turi2 edition #16: Muss Klimajournalismus weh tun, Sara Schurmann?
19. Januar 2022
Klima im Journalismus: “Als Journalist:innen haben wir eine Verantwortung, realistische Lösungen aufzuzeigen und politische Vorschläge konsequent auf Plausibilität abzuklopfen”, schreibt Sara Schurmann in ihrem Gastbeitrag für die turi2 edition #16. Die freie Journalistin und Mitgründerin des Netzwerks Klimajournalismus sagt aber auch, dass niemand absichtlich versuchen sollte, Angst zu erzeugen, “das lähmt, führt zu Abwehr, Verdrängung und Verleugnung”.
Von Sara Schurmann
Jein. Klimajournalismus muss verständlich machen, was das Klima mit dem Leben unserer Leser:innen, Zuschauer:innen und Zuhörer:innen zu tun hat – und dass dies keineswegs nur eine Krise der jungen Generation ist. Wer heute 70 ist, hat gute Chancen, 90 zu werden. Schon in den kommenden 20 Jahren wird sich unsere Welt aufgrund der Klimakrise massiv verändern. Wir müssen erklären, wie akut unsere Situation ist und wie wenig Zeit bleibt, effektiv gegenzusteuern. Als Journalist:innen können wir nicht verhindern, dass diese Infos unserem Publikum Sorgen bereiten.
Auch wenn es wichtig ist, dabei so klare Worte zu finden, dass es alle verstehen, sollte niemand versuchen, absichtlich Angst zu erzeugen. Das lähmt, führt zu Abwehr, Verdrängung und Verleugnung.
Als Journalist:innen haben wir eine Verantwortung, realistische Lösungen aufzuzeigen und politische Vorschläge konsequent auf Plausibilität abzuklopfen. Indem wir sie an wissenschaftlichen Fakten messen und entsprechend einordnen. Im Moment lassen wir Politiker:innen viel zu oft mit Behauptungen und Vagem durchkommen.
Unsere Aufgabe kann es aber nicht sein, das nur zu kritisieren. Innerhalb der kommenden Jahre müssen riesige Entscheidungen getroffen und Maßnahmen umgesetzt werden, die die Gesellschaft bisher noch gar nicht angemessen diskutiert. Diesen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess zu ermöglichen und konstruktiv zu moderieren, dafür sind Medien essentiell.
Konstruktiver und lösungsorientierter Journalismus wird daher in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle einnehmen. Wenn wir wirklich anfangen, die Klimakrise überall mitzudenken und diese Zusammenhänge journalistisch sichtbar zu machen, würde das viele schnell emotional überfordern. Doch die Wissenschaft ist eindeutig: Noch können wir das Schlimmste abwenden. Nur ist vielen noch nicht bewusst, wie klein das Zeitfenster ist und wie groß die Veränderungen dafür ausfallen müssen.