenne ich die anderen Leser nicht mal. Und habe auch kein Bild, wer sie sein könnten.

Mit “Hohe Luft” ist das derzeit noch eine Vernunftehe. Passt alles, hält bestimmt, bewegt aber nur gelegentlich. Weniger Vorlesung, mehr Diskussion, und ein bisschen mehr Humor – dann könnte es Liebe werden.

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Die Blattkritik erscheint jeden Sonntag bei turi2.de und folgt dem Prinzip des Reigens.

In der Vorwoche hat Thomas Vašek, Chefredakteur “Hohe Luft”, das “manager magazin” kritisiert.

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