“Der Bildungspolitik fehlt ein CEO” – Stephan Bayer über Verantwortung und Veränderung.


Tutor mit Furor: "Wir haben uns in Deutschland ein System gebaut, in dem keiner verantwortlich ist, dass es mit Bildung besser wird", sagt Stephan Bayer im turi2 Clubraum. Der Chef der Lern­plattform Sofatutor findet es unangenehm zu sehen, wie bei Erscheinen eines negativen neuen Reports zu Bildungs­trends die Verbände "ausflippen" und sich die Schuld zuschieben, ohne dass jemand fragt: "Wie fixen wir das jetzt?" Die Unlust auf Struktur­diskussionen in Sachen Bildung "fuckt mich echt hart ab", lässt Bayer im Gespräch mit Aline von Drateln und Markus Trantow wissen.

Dass fach­fremde Lehr­kräfte jetzt auch noch Medien­kompetenz vermitteln sollen, gefällt Bayer nicht. Hier wünscht er sich Extra-Angebote, z.B. in Form von Projekt­schul­tagen. Auch die in Berlin wieder­eingeführte Verbeamtung von Lehr­kräften, sieht er kritisch: Studien würden belegen, dass die damit verbundenen Privilegien nicht der richtige Anreiz seien, um Bildung zu verbessern. Aus Unternehmer­sicht sagt er: "Ein bisschen Druck, auch abzuliefern, sollten wir uns alle ausliefern." Das Grund­problem in der Bildung sei jedoch klar ein Fach­kräfte­mangel. Der Job müsse einen höheren Status bekommen und attraktiv werden. Bayer berichtet, dass Fach­kräfte "bei Sofatutor Schlange stehen und sagen: 'Holt mich aus dem Lehrerberuf raus'".

Bayers Weg vom Soziologen und Politologen mit Alpaka-Pullover ins einstige "Feindbild Unternehmer" war kein leichter. Es habe ihn "viele Jahre gekostet, diese falsche Überzeugung abzuschütteln, dass Unternehmertum Kommerz sein muss". Sofatutor benutzt den Begriff Startup vor allem für Kommunikations­zwecke, erläutert Bayer weiter. Die Firma sei schon vor Corona profitabel und eher "digitaler Mittel­ständler" gewesen, daher "verdoppelt so eine Pandemie nicht mal eben das Geschäft" und sei "nicht der totale Gamechanger". Für die Relevanz der täglichen Arbeit des Teams sei Corona jedoch "richtig krass" gewesen. Alle Welt, inklusive Angela Merkel, habe sich plötzlich für die Firma interessiert.

Das Werbegeld von Sofatutor fließe vor allem in Mainstream-Medien, wo dann aber sehr gezielt auf das Targeting geachtet werden müsse. Ziel­gruppen­spezifische Medien­angebote seien für die Zwecke der Firma häufig zu klein, für Fernseh­werbung wiederum sei das Angebot "zu nischig". Zudem bespiele Sofatutor "zwei Dutzend Kanäle", jeweils mit einzelnen Channel Managern – von Google und YouTube über Social Media-Plattformen bis zum kürzlich getesteten Out of Home. Dass Kinder aus bildungs­ferneren Haushalten durch sein Direct-to-Consumer-Geschäfts­modell ausgeschlossen sein könnten, treffe ihn "ins Herz". Hier sei das System "noch nicht optimal". Daher träume er davon, noch mehr mit Schulen zusammenzuarbeiten.

Der turi2 Clubraum diskutiert jeden Freitag um 12 Uhr mit einem prominenten Gast die Themen der Woche. Nächste Woche ist Kerstin Niederauer-Kopf zu Gast. Sie ist Vorsitzende der Geschäfts­führung bei der AGF Videoforschung und liefert mit ihren Quoten die Bemessungs­grundlage des Erfolgs eines ganzen Medien­zweigs.
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