Blattkritik: Horst von Buttlar, Chefredakteur von “Capital”, über “L’Officiel Hommes”.

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Horst von Buttlar, Chefredakteur von Capital, legt sich für turi2 L’Officiel Hommes auf seinen Coffee Table. Begeistert ist er von der Fotografie des Männer-Mode-Luxusmagazins. Die Texte lassen ihn – mit einer Ausnahme – dagegen ratlos oder enttäuscht zurück.

Luxusfragen
Seit Jahren diskutiere ich immer wieder mit Kollegen die Frage, warum es nicht genug gute Männermagazine in Deutschland gibt, und zwar solche, die geistreichen Lifestyle, Luxus, Humor und Reportagen zusammenbringen, die “Toys for Boys” neben Mode, neben ein großes Porträt stellen. Also all das, was in den USA zum Beispiel der Esquire macht.

Verlagsmanager winken oft müde ab: Ist gaaanz schwierig, der deutsche Mann ist halt schwierig, der liest, sofern er überhaupt noch liest, den “Spiegel” und dann noch ein Wirtschaftsmagazin. Und überhaupt gibt es doch GQ und Beef und dutzende Special-Interest-Zeitschriften für Autos, Wein, Segelboote, Modellbau und Zigarren. Bestimmt alles irgendwie richtig und doch, ehrlich gesagt, fehlt mir noch immer was. Deshalb war ich neugierig, als ich L’Officiel Hommes von turi2 zur Blattkritik bekam.

Ein Männer-Luxus-Modemagazin, ausgerechnet ich, dessen Kleidungsstil schon im Studium von seiner damaligen Freundin als “praktisch” beschrieben wurde. Das Magazin kommt in seiner deutschen Ausgabe seit Juli in einer Neuauflage aus dem Hause Jalou Media. Wechselnde Chefredakteure, so lese ich in Fachdiensten, sollen jeder Ausgabe eine individuelle Note geben – “Inspiring Editor” würde ich als Kind sofort werden wollen. Luxusmagazine, so lese ich ebenfalls, erleben gerade einen Mini-Boom.

Mein erstes Mal
Nun also “L’Officiel Hommes” in meiner Hand. Es gibt ja zwei Sorten von Magazinen: Die einen dreht man um, wenn jemand reinkommt – die anderen legt man hin, wenn jemand reinkommt, als Statement (z.B. den “Economist”) oder Accessoire – für den Tisch oder, wie man gern sagt, “Coffee Table”.

“L’Officiel Hommes” gehört auch zu denen, die man sich hinlegen würde – hochwertig ist es und elegant. Ein großartiges Foto von Daniel Radcliffe schaut mich an, wobei ich erst im Heft kapiere, dass ich gerade Harry Potter auf dem Cover gesehen habe. Mann, wie die Zeit vergeht! Die Coverzeile will so elegant sein, dass sie in ihrer Filigranität fast verschwindet – auch die Co-Verkäufer sind eher ein Understatement als eine Programmvorschau (“Goldstück”, “Prototypen”) – aber Luxusmagazine, hat mir mal jemand gesagt, müssen sich eh nicht am Kiosk verkaufen. Die muss man kennen und haben wollen.

Einstieg
Drinnen geht es elegant weiter, ein klares Zusammenspiel zwischen (hochwertiger) Fotografie und Text, keine Spielchen, kein Schnickschnack. Im Inhaltsverzeichnis lernt man, dass es offenbar keine Ressorts gibt, sondern, nach der Einstiegsstrecke, die tatsächlich “News” heißt (etwas absurd), nur Themen mit einem Schlagwort rechts daneben, das verrät, aus welcher Ecke das Thema kommt (Reise, Handwerk, Mode).

Die News-Strecke hält das übliche Sammelsurium aus Produkten und Tipps (Restaurants, Ausstellungen) bereit. Hier fehlt mir etwas Abwechslung und Gewichtung, im Schnitt werden hier drei Dinge pro Seite präsentiert, meist mit Foto, mal als Interview – das wirkt auf elf Doppelseiten irgendwann ermüdend. Da fehlt das Highlight, die feste Rubrik, die man als regelmäßiger Leser vielleicht als Anker hätte. Und außer ein paar Wortspielen in den Überschriften fehlt mir etwas – Spaß.

Und nun sieben Geschichten aus dem Heft
Das Interview mit Daniel Radcliffe ist echt gut. Starke Fotos, ich habe wenig über Radcliffe bisher gelesen und weiß nicht, wie oft er das eine oder andere schon gesagt hat. Ich jedenfalls komme seiner Arbeitswelt und -wut durchaus nahe und erfahre, dass Harry Potter Kettenraucher geworden ist. Auf dem letzten Drittel fasert es etwas aus, ist aber sicher das stärkste Stück im Heft.

Es folgt eine Story über Flower Boys, die geschminkten, aufgetakelten, schönen Männer aus Südkorea. Hat mich interessiert, skurriles Thema, der Text ist aber offenbar leider kalt vom Schreibtisch verfasst worden. Wirkt bald uninspiriert. Da wurde nicht mal einer der Flower Boys getroffen und interviewt, warum er so rumrennt. Sogar der Experte wird im zweiten Bein aus einem anderen Magazin zitiert – da erwarte ich von einem Luxusmagazin einen exklusiveren Zugang.

So, nun zu Tesla: Eine Tesla-Geschichte! Gehört in kein Mode-, aber in ein Luxusmagazin. Dass es um Tesla geht, erfahre ich aber erst im Text, im Vorspann steht nichts davon. Und dann bin ich schockiert – die Autorin, die ich kenne und schätze, schreibt nach dem Einstieg “Alle geraten derart ins Schwärmen (über Tesla), dass ich mich zu fragen beginne, warum in aller Welt ich noch nie von dieser Firma gehört hatte.” What? Sie räumt zwar ein, sich zu schämen, was sie auch tun sollte. So viel Offenbarungseid darf man nicht leisten. Dann darf man den Text, nach 345 Elon-Musk-Coverstorys und ebenso vielen Tesla-Geschichten, nicht drucken. Der Rest des Textes trägt das zusammen, was man auf Wikipedia auch findet – für ein Luxusmagazin geht das nicht. Da brauche ich einen guten Zugang und einen guten Dreh.

Nach ein paar anderen Stücken folgt das Modekonvolut in der Heftmitte, es ist unterteilt in mehrere “Storys” mit eine oder mehreren Models. Sieht gut aus, ist ja auch Kernkompetenz, auch wenn ich hier, um meine Ex erneut zu zitieren, eher praktisch in der Perspektive bin. Wirkt hochwertig, ganz schön lang und aufwändig produziert.

Dann die Uhrenstrecke: Schwarz-weiß, sehr reduziert. Schön anzuschauen. Wobei ich den Vorspann nicht ganz kapiere.

Dann noch zur Reisegeschichte: Über die Malediven! Eskapismus und Exotik ist immer gut, zieht mich sofort rein. Leider bekommt, nach einem guten Einstieg, der Autor bereits im zweiten Bein einen Sonnenstich und fängt dermaßen wild an zu assoziieren und schwadronieren über das Weltklima und “IS-Rekrutierungsquoten”, dass man ihn augenblicklich auf eine Insel im Norden verbannen möchte. Hier fällt mir übrigens bei den Fotos auf, was ich vermisst habe: Bildunterschriften. Die auch mal sagen, was zu sehen ist. Passt offenbar nicht in das reduzierte Designkonzept, wäre aber ab und an ganz hilfreich.

Zum Schluss zur Champagner-Story über Pommery, die ein bisschen pars pro toto für meine Kritik an dem Heft steht: Hat mich auch interessiert – aber wie einige Themen dann doch eher enttäuscht. Denn auch hier gelingt es der Autorin nicht, sich von dem vermutlich durchgeplanten Pommery-Termin zu lösen, also eine eigene Geschichte zu entwickeln. Da wird halt einfach alles so aufgeschrieben, was man da gehört und erlebt hat.

Fazit
Die Ausgabe von “L’Officiel Hommes” ist vermutlich das, was ein Modemagazin sein muss: elegant, hochwertig, ästhetisch. Tolle Fotografie. Für ein gutes Männermagazin fehlt mir der kreative Ausbruch, das Highlight, die Drehs, die Ironie.

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