Höfliche Abrechnung: Der RBB veröffentlicht eine mit Zukunftsempfehlungen versehene Zusammenfassung des Berichts von Deloitte-Mann Frank Marzluf und Ex-NDR-Investigativ-Chef Stephan Wels zur fehlerhaften Berichterstattung über Politiker Stefan Gelbhaar. Er beschuldigt den namentlich nicht genannten Chefredakteur, der jedoch klar als David Biesinger identifizierbar ist, sich in dem Fall "lediglich rudimentär informieren lassen" zu haben: Eine "inhaltliche Befassung durch ihn fand nicht statt". Dies sei mit der "seit langem im rbb geltenden Arbeitsweise der 'delegierten Verantwortung' im Bereich der Chefredaktion" begründet worden, laut der die inhaltliche Verantwortung und Aufgabenverteilung nicht beim Chefredakteur liege. Der Bericht kommentiert: "Dieses Organisationsmodell lässt offen, wie der Chefredakteur seiner Aufgabe und Verantwortung nachkommt, für die Einhaltung der journalistischen Standards zu sorgen." Zudem soll sich Biesinger in einer Stellungnahme nach Bekanntwerden des Problems übertrieben zur kriminellen Energie der Gelbhaar beschuldigenden Frau geäußert haben. Diese habe lediglich einen falschen Namen am Telefon genannt und ihre Täuschung "ohne großen Aufwand" betrieben.
Weiter heißt es im Bericht, dass die "beteiligten Autor:innen keine Erfahrung im Bereich des investigativen Journalismus hatten" und "nie mit dem Instrument der eidesstattlichen Versicherungen gearbeitet" hatten. Somit sei "nicht nachvollziehbar, dass dieses Team mit diesem Thema betraut wurde". Gleiches gelte für die Redakteurin, die die Recherche begleiten sollte. Das Justitiariat habe "Zweifel an der Eignung von Autor:innen und Redaktion" gehabt, diese jedoch verschwiegen. Nach anfänglichen Warnungen habe es sich "journalistisch betrachtet - mit zu wenigen, teils ungenügenden Ergebnissen zufrieden" gegeben.
Der RBB kündigt an, aus dem Bericht Maßnahmen abzuleiten. Dabei stehe die "Überarbeitung bestehender redaktioneller Regelwerke" im Zentrum. Zudem stehen "verbindliche Schulungen insbesondere zu den Anforderungen der Verdachtsberichterstattung" auf dem Programm. Redaktionelle Abläufe in der Chefredaktion würden unter Einbezug des Qualitätsmanagements und des Redaktionsausschusses ebenfalls überarbeitet. Damit greift der Sender Teile der Empfehlungen des Berichts auf. Den ganzen 96-seitigen Abschlussbericht könne der Sender nicht veröffentlichen. Einzelne Inhalte müssten "aus persönlichkeits- und datenschutzrechtlichen Gründen vertraulich bleiben", Mitglieder der RBB-Aufsichtsgremien könnten das ungekürzte Schriftstück aber einsehen, heißt es vom RBB.
rbb-online.de (Zusammenfassung), presseportal.de
(Foto: rbb/Gundula Krause)