Kein Witz: Die ARD veröffentlicht ihre lange angekündigte Doku über Medienanwalt Christian Schertz. Filmemacherin Nora Binder enthält sich in der Doku eines eigenen Urteils. Sie lässt stattdessen Mandanten und Medienschaffende zu Wort kommen – die einen bejubeln Schertz, die anderen kritisieren. RTL-Moderator Günther Jauch, der sich seit Jahren von Schertz vertreten lässt, spricht erstmals im TV über sein Vorgehen gegen die Yellow Press. "Wenn es Christian Schertz nicht gäbe, dann gäbe es eine Freiheit für Journalisten, die mit Recht und Gesetz nicht mehr in Einklang zu bringen ist." "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo kennt Schertz von beiden Seiten: Als Unterstützer im Falle der MeToo-Berichterstattung über Dieter Wedel und als Gegner. Für ihn steht Schertz "für das Gegenteil, was uns Journalisten antreibt". Wenn er "Zeit"-Interviews mit Promis in der Autorisierung zusammenstreiche, sei das ein "Anschlag auf unser Bestreben, wahrhaftige Berichterstattung zuzulassen". Er nennt ihn aber auch eine "Art Notambulanz" für Prominente.
Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist dagegen überzeugt: "Wenn ein Journalist sauber gearbeitet hat, muss keine Angst vor Schertz haben." Der Anwalt sieht das ähnlich: "Die Pressefreiheit ist wirklich nicht gefährdet, weil 3, 4 Anwälte in Deutschland es wagen, milliardenschweren Medienkonzernen mit hochgerüsteten Rechtsabteilungen etwas entgegenzusetzen." Einen wichtigen Punkt macht Medienjournalist Stefan Niggemeier, den Schertz früher beim "Bildblog" kostenlos beraten habe. Mit Blick auf "presserechtliche Informationsschreiben" oder Anrufe in Redaktionen bevor Artikel erscheinen, sagt er: "Es wird problematisch, wenn die Öffentlichkeit nicht merkt, was ist da verhindert worden."
Die Doku thematisiert auch ausführlich die Rolle der Kanzlei Schertz Bergmann im Fall der Machtmissbrauchsvorwürfe gegen Rammstein-Frontmann Till Lindemann. Hier gelingt es Autorin Binder sehr gut, die Widersprüchlichkeit des Anwaltsgeschäfts herauszuarbeiten. Schertz, dem es einerseits wichtig ist "auf der richtigen Seite" zu stehen, und Frauen etwa im Fall der MeToo-Vorwürfe gegen Dieter Wedel vertreten hat, endet mit dem Satz: "Ich bin radikale Interessenvertretung für die Interessen des Mandanten, nichts anderes. Es ist nicht meine Aufgabe, zu richten, zu beurteilen, zu bewerten. Sondern meine Aufgabe ist, die Interessen des Klienten zu vertreten." Steffen Grimberg vom KNA Mediendienst sieht eine "große Schertz-Huldigung", die "noch knapp die Kurve" bekommt.
ardmediathek.de (59-Min-Doku), kress.de (Grimberg)