Im Zweifel für die Opfer: Medienanwalt Christian Schertz sieht in vielen True-Crime-Formaten “eklatante Opferrechtsverletzungen”.


Medien­rechts­anwalt Christian Schertz fordert mit Blick auf den anhaltenden Boom von True-Crime-Formaten die Schaffung eines post­mortalen Persönlich­keits­rechts. Der Gesetzgeber müsse "Ausschlachtungen von menschlichen Tragödien" untersagen, sagt Schertz in einem Interview mit der Opferschutz-Organisation Weisser Ring. Er kritisiert: "Das persönliche Schicksal von Menschen wird genutzt, um Einschalt­quote, Auflage und Klick­zahlen zu generieren." Verständnis zeigt Schertz für Formate wie "Aktenzeichen XY... Ungelöst", wo es darum gehe, noch Täter zu ermitteln. Auch die nachträgliche Betrachtung historischer Straf­taten mit zeit­geschichtlicher Bedeutung hält er für legitim.

Bei einer großen Zahl der Morde und Tötungsdelikte, die in True-Crime-Formaten thematisiert werden, sehe er aber "kein überwiegendes Informations­interesse der Öffentlichkeit". Schertz denkt dabei auch an das Leid der Angehörigen: "Wenn die Taten wieder an die Öffentlichkeit gezerrt werden, führt das zu Retraumatisierungen." Von jedem aus der Politik, mit dem er über das Thema spreche, bekomme Schertz Zustimmung, sagt er: "Aber passiert ist nichts." Es sei eine "geradezu perverse und schier unerträgliche Situation", dass Mörder nach Haftverbüßung oft nicht mehr identifizierend dargestellt werden dürfen, "die Persönlichkeits­rechte der Opfer aber erlöschen, weil sie verstorben sind, weil sie ermordet wurden".
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(Foto: Till Brönner / Schertz Bergmann)