Blattkritik: Andreas Hallaschka, Chefredakteur von “Merian”, über “auto motor und sport”.

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Andreas Hallaschka, Chefredakteur von Merian, liest im Auftrag von turi2 auto motor und sport und freut sich über die “hohen professionellen Standards” des bald 70 Jahre alten Magazins. Trotzdem kritisiert er den Sportteil als “alibihaft” und findet das Heftende verschwendet.

auto motor und sport war schon eine journalistische Institution, als ich noch Volontär war. Jedenfalls hielt unser Lehrer Wolf Schneider uns die Weisheiten des damaligen “ams”-Redaktionsdirektors Ferdinand Simoneit gerne und wiederholt vor: “Qualität kommt von Qual”, “Journalismus ist zu 80 % Handwerk – der Rest sind gute Kontakte”. Danach gehörte “ams” einige Jahre lang zu meiner beruflichen Pflichtlektüre und, wenn ich die gesamte Spanne von nun fast einem Vierteljahrhundert überblicke, muss ich sagen: Das Blatt, das 2016 seinen 70. Geburtstag feiert, ist nach wie vor auf unverändert hohem professionellen Standard der eindeutige Qualitätsführer in seinem Segment. Die Qualität und Tiefe der Texte hebt sich wohltuend von der Konkurrenz ab, das Layout ist klar und zweckdienlich, ergänzende Kästen sind immer sinnvoll und sachdienlich eingesetzt – und hier arbeiten offenbar nicht nur Bildredakteure, sondern ganz sichtlich auch einige außerordentliche Fotografen.

Texte, Überschriften und Vorspänne in “ams” sind in aller Regel wirklich gut und handwerklich sauber. Nur hin und wieder kommt eine Zeile entschieden zu insiderisch daher. Der durchaus verheißungsvollen Überschrift “E-Autos können alles verändern” folgt der Vorspann: “Viele Komponenten fallen weg, andere kommen neu hinzu – Hersteller und Zulieferer müssen sich für das E-Auto umstellen. Und der Nutzer spart bei jeder Inspektion Geld.” Dieser Vorspann klingt nach: Manchmal ändert sich das Wetter oder es bleibt, wie es ist … Und da ich weder Hersteller, Zulieferer noch Nutzer bin, der Inspektionskosten sparen könnte, lese ich den Artikel nicht. Schade. Die Überschrift hatte mehr versprochen.

Im Hefteinstieg verzichtet “ams” unter den Überschriften auf Vorspänne. Dann muss eine Zeile wie “Kleiner Wendekreis dank neuem Achskonzept” genügen, um beim Leser Neugier zu wecken. Bei mir hat das nicht ausgereicht. Ich würde mir “ams” immer kaufen, wenn ich mich über ein neu zu kaufendes Auto informieren wollte. Die Vergleichstests sind gut gemacht, aussagekräftig und wirken kompetent. Auch die Auswahl der vorgestellten Fahrzeuge wirkt nachvollziehbar. Warum allerdings dem Leser seitenlang der neue Ford Mustang vorgestellt wird mit dem Hinweis, seine Vorderachse könne “automatisch für den Burn-out” blockieren??? Das wirkt doch sehr aus der Zeit gefallen. Die folgende Doppelseite über die “Mehrlenker-Hinterachse” hingegen verrät mir mehr, als ich je über ein Auto wissen wollte.

Der vordere Heftteil versammelt Tests, Vergleichstests und Neuvorstellungen. Dazwischen dann aber auch ein Reisebericht von einer Autofahrt durch das schwedische Smaland mit einem Auto, das nun bald nicht mehr gebaut werden soll. Ich erfahre darin einiges über das Auslaufmodell Volvo 850 T-5R und recht wenig über Smaland und frage mich in beiden Fällen: Was soll das?

Dann kommen seitenlang Automobil-Kleinanzeigen. Jawoll. Richtige Schmuckstückchen. Gefährte, die man nicht bei mobile.de findet. Das macht Spaß. Leider liegt das Mercedes-Cabrio von 1963 bei 83.500.- Euro. Da heißt es, weiter zu träumen.

Im hinteren Heftteil folgen einige sehr hübsch bebilderte, gut zu lesende und unterhaltsame Reportagen (Ami-Oldtimer Rennen in Teterow) ohne jeglichen Nutzwert und wiederum einige Tests, bzw. Vergleiche. Warum die nicht im vorderen Heftteil stehen? Rätselhaft.

Dann ein wenig Motorsport (Indycars und ein Raketenauto). Das wirkt ein wenig alibihaft. Das Heft könnte wohl auch ohne diese Themen auskommen. Die Vorschau auf die nächste Ausgabe macht Lust, auch in 14 Tagen wieder “ams” zu kaufen. Spritspar-Autos und der neue VW Touran dürften ihre Leser finden.

“ams” endet mit einem Rückblick auf die Ausgabe 18/1975. So ein wenig Nostalgie – neudeutsch Heritage – freut die Redaktion. Aber diesen prominenten Platz könnte man sicherlich verkaufsfördernder nutzen.

Bisher wurden folgende Titel einer Blattkritik unterzogen: 11 Freunde, auto motor und sport, B.Z., Cicero, Clap, c’t, Donna, Enorm, Euro am Sonntag, Fit for Fun , Gala, Geo Wissen Gesundheit, Kontext, National Geographic, People, Playboy, Séparée, Sneaker Freaker, Spektrum der Wissenschaft, Women’s Health, Zeit-Magazin.

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