Toxische Ruhe nach dem Sturm: "Der wahre Schlesinger-Skandal ist die Art und Weise der Skandalisierung", schreiben Stephan Lebert und Thomas E. Schmidt in der "Zeit". Zwei Jahre nach dem Skandal um RBB-Intendantin Patricia Schlesinger seien immer noch keine Gerichtsverfahren eröffnet worden. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittele zwar noch, eine strafrechtliche Anklage gegen Schlesinger werde aber "von Woche zu Woche unwahrscheinlicher". In der Rückschau lasse sich der Skandal "als eine Art Zusammenschießen von Gelegenheiten" charakterisieren, "entschlossen und mit großem Vernichtungswillen" genutzt von jenen, die dem RBB und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt schaden wollten. Die Atmosphäre im Sender sei "noch immer toxisch", so die "Zeit". Niemand wolle namentlich zitiert werden. Ein Mitglied des jetzigen Verwaltungsrates sagt, es gebe bis heute eine "Standleitung" aus dem RBB direkt zu Springer. Man rechne nach wie vor damit, dass vertrauliche Dokumente sofort herausgegeben würden.
Schlesinger selbst sagt, sie wolle nicht die "Opferrolle" spielen, aber dass Ihr Skandal den Gegnern des öffentlich-rechtlichen Systems so viel Munition lieferte, "das schmerzt mich sehr". Sie "liebe den öffentlich-rechtlichen Journalismus" und sei "zutiefst von ihm überzeugt". Ihre Agenda, den RBB zum Hauptstadtsender machen zu wollen, bereut Schlesinger nicht: "Wir reden von Berlin. Eine europäische Hauptstadt. Warum soll es hier keinen starken Sender geben? Sicher, ich habe groß geträumt, aber der Plan war gut und auch seriös." Selbstkritisch räumt Schlesinger jedoch ein, dass sie "irgendwann die Belegschaft verloren" habe. "Das würde ich heute anders machen."
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(Foto: Holger Talinski für turi2 edition)