“Es reicht nicht, nur die gute Stimme zu haben.” – Armin Hierstetter über den Sprecher-Markt und gefragte Stimmen.


Armin sucht den Super-Sprecher: "Es ist nicht nur die Stimme allein, ihr müsst auch wissen, wie Ihr Euch vermarktet", sagt Armin Hierstetter im Jobs-Podcast mit turi2-Redakteur Björn Czieslik. Seine Casting-Plattform Bodalgo bringt Sprech-Profis und Auftraggeber zusammen. 12.000 Stimmen in 80 Sprachen hat er in seiner Datenbank. Bis 2008 war Hierstetter Verlagsleiter beim Männer-Magazin "FHM". Auf dem Höhepunkt der Finanz-Krise bekommt er die Kündigung und macht sich mit der Abfindung selbstständig. Bis heute ist Bodalgo eine One-Man-Show: Bei jeder neuen Stimme überprüft er persönlich, ob sie seinen Ansprüchen genügt.

Eine Chance haben bei Bodalgo nur ausge­bildete Sprech-Profis: Das kann eine Schauspiel­ausbildung sein, die Arbeit beim Radio oder private Sprech­erziehung. "Es reicht nicht, nur die gute Stimme zu haben, Du musst auch wissen, wie Du sie richtig einsetzt", sagt Hierstetter und warnt: "Ein Wochenend­kurs macht Dich nicht zum Sprecher". Sprech-Profis dürfen nicht monoton klingen, "jeder Satz braucht einen eigenen Subtext, den man hören kann", sie sollten von Anfang an mit der Stimme präsent sein und keine Wort-Enden verschlucken. Die Aufnahme muss zudem technisch absolut sauber sein: Kein Einatmer, kein Hall, kein Hintergrund­rauschen.

Gerade für Neulinge gilt zudem: "Ohne Heimstudio geht gar nichts." Darauf zu hoffen, einen Sprech-Auftrag zu bekommen und sich dann ein Profi-Studio zu suchen, sei "Unsinn". Die gute Nachricht: Schon für unter 1.000 Euro lässt sich ein Aufnahme-Setting einrichten, "das sehr, sehr gut klingt".

Wer diese Hürden genommen hat, sollte ein paar Sprach-Demos aufnehmen, sich auf Castings bewerben und Ausdauer haben: "Man muss schon ein bisschen resilient sein, denn 'Ablehnung' ist der zweite Vorname von 'Casting'."

Gefragt sind weiterhin vor allem tiefe und dunkle Stimmen, beobachtet Hierstetter, wenn auch nicht mehr ganz so extrem, wie noch in den 1980er Jahren. Aus den USA komme der Trend zu nonbinären Stimmen, bei denen nicht eindeutig ist, ob sie männlich oder weiblich sind. Bei der Sprechweise sei in den USA "Conversational" sehr gefragt – also keine aufgesetzte Sprecher-Stimme, sondern Sprechen wie in einem Gespräch unter Freunden.

Firmen und Agenturen, die eine Stimme suchen, empfiehlt Hierstetter ein möglichst präzises Briefing: Wofür kommt die Stimme zum Einsatz? Welche Art von Stimme soll es sein? Welche Ausdrucksweise soll sie haben: Frech und rotzig, gelassen oder mystisch? Sein Tipp: Wer schon eine konkrete Vorstellung hat, kann auch Beispiel-Stimmen angeben, z.B.: Klingt so wie die Synchronstimme von Morgan Freeman. "Es dauert vielleicht eine Minute, das Briefing zu schreiben, und es spart Dir so viel Zeit." Eine Vermittlungsgebühr kassiert Bodalgo weder von den Sprechern noch von den Auftraggebern. Hierstetters Geschäftsmodell sind die rund 2.000 Premium-Mitglieder, die eine monatliche Gebühr bezahlen und sich dadurch selbst auf Castings bewerben können.

Im Jobs-Podcast spricht Armin Hierstetter außerdem darüber, wie die Sprecher-Branche auf sein disruptives Geschäfts­modell reagiert hat, warum Stimmen für Werbung am teuersten sind und was er am Arbeiten als Selbst­ständiger besonders schätzt. Das Gespräch erscheint im Rahmen der turi2 Podcast-Wochen. Weitere Interviews, Podcasts, Profi-Tipps und Hör-Empfehlungen gibt es täglich bis zum 9. Oktober. Am 12. Oktober erscheint außerdem die gedruckte turi2 edition #19 Audio – jetzt schon das kostenlose E-Paper vorbestellen. (Foto: Lewis May Photography)
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