Angela Merkel rechtfertigt Russland-Politik und macht nur noch “Wohlfühltermine”.


Da bin ich wieder: Altkanzlerin Angela Merkel verurteilt im ersten großen Interview nach ihrem Abtritt den Ukraine-Krieg und verteidigt ihre Russland-Politik. In dem rund 90-minütigen Gespräch mit Schriftsteller und "Spiegel"-Journalist Alexander Osang am Dienstag­abend im Berliner Ensemble sagt Merkel, der Angriff Russlands auf die Ukraine ist "ein brutaler, das Völkerrecht missachtender Überfall, für den es keine Entschuldigung gibt". Dennoch rechtfertigt sie ihre Bemühungen, nach den Minsker Abkommen 2014 und 2015 eine diplomatische Lösung mit Russland zu finden: "Diplomatie ist ja nicht, wenn sie nicht gelingt, deshalb falsch gewesen. Also ich sehe nicht, dass ich da jetzt sagen müsste: 'Das war falsch, und werde mich deshalb auch nicht entschuldigen.'"

In ihrer neuen Rolle als Bundeskanzlerin a.D. sieht es Merkel nicht als Ihre Aufgabe, "Kommentare von der Seitenlinie zu geben". Zur eingereichten Frage des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk, warum sie ihre Kontakte zu Putin nicht nutze, um mit einem Telefonat einzugreifen, sagt Merkel: "Mein Amtsverständnis ist, dass ich nichts tun werde, worum mich nicht die deutsche Regierung bitten würde." Zudem sei nun sie in der Lage, "dass ich mir meine Formate aussuchen kann" und "etwas machen, was mir Freude macht". Lacher erntet sie für die Aussage: "Wenn ich lese: 'Merkel schleicht sich zurück und macht nur noch Wohlfühltermine.' Dann sage ich: Ja!"

"Welt"-Politik-Kenner Robin Alexander kommentiert bei Twitter: "Merkel gibt zur Russlandpolitik die Piaf: 'Je ne regrette rien!'". RTL-Politik-Chef Nikolaus Blome vermisst eine Antwort, "warum diese Diplomatie mit Putin nicht funktioniert hat". Und "Bild"-Vize Paul Ronzheimer wirft Fragensteller Osang "viel zu wenig kritische Nachfragen" zur Ukraine vor. "Süddeutsche"-Autor Nils Minkmar dagegen fragt angesichts des teils recht heiteren Gesprächs: "Werden die beiden damit auf Tour durch Kurorte gehen?" (Foto: Screenshot Phoenix)
spiegel.de, tagesschau.de, n-tv.de, youtube.com (90-Min-Video)