Bruder von Hubert Aiwanger hat in der Schule antisemitisches Flugblatt verfasst.


Unter Brüdern: Der Bruder des bayerischen Vize-Minister­präsidenten Hubert Aiwanger gibt sich als Verfasser eines anti­semitischen Flugblatts aus dem Schuljahr 1987/88 zu erkennen, dass die "Süddeutsche Zeitung" zunächst Hubert Aiwanger selbst zugeschrieben hatte. In einem seiten­füllenden Beitrag in der Wochenend­ausgabe beruft sich die "SZ" auf Aussagen ehe­maliger Lehrer, wonach Flug­blätter in Aiwangers Schul­tasche gefunden worden sein sollen. Er habe "unter Druck" eine Strafe dafür akzeptiert, sagt Aiwanger, das Papier aber nicht selbst verfasst, dessen Inhalt er "als ekelhaft und menschenverachtend" erachte. Der Verfasser sei ihm bekannt, dieser werde sich selbst erklären. Am Samstagabend meldet sich in der "Passauer Neuen Presse" Aiwangers älterer Bruder Helmut Aiwanger zu Wort: "Ich bin der Verfasser dieses in der Presse wieder­gegebenen Flugblatts. Vom Inhalt distanziere ich mich in jeglicher Hinsicht. Ich bedaure die Folgen der Aktion."

Er habe das Schreiben als eine Art Protest betrachtet: "Ich war damals total wütend, weil ich in der Schule durchgefallen bin und aus meinem Kameradenkreis herausgerissen wurde". Die "Süddeutsche" hatte, nachdem Hubert Aiwanger die Vorwürfe entschieden zurückgewiesen hatte, ein Schriftgutachten veröffentlicht, wonach das Flugblatt "sehr wahrscheinlich auf ein und derselben Schreibmaschine" getippt wurde wie die Facharbeit von Hubert Aiwanger aus dem Jahr 1990.

Für ihren Umgang mit dem Fall erntet die "Süddeutsche Zeitung" Kritik: Stefan Niggemeier wirft der "SZ" vor, ein Dementi von Aiwangers Sprecher zunächst nur verkürzt und hinter der Paywall veröffentlicht zu haben. "Vom ersten Absatz an ist der Text beschäftigt mit seiner eigenen möglichen Wirkung", schreibt Niggemeier. Es sei schwer, "daraus nicht auch den dringenden Wunsch zu lesen", Aiwangers Höhenflug zu beenden. Journalismus-Kritiker Timo Rieg bemängelt u.a., dass "Meinungen zu Tatsachen erklärt" würden, kein einziger Zeuge namentlich genannt und die Unschulds­vermutung "mannigfach verletzt" werde. Es gebe "keinen Anhalts­punkt für eine ergebnis­offene Recherche". Presse­rechtsanwalt Carsten Brennecke schreibt bei X: "Dieser Fall ist für Presserechtler ein Elfer ohne Torwart." (Foto: Pia Bayer / dpa / Picture Alliance)
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