Dialogbereit: Lorenz Maroldt plädiert für freundliche Antworten auf beleidigende Leserpost.


"Tagesspiegel"-Herausgeber Lorenz Maroldt plädiert für mehr Dialog zwischen Journalismus und Leserschaft, berichtet der "KNA-Mediendienst". Bei einer Konferenz der Stiftung Gesellschaft für Rechts­politik in Trier beklagt Maroldt am Freitag Fehl­entwicklungen, die im Journalismus nach in den vergangenen Jahren zugenommen hätten. "Der Ton der Kommunikation uns gegenüber hat sich enorm verschärft in den letzten Jahren", sagt Maroldt. Die klassische Reaktion von stolzen Journalistinnen und Journalisten sei, jede Leser-Mail, die auch nur einen Anflug von Beleidigungen aufweise, sofort in den Müll­eimer zu befördern. "Ich habe vor vielen Jahren angefangen, mir anzugewöhnen - und das kostet Über­windung -, sehr, sehr freundlich auf solche Mails zu antworten", so Maroldt. Wenn man freundlich und sachlich antworte, komme in zwei Dritteln aller Fälle, bei denen man vorher sage, dieser Mensch sei für die Demokratie verloren, eine eher klein­laute Mail. Darin lese er dann etwa: "Lieber Herr Maroldt, wenn ich gewusst hätte, dass meine Mail über­haupt gelesen wird, hätte ich mich selbst­verständlich von Anfang an anders ausge­drückt." So komme man mit den Menschen in die Diskussion und "das ist wahnsinnig wichtig", so Maroldt weiter.

Von Reporterinnen und Reportern wünscht sich Maroldt mehr Transparenz, mehr eigene Recherche und weniger ober­flächliche Arbeit: "Ich stelle fest, dass hier viele nicht ganz fakten­sicher sind und manchmal auch vorein­genommen." Daher plädiere er auch für eine Entschleunigung des Journalismus: "Wer ständig mit Höchst­geschwindigkeit unter­wegs ist, ermüdet sich und ermüdet auch andere und macht natürlich auch Fehler", sagt Maroldt.

Den sogenannten Haltungs­journalismus sieht Maroldt kritisch: "Wer sich über jeden Spruch erregt, beispiels­weise von Trump, der über­sieht das Wesentliche." Statt zu versuchen, zu verstehen, warum sich in den USA so viele klassische Wähler­gruppen der Demokraten von der Partei abgewendet hätten, sei in den Nachrichten vor allem Hoffnung zu vernehmen gewesen, dass Kamala Harris es vielleicht doch schaffen könnte. "Ent-pört euch", fordert Maroldt von seinen Kolleginnen und Kollegen. Das gelte auch für die Berichterstattung des Recherche­netzwerks Correctiv über die Konferenz in Potsdam: "Ich fand das eine sehr wichtige journalistische Arbeit, aber was daraus passiert ist, war extrem kontra­produktiv, weil natürlich im Nachgang jede Unklarheit und jede Über­treibung komplett ins Gegen­teil umschlägt und die ganze Arbeit diskreditiert." Dies sei völlig über­flüssig gewesen.

Umgekehrt brauche aber auch der Journalismus Unter­stützung: "Mir begegnen zunehmend Menschen, die ich eigentlich ernst nehme, die mir allen Ernstes wahr machen wollen, sie bräuchten für Informationen kein Geld auszugeben." Wer glaube, es genüge, sich über kosten­lose Portale oder soziale Medien zu informieren, unter­liege einem Irrtum. "Meine Bitte: Unter­stützen Sie diese Menschen, die diese Arbeit tun", sagt Maroldt.
mediendienst.kna.de (€), kress.de

Dieser Text ist eine leicht bearbeitete Über­nahme eines Beitrags des KNA-Mediendienstes.

Foto: Tagesspiegel / Nassim Rad