Berufe mit Zukunft von A-Z: G wie Gründerin – Yacine Coco.
7. Juni 2019
Die Teamspielerin:Yacine Coco hat die Jobsuche für Juristen entstaubt – im wahrsten Sinne des Wortes: raus aus düsteren Ecken an der Uni, rein ins Netz. Im Porträt von Anne-Nikolin Hagemann verrät die Gründerin der Online-Jobbörse TalentRocket ihre Erfolgs-Geheimnis – gründen im Team. Im Erfolgs-Videofragebogen kündigt sie an, mit ihrer Jobbörse “in eine weitere Branche” zu expandieren.
Das Porträt über Gründerin Yacine Coco finden Sie auch in unserem kostenlosen E-Paper zur “turi2 edition #8” ab Seite 160.
Das Lieblingswort von Yacine Coco ist: “Wir”. Sie benutzt es, wenn sie über die Idee spricht, mit der alles begann, über getroffene Entscheidungen, Hürden und Zukunftspläne. Wenn sie “Ich” sagt, dann in solchen Sätzen: “Ich brauche mein Team.”
Vor sieben Jahren hat Yacine Coco gemeinsam mit einer Freundin TalentRocket gegründet, eine Online-Jobbörse für Juristen. “Wir haben am Anfang gesagt: Wir gründen kein Startup, wir gründen ein Unternehmen”, sagt Coco. Trotzdem erinnert vieles an eine klassische Startup-Geschichte: eine Idee, die im Alltag entstanden ist, das Ausbrechen aus festen Job-Strukturen, der Anfang im Startup-Bootcamp, das stetige Wachsen. Nicht klassisch ist daran der Erfolg von TalentRocket.
Es kursiert eine Zahl im Wirtschaftsjournalismus: Neun von zehn Startups, heißt es, scheitern. Coco zweifelt an dieser Zahl: “Das kommt doch auch darauf an, wie man Scheitern definiert: Ist man gescheitert, wenn man das Unternehmen verkauft? Wenn man pleite geht? Wenn man die Idee dazu verwirft, bevor man sie umsetzt?” Hinter jedem Scheitern nach Zahlen, glaubt Yacine Coco, steht eine eigene Geschichte. Und die muss nicht unbedingt einen Misserfolg erzählen. Sie selbst hat sich nie viele Gedanken übers Scheitern gemacht. “Vielleicht kann man das Naivität nennen”, sagt sie und lacht. Oder Innovationsgeist. Sie selbst nennt es: “ein Riesen-Asset beim Gründen.”
Die Idee kommt Coco und der Juristin Magdalena Oehl, die nach ihrem Staatsexamen merkt, wie schwer die Suche nach einer passenden Kanzlei ist. Statt im Netz muss sie die nämlich in der Uni suchen, zwischen zig Aktenordnern in einem Raum ohne Fenster. Als Jurist findet man potentielle Arbeitgeber noch hier auf Papier statt auf einen Blick im Netz. Das muss doch besser gehen, denken die beiden, das kann doch nicht so schwer sein.
Das Ausbrechen: war bei Coco verhältnismäßig risikoarm. Sie arbeitet damals in der Inhouse-Unternehmensberatung bei E.on, erzählt ihrem damaligen Chef in Frankreich von der Idee. Der lädt sie zum Lunch mit Wein ein und reagiert auch sonst recht lässig: Verfolge deinen Traum, rät er. Wenn es nach einem Jahr nicht geklappt hat, kommst du wieder. Das Startup-Bootcamp: War das „Entrepreneurship Center“ der Ludwig-Maximilians-Universität München, in dem sie sich ein Jahr “Zeit zum Wachsen” geben.
Zur gleichen Zeit wird dort unter anderem Flixbus gegründet. Coco und Oehl gründen mit Eigenkapital und Erspartem, erste Umsätze stecken sie sofort ins Unternehmen. Sie wachsen stetig, arbeiten bald mit einem Programmierer zusammen. Der ist heute immer noch da.
2014 folgen die ersten Festanstellungen, die Plattform geht live. Ein Jahr später die erste Finanzierungsrunde mit Investoren, bis heute hat das Startup einen siebenstelligen Betrag aufgenommen. 2017 übernimmt TalentRocket den Mitbewerber Lawyered, deren Gründer seitdem mit im Team sitzen. 2018 expandieren sie nach Österreich und in die Schweiz. Heute pendelt Yacine Coco zwischen den Standorten in München und Berlin, dort arbeiten insgesamt 30 Menschen.
Dass sie jung gegründet hat, mit 28 Jahren, bedeutet einerseits, dass sie genug Energie hatte, um viel zu arbeiten und sich auf Neues einzulassen. Es bedeutet aber auch, dass sie um das Vertrauen von Kunden und Investoren härter kämpfen musste. Dabei hilft Grundvertrauen in die eigenen Fähigkeiten. “Die Wiederaufsteh-Mentalität ist wichtig. Man fällt nämlich ziemlich oft hin.” Coco hat daraus gelernt: “Als Gründer müssen wir unsere Investoren genau prüfen und im Zweifel auch mal Gespräche abbrechen, wir müssen Wettbewerber im Blick haben, ohne uns zu stark nach ihnen zu richten. Und wir brauchen Durchhaltevermögen. Ich würde außerdem jedem empfehlen, nur im Team zu gründen. Dann kann man sich gegenseitig immer wieder aufheben.” Ihr wichtigster Rat ist also: jemanden zu finden, mit dem man ein “Wir” werden kann.
“Am Anfang dachte ich: Je mehr Leute, desto einfacher wird alles”, sagt Yacine Coco heute. Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Mit den Mitarbeitern kommt Verantwortung. Plötzlich hängt nicht mehr nur der eigene Erfolg am Unternehmen, sondern auch der anderer. Für Coco geht ihre Verantwortung als Arbeitgeber sogar noch weiter: Sie will ihre Mitarbeiter nicht nur absichern, sondern auch fördern, wachsen lassen.
“Ich bin ein unfassbar ungeduldiger Mensch. Die einzige Ausnahme sind Themen, die die Entwicklung der Teamkollegen betreffen.” Ihr Team nennt Coco “Frollegen”, eine Mischung aus Freunden und Kollegen, die Führungsriege die „Fabulous Five“, jeder zuständig für einen anderen Bereich. Sie veranstalten Filmabende in ihrem Münchner Altbau-Büro, einmal im Jahr ein Überraschungs-Sommerevent. Die Frollegen gehen gemeinsam zum Sport und zum Oktoberfest. Job und Freizeit haben sich längst vermischt. “Das Unternehmen ist immer im Kopf”, sagt Coco, “wenn der Laptop im Büro bleibt, ist das Luxus.” Dabei kann sie genau hier am besten arbeiten, an ihrem Schreibtisch im Doppelbüro, mit Blick auf die Bäume an der Isar. Ein erfolgreicher Arbeitstag bedeutet für sie: “Ziele erreichen, möglichst viel mit anderen interagieren, zehnmal laut lachen und mindestens so beschwingt nach Hause gehen, wie ich morgens angekommen bin.”
Die Frage nach dem Erfolg stellt sich ihr als Gründerin oft. “Glück und Zufriedenheit wären Worte, die ich eher benutzen würde, weil sie einfacher zu definieren sind. Aber ich glaube, Erfolg ist ähnlich. Erfolg ist ein Gefühl. Man fühlt ihn, wenn einen das, was man tut, so sehr ausfüllt, dass man es jeden Tag wieder tun möchte.” Und weil in diesem Satz kein “Wir” vorkommt, schiebt sie noch hinterher: “Ich glaube, man kann gar nicht alleine erfolgreich sein. Man braucht immer ein Team. Ich finde, wir machen das ganz gut hier.”
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