Der “Spiegel” analysiert die Rolle von Twitter für Politik und Gesellschaft.


Giftiges Gezwitscher: Die "Spiegel"-Redakteure Markus Feldenkirchen und Veit Medick legen eine ausführliche Analyse über die immer toxischere Stimmung bei Twitter vor. Die Autoren beschreiben etwa mehrere Fälle, in denen sich CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet vermeintlich blamiert hat – beim Besuch von Elon Musk in Grünheide und im Gespräch mit einem Flutopfer. Beides entlarven sie im Prinzip als Fake News. Sie beschreiben die Lagerbildung in eine linke und eine rechte Blase: "Das linke Twitter will Deutschlands gutes Gewissen sein, das rechte Twitter hat teilweise gar kein Gewissen."

Am Beispiel von Friedrich Merz beschreiben Feldenkirchen und Medick, wie Twitter Politik macht: So gehen Merz und sein Sprecher Armin Peter bewusst in den Twitter-Nahkampf, etwa zur Genderdebatte. Mit einem sarkastischen Tweet – "Grüne und Grüninnen? Frauofrau statt Mannomann?" – habe Merz ein Thema in den Medien und in der Union gesetzt. Dass das auch im Positiven funktioniert, erklärt Sascha Lobo: Seiner Meinung nach sind weder "Ehe für alle" noch #MeToo oder #BlackLivesMatter ohne Twitter denkbar.

Dass es auf Twitter ungemütlicher wird, sagen und zeigen viele: Robert Habeck hat sich von der Plattform verabschiedet, auch weil er darin eine Gefahr für die Politik sieht. "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt beschreibt Twitter als "Turbo für Debatten". "Nie zuvor hat Twitter in Deutschland eine derart große Rolle gespielt wie bei diesen Wahlen", urteilen Feldenkirchen und Medick.
"Spiegel" 39/2021, S. 12-18 (Paid)