Dolles und Doofes aus Mediendorf – das gibt es nur bei turi2: Jeden Mittwochmorgen nimmt sich Publikaturist und Gary-Glotz-Kreativchef Peter "Bulo" Böhling mit spitzem Bleistift und ebenso spitzer Feder Irrungen und Wirrungen aus Medien, Marketing und PR vor. In dieser Woche warnt er vor der KI (Künstlichen Intelligenz) der Suchmaschine und der diesbezüglichen NI (Natürlichen Ignoranz) vieler Medienhäuser.
von Bulo
Nein, liebe Verleger, natürlich seid ihr nicht dumm! Aber als Klick- und Auflagen-getriebene Unternehmer wisst ihr, dass es provokante Überschriften braucht, um den Leser einzufangen. Leser – erinnert ihr euch? Das ist die aussterbende Spezies von interessierten Individuen, die ihr bald vollends an das gefräßige Googlemonster verlieren werdet, das euch gerade einen nach dem anderen davon genüsslich wegschnabuliert. Und euch dabei fröhlich in den Ar…, nein, AUF den Arm nimmt.
Wahrscheinlich habt ihr es schon bemerkt: Während vor ein paar Monaten noch ein Großteil der Suchenden mit ihren Anfragen auf einer eurer Seiten landete, sind es davon derzeit nur noch rund die Hälfte. Und, Spoiler: Es werden schon sehr bald weniger als ein Viertel sein. Nicht nur ist das kein Happy, sondern überhaupt noch nicht das Ende. Das ist vor allem dann doof, wenn man seinen Verlag gerade erst schick zur digitalen Medienbutze transformiert hat, um endlich wieder Reibach statt Remittenden zu machen. Und dann (Menno!) diese unersättlichen Amis schon wieder einen Schritt voraus sind. Und das, obwohl das Trauma mit den Snippets, die ihr als das Teufelswerk schlechthin fürchtetet, gerade erst austherapiert schien.
Lasst euch sagen: Das eigentliche Höllenfeuer bekommt jetzt erst seine richtige Betriebstemperatur! Aus Angst davor, nicht geranked zu werden, heißt ihr den bösen Datenwolf beinahe sehnsüchtig in euren Online-Häuschen willkommen, wo dessen „Gemini“-Bots rücksichtslos für Zusammenfassungen umhercrawlen, die eure Inhalte bald obsolet machen. Denn warum sollte sich noch ein Leser zu euch verirren, wenn die KI doch eine wunderbare Summary des Gesuchten liefert. Zusammengestohlen aus all jenen Artikeln, die eure Redakteure, Journalisten, Autoren, Kolumnisten, Essayisten, Grafiker, Illustratoren, Fotografen und andere Kreative mit viel Geld, Geduld und Geschichtenliebe erschaffen haben.
Ob sich in diesen Sammelsurien irgendwelche Fehler einschleichen (oder auch eingeschlichen werden) – wen kümmert’s?! Zum Glück haben wir ja die Generation Z, die auch wir Medienschaffenden zum Teil so verdummbratzen ließen, dass sie alles „supersigma“ findet. Hauptsache, es ist bunt, schrill oder irgendwie anders. Von hier wird er also nicht kommen, der nötige Gegenwind, um dem Ausverkauf oder besser Ausverklau geistigen Eigentums Herr zu werden. Was ihr machen könnt: Schaut hin! Solidarisiert euch! Tauscht euch aus! Gerade, damit ihr nicht noch austauschbarer werdet, als ihr leider mitunter schon seid. Denkt gattungsorientiert sowie -übergreifend, und nicht nur an die eigenen Umsätze. Je mehr Verlage organisiert auftreten, desto leichter fallen die Verhandlungen mit Google.
Ja, fordert sie, die granulare Differenzierung, die dem Mediengiganten in die furchteinflößende Fratze plärrt: Du darfst ranken aber nicht rauben! Geschlossen lässt sich auch leichter ein Lizenzmodell realisieren, das euch wenigstens finanziell entschädigt, wenn man sich schon schamlos bei euch bedient. Und auch die (hoffentlich letzte) Instanz des Rechtswegs wird für den kleinen Publisher ums Eck im Verbund mit anderen deutlich leichter. Also nicht rumdöpfnern, sondern rudelbumsen – sodass es allen gemeinsam möglichst lange Spaß macht. In diesem Sinne wünsche ich eine Restwoche mit viel mehr Finden als Suchen!
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