Digitale Bedrohung? Martin Andree macht keinen Hehl daraus, dass er die US-Digital-Riesen für böse hält. Am Rande des AGF-Forums in Frankfurt wirft der Medienwissenschaftler und Digital-Unternehmer Konzernen wie Google, Amazon, Meta und Apple und Microsoft vor, zu heucheln, zu lügen und unser freies und demokratisches Mediensystem zu bedrohen. Als Beleg dafür dient ihm eine wissenschaftliche Messung des Online-Traffics, wonach sich schon heute die übergroße Mehrheit der Internet-Aktivitäten in Deutschland auf den Plattformen der Big 5 aus den USA abspielt. So würden etwa 60 bis 70 % der Suchanfragen bei Google gar nicht mehr zu Klicks auf Suchergebnisse führen, weil Google die Fragen u.a. durch Snippets und Kurzfassungen auf seiner Seite selbst beantwortet.
Bei einem Fortschreiten der Digitalisierung der Medien befürchtet Andree, dass bald unsere gesamte Mediennutzung über die US-Plattformen stattfindet. Die Angebote von klassischen, journalistischen Medien seien dann zwar noch vorhanden, wären aber entweder weitgehend unsichtbar oder abhängig von den Plattformen.
Die finanziellen Zuwendungen von Google und Facebook für deutsche Medien nennt der Wissenschaftler "zynisch". "Medien, die Geld von Google annehmen, müssen sich klar sein, dass sie Deals mit ihrem eigenen Henker machen." Andree beobachtet, dass vor allem einige überregionale Medien von Google News Showcase profitieren würden, kleinere Medien bekämen deutlich weniger Geld. "Wenn die Kleinen weg sind, können sie auch den großen den Hahn abdrehen", befürchtet er.
Mit seinem Buch Big Tech muss weg nimmt sich Andree das Verhalten der US-Digital-Riesen auf fast 300 Seiten vor und liefert auch Handlungsempfehlungen, wie sich das Netz anders regulieren ließe als bisher. So dürften die Konzerne u.a. nicht mehr nur wie Plattformen behandelt werden, sondern wie Medien selbst. Dann müssten die Konzerne etwa für Inhalte, mit denen sie durch Werbung Geld verdienten, auch Verantwortung übernehmen wie jedes andere Medium auch.
turi2.tv (9-Min-Video auf YouTube)
Dieses Video ist Teil der Screen-Wochen bei turi2: Bis 8. Oktober beschäftigen wir uns auf turi2.de mit Entwicklungen und Trends für Bildschirme – von der Smartwatch bis zum großen Werbescreen.