Pünktlich anderthalb Stunden zu spät schwebt Laura Karasek in Frankfurts Szenebar Oosten ein. Handy am Ohr, goldenes Täschchen und Kleidersack überm Arm, Visagistin im Schlepptau. Schnell noch ein Kleiderwechsel hinterm Tresen, dann beginnt das Interview mit der bodenständigen Diva.
Laura Karasek, wie darf ich Sie vorstellen? Als Rechtsanwältin, die jetzt im Fernsehen moderiert? Als Buchautorin, die auch Podcasts macht und Online-Kolumnen schreibt? Oder gleich als multimedial begabte Tochter von Hellmuth Karasek mit über 12.000 Instagram-Followern?
Bitte bloß nicht als Instagramerin. Meine Follower-Zahlen sind so schlecht, da kann ich mich wohl kaum mit brüsten. Nein, am liebsten bezeichne ich mich als Autorin und Moderatorin. Aber wenn jemand sagt, dass ich Rechtsanwältin bin, dann bin ich darüber auch froh, denn das ist schließlich der Beruf, den ich gelernt habe – und den ich sehr schätze.
Im Sommer liefen gleich zwei Sendungen, die Sie moderiert haben: beim Privatsender Vox “7 Töchter”, beim öffentlich-rechtlichen ZDFneo “Laura Karasek – Zart am Limit”. Werden Sie überall gebraucht?
Niemand braucht mich! Höchstens meine Kinder. Aber es fühlt sich gut an, wenn man sich gegenseitig fördert. Das mit dem ZDF war ein großer Traum von mir. Hätte man mich vor zehn Jahren gefragt: “Was wünschst du dir am meisten?” – dann hätte ich geantwortet: “einen Roman schreiben und meine eigene Fernsehsendung moderieren”. Bei “7 Töchter” waren wir so eine Art Schicksalsgemeinschaft. Ich konnte mich als Betroffene in die Töchter prominenter Väter sehr gut hineinversetzen. Das war für uns alle wie eine Art Therapiesitzung – und dennoch kurzweilig.
Das Interview als Video
Was reizt Sie am Job der TV-Moderatorin?
Ich bin neu in dieser Branche und fühle mich wie jemand, der ganz frisch verknallt ist. Ich bin in einer Phase, in der ich alles aufregend finde, selbst eine belanglose Regiebesprechung, die für alle Profis ganz normal ist. Und ich bin selbst immer wahnsinnig aufgeregt. Ich liebe das Lampenfieber, das Adrenalin. Am schönsten finde ich, dass ich so viele Begegnungen habe und mich in meiner Talkshow mit Menschen und deren Lebensgeschichten befassen kann, die ich sonst vielleicht nie kennengelernt hätte. Zu manchen bleibt der Kontakt über die Sendung hinaus. Eigentlich suche ich immer nach Geschichten.
Können Sie da als Moderatorin auf Dinge zurückgreifen, die Sie als Anwältin bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Clifford Chance gelernt haben?
Der Beruf als Anwältin war eine gute Schule. In dem Job hat man ja immer mit einem wirklichen Gegner zu tun, und ich musste und wollte natürlich auch gewinnen. Ich habe in der Zeit gelernt, mit Lampenfieber umzugehen und mich zu präsentieren, die richtigen Argumente zu haben. Mit der Zeit wurde ich immer souveräner. Ich habe aber auch gelernt, Niederlagen einzustecken, mir nicht alles zu sehr zu Herzen zu nehmen. Diese Erfahrung kann ich jetzt für meinen Beruf als Moderatorin sehr gut gebrauchen. Und vermutlich hätte ich ohne das Anwaltsein nie den Mut gehabt, vor die Kamera zu treten.
Warum haben Sie den gut dotierten Job 2018 an den Nagel gehängt?
Wirtschaftsrecht ist hoch spannend und anspruchsvoll, aber ich habe die Auseinandersetzung mit kulturellen und gesellschaftlichen Themen vermisst. Seit ich aus der Kanzlei raus bin, merke ich, wie viel Zeitung und Romane ich lese. Dafür fehlte vorher schlichtweg die Zeit. Und jetzt ist mein Beruf etwas geworden, das mich privat auch reizt. Eigentlich fühlt sich meine jetzige Tätigkeit gar nicht nach Arbeit an. Ich sollte es vielleicht nicht laut sagen, aber ich würde es vermutlich auch umsonst machen.
Sie sind jetzt 37 Jahre alt. Haben Sie heute ein anderes Bild von sich als vor zehn Jahren?
Ich trage heute eine andere Stärke in mir als mit 20 – bevor ich Mutter wurde, bevor ich meinen Vater verloren habe. Mit 37 habe ich schon einige Täler durchschritten. Der Tod meines Vaters hat sicherlich dazu geführt, dass ich gedacht habe: Du musst die Dinge jetzt machen. Du musst deine Träume jetzt verwirklichen. Mein Vater und meine Mutter haben meinen Brüdern und mir vorgelebt, was es heißt, im Beruf glücklich zu sein. Den Job als Anwältin hatte ich da ja auch schon sechs Jahre gemacht. Vermutlich bin ich nicht so monogam – also beruflich betrachtet. Ich wollte was Neues. Oh je, das klingt jetzt nach Loriot: Sie wollte ein Jodeldiplom. Sie wollte was Eigenes.
Laura Karasek im TV-Fragebogen
Nun also Fernsehen: Was reizt Sie daran?
Es war immer mein Traum, was im Fernsehen zu machen. Und es ist
ein schöner Kontrast zu meinem anderen Beruf als Autorin. Das Schreiben an einem Roman ist ein sehr einsamer Prozess. Ich bin ein Mensch, der den Applaus liebt und auch braucht. Genauso wie die Anspannung, vor die Kamera zu treten. Aber ich bin auch sehr gern mal allein, sentimental, schwermütig und schreibe vor mich hin.
Welche Talente bringen Sie mit, um im Medienzirkus zu bestehen?
Als Autorin arbeite ich mit Sprache. Und als Juristin habe ich gelernt, präzise zu formulieren. Die Sprache ist ein ganz wunderbares Mittel. Wer sie geschickt einsetzt, kann seinen Gästen mehr entlocken und Menschen besser unterhalten. Ich bin ganz sicher nicht perfekt und trete oft ins Fettnäpfchen – zum Glück kann ich über mich selbst lachen.
Was müssen Sie noch lernen?
Ich sollte mir ein dickeres Fell zulegen. Das habe ich gleich bei meinem ersten Roman erfahren. Durch die sozialen Medien trifft einen die Kritik sehr direkt. Wobei ich mich frage: Wieso muss ich mir ein dickeres Fell zulegen? Nur weil die anderen so hart sind? Denn wenn ich mich nicht mehr von Filmen, Musik und Kunst berühren lasse, dann wäre das doch ein großer Verlust. Insofern habe ich überhaupt keine Lust, mir meine Sensibilität abzutrainieren. Also frage ich: Wieso können die Menschen in den Medien nicht liebevoller mit- einander umgehen?
Bei “7 Töchter” haben Sie sich mit sechs Frauen – darunter Cheyenne Ochsenknecht und Elena Carrière – über das Schicksal unterhalten, Tochter eines prominenten Vaters zu sein. Was haben Sie für sich daraus mitgenommen?
Für mich war die Sendung total interessant, weil es uns allen ja sehr ähnlich ging. Ich hatte nie eine Freundin, mit der ich unverblümt über das Thema sprechen konnte. Der Begriff Promi-Kind ist ja negativ besetzt. Dahinter verbirgt sich: “Du kannst nichts. Du hast das nur, weil deine Eltern berühmt sind.” Ich bin 37, ich habe Jura studiert, ich habe zwei Kinder, ich habe zwei Staatsexamen – ist das nichts? Mit diesem Klischee Promi-Kind zu brechen, war mir wichtig.
Was haben Ihnen Ihre Eltern mit auf den Weg gegeben?
Uns Kindern wurde gesagt: “Ihr könnt alles machen. Ihr könnt alles werden.” Und wir sind absolut gleichberechtigt erzogen worden. Ich habe drei Brüder, aber nie habe ich gedacht, dass ich etwas nicht machen könnte, weil ich ein Mädchen bin. Meine Eltern haben uns immer ermutigt. Und sie haben uns die Freude an Bildung mitgegeben.
Wie wurde im Hause Karasek ferngesehen?
Sehr selektiv. Wir mussten – im Nachhinein bin ich meinen Eltern dafür dankbar – viele alte Filmklassiker schauen von und mit Ernst Lubitsch, Charlie Chaplin, Billy Wilder. Aber wir haben auch “Wetten, dass..?” gesehen und “Wer wird Millionär?”. Meine Eltern hatten große Freude an Quizsendungen.
Mit dem familiären Hintergrund und Ihrer Top-Ausbildung: Sind Sie nicht zu klug fürs Fernsehen?
Haha, also erstens bezweifle ich, dass ich zu klug fürs Fernsehen bin. Und zweitens wollen wir das Fernsehen ja klüger machen, oder? Also noch klüger! Je mehr kluge Köpfe es beim Fernsehen gibt, desto besser tut es uns. Und es gibt ja schon ganz tolle Formate und geistreiche Moderatoren im Fernsehen.
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Apropos: Sie durften mit “Laura Karasek – Zart am Limit” Jan Böhmermann in der Sommerpause bei ZDFneo vertreten. Wie haben Sie den Job ergattert?
Ich saß eines Tages in der Kanzlei und dachte: Ich möchte moderieren, habe aber null Erfahrung. Dann habe ich eine E-Mail an den Entwicklungschef von ZDFneo, Sebastian Flohr, geschrieben: “Sie müssen mich kennenlernen. Sie werden es nicht bereuen.” Gleichzeitig hat die Agentur, bei der ich durch meinen Roman war, mit dem ZDF gesprochen und erzählt, wie entertaining ich sei. Das war 2017. Nur ganze zwei Jahre später habe ich eine Sendung bekommen. Sie sehen: Die TV-Landschaft ist bahnbrechend rasant.
“Zart am Limit” – ist der Name Programm?
Das haben wir versucht. Der Titel soll auch ein bisschen mich selbst beschreiben, zwischen Selbstzweifel und Größenwahn. Der Mensch ist ja ein widersprüchliches Wesen. Jeder hat eine total verwundbare Seite und dann auch wieder eine toughe. Ich hasse Schubladendenken. Bei mir sitzen eben nicht nur die Stuckrad-Barres der Nation auf der Couch, sondern auch mal ein Gangsta-Rapper. Ich gehe gerne einfühlsam auf meine Gäste ein. Wenn wir aber über Themen wie Rabenmütter, Sexismus oder Homophobie sprechen, kann es auch mal lauter zur Sache gehen.
Das Interview als Podcast
Wie schauen Sie fern?
Ich schaue ganz viel aus der Mediathek, einfach wegen der zeitlichen Ungebundenheit und weil das meinem Lebenswandel mehr entspricht. Ich schaue gern Serien und amerikanische Talkshows, denn ich finde, dass man sich von anderen Formaten und Kulturen immer was abschauen kann. Aber wir haben auch hier geile Sachen: Ich liebe die Schöneberger, sehe sehr gern “PussyTerror TV” von Caroline Kebekus, ich liebe Martina Hill, ich liebe Maren Kroymann und “Jerks”. “Bad Banks” ist eine großartige Serie, und, und, und. Es gibt so viele tolle Sachen bei uns im Fernsehen. Klaas Heufer-Umlauf natürlich! Und das “Duell um die Welt” mit Joko und Klaas.
Wenn Träume wahr werden würden, was wäre Ihr größter Traum?
Ich habe mal den Satz gelesen: Nichts ist toter als ein erfüllter Wunsch. Aber um die Frage nicht ganz so philosophisch zu beantworten: Wenn einer meiner Romane verfilmt würde, das fände ich total geil. Ich hätte darin gern einen Cameo-Auftritt. Ich würde auch gerne eine eigene Serie entwickeln und das Drehbuch dazu schreiben. Einmal im Leben würde ich gern einen Preis gewinnen und eine Rede dafür halten. Oder die Synchronstimme bei einem Animationsfilm sein. Oder ein Album mit Chansons aufnehmen. Oh je, ich glaube, ich muss mich beeilen. Ich wäre aber auch gern noch einmal 15 – dann könnte ich andere Dummheiten machen. Ich habe da neue Ideen für Fehltritte.
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