“Die Marktlücke ist extreme Unabhängigkeit” – Sebastian Esser über Journalismus-Finanzierung.


Steady as he goes: "Journalismus muss sich eine neue Daseins-Berechtigung verdienen und beweisen, dass er unabhängiger ist als andere", sagt Sebastian Esser im turi2 Clubraum. Er hat 2016 mit der Plattform Steady ein Finanzierungs-Portal für unabhängige Medien gegründet. Außerdem ist er Co-Gründer des Online-Magazins Kraut­reporter. Mit Moderatorin Aline von Drateln und turi2-Chef­redakteur Markus Trantow spricht Esser über die Zukunft des Journalismus und gibt Tipps für Neulinge im Medienbusiness. "Stellt euch vor, dass bei unseren Kindern keine Zeitung mehr auf dem Tisch liegt, sie dafür aber unfassbar viel Markenzeug um sich herum haben", sagt er. "Wenn die keine emotionale Bindung mehr an journalistische Marken haben, welche Rolle spielt Journalismus dann noch?" Esser hält "extreme Unabhängigkeit" für eine Markt­lücke. Wäre die gegeben, würden sich die Menschen dem Journalismus zuwenden, "wenn sie wirklich die Wahrheit wissen wollen".

Aktuell denken Medien­schaffende laut Esser noch zu wenig an die Rezipienten. "Wenn ich morgens Deutschland­funk anschalte, kommt die Morgen­andacht mit entweder einem evangelischen oder katholischen Pfarrer." Ein Rabbi oder "sonst jemand, der einen anderen Hintergrund hat", komme nicht zu Wort. Das zeige, dass zum Beispiel an eine jüdische oder muslimische Hörer­schaft nicht gedacht werde. Dabei ist sich Esser sicher: "Wenn das Geld von denen kommt, für die du arbeitest, dann entsteht besserer Journalismus." Eine emotionale Ebene hält er für extrem wichtig. "Die Leute beteiligen sich an etwas, wo sie sich zugehörig fühlen." Medien schaffen eine Bindung, wenn die Menschen Fans sind – entweder von der Idee oder von der Person.

Einsteigern im Medienbusiness rät Esser, mit dem Aufbau der Reichweite anzufangen. Der nächste Schritt sei der Newsletter, denn der "kostet nichts, außer Zeit" und ein Podcast. Wer das anbietet, "ist ein Medienunternehmen", sagt Esser. "Dann braucht man keinen Verlag und keinen Sender und wenn man das richtig macht, hat man gute Chancen, davon leben zu können."

Nächste Woche ist Ina Karabasz zu Gast. Sie ist Leiterin des Live-Journalismus beim "Handelsblatt".
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Der Podcast ist Teil der Podcast-Wochen von turi2.