Publikaturist und Gary-Glotz-Kreativchef Peter "Bulo" Böhling spießt für turi2 jede Woche Dolles und Doofes aus Mediendorf auf. In dieser Woche widmet er sich dem neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer. Mit spitzem Bleistift und ebenso spitzer Feder geht es um Presse-Förderung, Plattform-Abgabe und platte Vorurteile.
Man muss Merzens Kulturkumpel nicht mögen. Man darf ihn sogar doof finden. Und man darf das auch schreiben. Wobei "doof" Wolfram Weimer in zweierlei Hinsicht nicht gerecht würde: Erstens gehört er zu den intelligentesten Menschen, mit denen ich in meinen dreißig Medienjahren zu tun hatte. Und zweitens wäre diese saloppe Charakterisierung unzureichend, um die ganze Bandbreite derjenigen Eigenschaften zu beschreiben, die Weimer durchaus zu einem, pardon, Unsympathen machen können.
Er ist der ewige Chefredakteur, der sich gern ein kreatives Buffet anrichten lässt, um dann entweder gar nichts oder nur ein kleines Häppchen davon zu nehmen – ohne Rücksicht darauf, was mit dem Rest passiert. Er ist lang und irgendwie auch groß. Und er mag das. Man könnte ihn also durchaus einen Gernegroß nennen und läge damit richtig. Ebenso trefflich wären Begriffe wie "Parvenü", "Snob" und "Bohemien". Er ist gern er selbst, und selbst ist er gern gerecht … gefällig … herrlich. Und nein, obwohl er nicht immer ganz ehrlich spielt, ist er nicht link. Und ein Linker schon gar nicht. Ein Schwarzer Elch eben.
Aber das ist genau der Punkt: Konservatismus und Kultur schließen einander nicht aus. Ganz im Gegenteil. Ein Wertkonservativer wie Weimer tritt stets dafür ein, dass Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes uneingeschränkt Anwendung findet – sodass auch (und gerade) Minister meinungsfreiheitlich aufs karikierende Korn genommen werden dürfen. Denn ein Schwachkopf ist er nicht, höchstens ein sturer. Aber einer mit Humor. Gut so! Das gibt ihm den selbstgeblasenen Rückenwind, Regelungen anzupacken, an die sich vorher keiner wagte. Etwa die Besteuerung digitaler Plattformen. Und, meine lieben MVFP-Vorstandskollegen, man kann die klassische Zustellförderung gedruckter Produkte durchaus ebenso kritisch sehen wie den von ihm kanonisierten Gebührenzwang der Öffentlich-Rechtlichen.
Wie gesagt, man darf vieles am Ciceronianer vom Tegernsee zum Cotzen finden. Aber als überzeugtem Demokraten muss einem eines noch viel übler aufstoßen: Vorverurteilungen wegen vermeintlich falscher Parteizugehörigkeiten, Traditionen oder Glaubensfragen. Bei Monty Pythons "Das Leben des Brian" wurde "Jehova" gerufen, bevor die Steine des Gesindels an die komödiantischen Köpfe knallten. Heute sind es zwar andere rote Tücher und auch keine Kiesel mehr. Doch das mediale Abwerfen von Menschen mit unpopulären Meinungen ist nicht minder erbarmungslos, und es schafft ein Klima, das sich – leugnen zwecklos – besser ganz schnell wandeln sollte.
Im Medienmagazin "Clap" sagte Weimer noch vor ein paar Jahren, eine politische Karriere käme für ihn nicht in Frage. Dort, so wiegelte er damals ab, "sind Sie der Trottel von allen, werden beschimpft, müssen permanent Rücksicht nehmen". Ob er sich tatsächlich zum Trottel macht, nachdem er sich letztlich doch zu einem ernennen ließ, wird die Zeit zeigen – und seine "Welt" vermutlich exklusiv vermelden. Bis dahin wünsche ich Ihnen eine vorurteilsfreie Restwoche mit der Fähigkeit, auch das Andersdenken auszuhalten!
Alle Bulo-Beobachtungen lesen