Netflix-Chef Hastings spricht in der “Zeit” von der Angst, obsolet zu werden.


Was kommt nach dem Binge-Watching? Netflix-Chef Reed Hastings sagt im Interview mit der "Zeit", der Streaming-Dienst schaue schon jetzt auf die Zeit nach den Serien-Boom: "Irgendwann werden Fernsehserien das sein, was für uns heute die Oper ist, eine alte Kunstform." Daher gelte es "neue Formen der Unterhaltung" auszuprobieren "jenseits von Filmen und Fernsehserien". Dabei schaut Hastings unter anderem auf TikTok: "Das ist noch kein Ersatz für TV-Shows. Aber das ist es, was Teenager machen, wenn sie nicht Netflix schauen." Das größte Risiko für Netflix sei es, obsolet zu werden. Hastings Rezept dagegen: "Es ist besser, viele kleine Risiken einzugehen, um dieses große Risiko zu verringern, als die kleinen Risiken zu vermeiden, nur um am Ende überholt zu werden." Deshalb setzt der Manager auf möglichst große Freiheiten im Unternehmen. Mitarbeiter*innen steht es frei, so viel Urlaub zu nehmen, wie sie wollen. Reisespesen bedürfen keiner Genehmigung.

Hastings fragt: "Ist die größte Gefahr für unsere Organisation, dass jemand zu viel für ein Geschäftsessen ausgibt? Oder ist die größte Gefahr, dass die Mitarbeiter versäumen, die Zukunft unserer Branche zu erfinden?" Kritiker*innen hält er entgegen, dass auch ohne Kleidervorschriften keiner nackt zur Arbeit komme, weil es gesellschaftliche Normen gebe. Die Kritik, Mitarbeiter*innen hätten Angst, gefeuert zu werden, teilt er nicht. Man müsse bereit sein "einen guten Mitarbeiter zu feuern, um stattdessen einen fantastischen einstellen zu können". Das führe zu Spitzenleistungen und sei "berauschend" für "sehr gute Leute, die mit sehr guten Leuten arbeiten wollen."
"Zeit" 38/2020, S.20 (Paid)