Von Netflix lernen: Wie Marion Horn Boulevard für ein jüngeres Publikum machen will.


Bildet sich ihre "Bild": Seit 14 Monaten steht Marion Horn an der Spitze der "Bild" – nachdem sie sich von Springers Boulevard-Marke eigentlich schon 2019 verabschiedet hatte. Im Video-Interview am Rande des European Publishing Congress in Wien erklärt sie u.a., wie sie die Marke für die Generation TikTok fit machen will. Der Journalismus sei bei "Zeile, Foto, Text stehen geblieben", oder bei "Video only", analysiert sie im Gespräch mit turi2-Chefredakteur Markus Trantow. Das Filmemachen habe sich dagegen stark verändert, daran wolle "Bild" sich künftig orientieren und von Netflix lernen: "Wir müssen im Digitalen noch sehr viel mehr in den ersten Nanosekunden sagen: Warum soll ich das lesen."

Marion Horn beschreibt einen Kulturwandel bei "Bild": Die Chefredaktion sei inzwischen zu 50 % weiblich und fast paritätisch mit Führungskräften aus dem Osten und aus dem Westen besetzt. Das schlage sich auch auf die Themen nieder, die näher am Leben der Menschen und deutlich breiter seien als früher. Außerdem sei das Blatt "nicht mehr notorisch schlecht gelaunt".

Die Vielzahl der Presserats-Rügen, die "Bild" auch unter Horn zuverlässig sammelt, relativiert die Journalistin: "Wenn Sie 20 Mio Visits am Tag haben, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Sie eine Rüge vom Presserat bekommen, als wenn Sie der 'Pinneberger Bote' sind." "Bild" werde immer die meisten Rügen erhalten, weil das Blatt am häufigsten angezeigt werde. Manche Rügen nehme Horn auch "sehenden Auges" in Kauf. Als Beispiel nennt sie die "Schnösel auf Sylt", die "Deutschland den Deutschen" gesungen haben und die "Bild" unverpixelt gezeigt hat.

Zu ihrer auch für sie selbst überraschenden Rückkehr zu "Bild" zitiert sie einen Freund mit den Worten: "Das beste Comeback seit Lazarus." Der These, dass man als erfolgreicher "Bild"-Chef ein Raubein sein müsse, widerspricht Horn. Schon Kai Diekmann sei "sehr kooperativ" gewesen "und fast umarmend in der Art und Weise für seine Mannschaft da zu sein". Sich selbst gibt Horn als Chefin gute Noten: "Ich glaube, dass ich ein ziemlich vernünftiger Chef bin." Gleichzeitig kritisiert sie, dass sie als Frau anders bewertet werde als Männer, etwa, wenn man ihr unterstelle, "laut" zu sein. "Als Frau zu sagen, was man möchte, oder was man nicht möchte, das gehört halt zu diesem Job".
turi2.tv (9-Min-Video auf YouTube)