turi2 edition #8: Nicola Leske über den Erfolg der SAP.
27. Mai 2019
Kommunikative Klimmzüge:Nicola Leske ist die Nummer 1 in der Kommunikation der SAP – und doch eine große Unbekannte. Peter Turi besucht sie deshalb für die turi2 edition #8 in Walldorf zum Gespräch über Erfolg, Frauennetzwerke und den Hai in ihrem Twitter-Profil. Im Erfolgs-Videofragebogen spricht Leske über ihre sportlichen Ambitionen an der Klimmzugstange. (Fotos: Gaby Gerster)
Das Interview mit Nicola Leske und viele andere Erfolgsgeschichten finden Sie auch in unserem kostenlosen Blätter-PDF zur “turi2 edition #8” auf den Seiten 48-54.
Nicola Leske, Sie sind Kommunikationschefin der SAP, der wertvollsten deutschen Unternehmensmarke – und damit für das Thema Erfolg doppelt spannend: Einerseits als Role Model für weiblichen Erfolg, andererseits verraten Sie uns sicher, was wir aus dem Erfolg der SAP lernen können.
Puh, Sie legen die Latte aber hoch. Wenn ich mit der SAP anfangen darf: Sie kennen vermutlich die Geschichte von den fünf Gründern, die 1972 bei der IBM in Mannheim gemeinsam die Vision hatten, dass Software unabhängig von der Hardware laufen sollte – und viele, viele Jahre Tag und Nacht für diese Idee hart und erfolgreich gearbeitet haben. Letztendlich macht der Wille den Unterschied.
Klar. Die SAP war praktisch das erste digitale Startup in Deutschland, heute ist sie das wertvollste Digitalunternehmen Europas und steht ganz oben im Dax. Wie schafft es SAP, seit Jahrzehnten an der Spitze des Fortschritts zu marschieren?
Hasso Plattner, der letzte noch im Unternehmen tätige Gründer, wurde im Januar 75. Dabei hat er ein bisschen über sein Erfolgsrezept erzählt: Es war die Bereitschaft, immer radikal in die Zukunft zu schauen und von Zeit zu Zeit alles Etablierte hinter sich zu lassen – auch im eigenen Unternehmen. So war das bei der Software-Generation R/3, die Hasso Anfang der 90er ganz neu dachte und die ein Riesenerfolg wurde. Hasso hat 20 Jahre später mit der Datenbank-Technologie HANA nochmal Teile des Geschäfts neu erfunden. Und unser CEO Bill Mc-Dermott hat das Unternehmen klar auf die Cloud ausgerichtet.
Nicola Leske spricht seit 2014 für die SAP. Sie will auch komplexe Dinge so erklären, “dass unsere kluge Großmutter sie problemlos versteht”.
Dann lautet das Erfolgsrezept “Don’t stop thinking about tomorrow”, wie es in dem alten Hit von Fleetwood Mac heißt?
Absolut richtig. Man darf nie stehen bleiben, das sagt auch Bill McDermott. Wir fragen uns als Firma immer wieder: Wo wollen wir hin? Was können wir lernen? Und das gilt auch für jeden einzelnen Mitarbeiter.
Sie persönlich sind wenig sichtbar in der Branche – warum eigentlich? Sie könnten jungen Frauen ein Vorbild sein.
Aufmerksamkeit für mich persönlich ist nicht mein Ding. Frauennetzwerke sind okay, aber ich habe noch keines gefunden, wo ich sage: Da muss ich unbedingt dabei sein. Dazu kommt: Ich habe extrem wenig Zeit. Ich habe bis Ende 2018 neben dem Job meinen MBA gemacht – da war anderthalb Jahre wenig Luft.
Sie sind ein gebranntes Kind, was öffentliche Aufmerksamkeit angeht: Sie waren von 1999 bis 2003 mit Joschka Fischer verheiratet, dem damaligen Außenminister – und standen unter scharfer Beobachtung der Kollegen.
Das brauche ich mit Sicherheit nicht nochmal. Es war doof, weil es meine eigenen Kollegen waren, die hinter mir her waren. Ich habe damals schon gesagt: Ich mache den Medienrummel nicht mit.
Hat es Sie eigentlich geärgert, dass der “Mannheimer Morgen” 2014 geschrieben hat: “Joschka Fischers Ex geht zur SAP?”
Oh ja, das habe ich dem Journalisten auch gesagt. Und ich bin sicher: Bei einem Mann wäre das nicht passiert. Das hat sich bei einem anderen Blatt so ähnlich wiederholt, als ich 2017 Kommunikationschefin wurde. Nur hat sich diesmal eine Leserin beschwert und der Redakteur hat sich bei mir entschuldigt. Es ändert sich also ein bisschen was.
Warum haben Sie einen Hai im Twitter-Profil? Wollen Sie signalisieren: ‘Vorsicht, bissig!’?
Nein, gar nicht. Ich liebe Haie und unterstütze mehrere Organisationen, die sich für den Schutz der Haie einsetzen. Ich tauche ja auch.
Sie tauchen mit Haien?
Leider noch nicht. Ich bin bisher nur einem kleinen Sandhai begegnet, der war nicht wirklich furchteinflößend.
Stichwort furchteinflößend: Pressemitteilungen der SAP sind unter Journalisten gefürchtet – zu viel, zu lang, zu unverständlich.
Da waren wir tatsächlich in den 1990er Jahren stecken geblieben. Inzwischen versenden wir deutlich weniger Pressemitteilungen in einer deutlich klareren Sprache. Ich sage immer, wir müssen komplexe Dinge so erklären, dass unsere kluge Großmutter sie problemlos verstehen kann. Wir sind schon besser geworden, aber es bleibt noch einiges zu tun.
Was reizt Sie an der SAP?
Ich finde es spannend, dass ein deutsches Unternehmen in so einem wichtigen Feld wie Business-Software weltweit führend ist. Gleichzeitig müssen wir uns immer wieder neu erfinden, um weiter an der Spitze zu bleiben. Die globale Wirtschaft ist im Umbruch, Digitalisierung verändert viele Geschäftsmodelle. Es reizt mich, mitzuhelfen, dass SAP als Gewinner aus den Umbrüchen hervorgeht.
Und was stört Sie hier?
Ein bisschen diese sehr spezielle Sprache: das Sapanese. Hier wimmelt es nur so vor Abkürzungen und Spezialausdrücken. Als ich hier anfing, wurde mir ganz schummrig. Ich musste immer wieder nachfragen: Was meint ihr? Wenn ein Unternehmen selbstbezogen wird, draußen nicht mehr verstanden wird – das ist mit das Schlimmste, was passieren kann. Deshalb hätte ich gern noch mehr Journalisten als Quereinsteiger in der Kommunikation. Die sind darauf trainiert, Dinge verständlich auszudrücken.
Lederstiefeletten, Jeans und Ingwerlimo: Nicola Leske gibt sich locker beim Besuch von turi2 bei SAP im nordbadischen Walldorf
Warum haben Sie nach 15 Jahren den Journalismus hinter sich gelassen?
Ich habe in dieser Zeit miterlebt, wie der Journalismus sich verändert hat: Weniger Leute müssen immer mehr machen, alles wird oberflächlicher. Ich habe mich gefragt: Ist das der Journalismus, den du weiter machen willst? Und mich dann entschieden: Du versuchst jetzt mal was anderes. An meinem letzten Arbeitstag in New York habe ich das beim Lunch einem Bekannten erzählt. Der war zufällig SAP-Sprecher und fragte: Willst du nicht zu uns kommen? Und weil ich die SAP und Bill McDermott mag, habe ich zugesagt.
Und als Höchststrafe dann der Umzug von New York nach Walldorf.
Das war eine bewusste Entscheidung. 2014 herrschte in der SAP-Zentrale in Walldorf eine gewisse Sorge, SAP könnte ein amerikanisches Unternehmen werden. Bill McDermott hat sich dann ein Haus in Heidelberg gekauft, um klarzumachen, dass Walldorf die Zentrale bleibt. Und ich bin nach Walldorf gezogen, inzwischen wohne ich im Nachbarort Oftersheim.
Manchmal muss man für den Erfolg eben Opfer bringen.
Als Kommunikationschefin ist es eine gute Entscheidung, im Hauptquartier zu sitzen. Hier bin ich einfach näher dran an vielen Themen. Und ich komme ja trotzdem noch rum in der Welt.
Würden Sie anderen Journalisten zum Weg in die PR raten?
Nur wenn sie offen sind, eine andere Welt kennenzulernen. Und wenn sie bereit sind, zu akzeptieren, dass sie nicht alle Kämpfe gewinnen können. Sie müssen lernen, mit Leuten zu arbeiten, die ganz anders denken als Journalisten.
Den Niedergang des Journalismus halten Sie so aber nicht auf. Immer mehr fähige Journalisten wechseln zu Unternehmen, die mehr Geld für PR und digitale Selbst-Inszenierung ausgeben und weniger Anzeigen schalten.
Das ist so, ja. Jeder Journalist, der die Seite gewechselt hat, ist einer weniger, der investigative Geschichten schreibt. Unabhängiger Journalismus ist eine der Säulen der Demokratie. Er hält der Gesellschaft den Spiegel vor.
Immer mehr Marken benehmen sich wie Medien, nutzen Medientools, engagieren Journalisten und Social-Media-Experten. Werden Medien als Überbringer von Nachrichten überflüssig?
Wir brauchen nicht jede einzelne Zeitung oder Zeitschrift, die in den nächsten Jahren verschwinden wird. Aber wir brauchen Qualitätsjournalismus. Doch der wird teuer. Mit Journalismus wird es wie mit Restaurants: Es wird ein paar 5-Sterne-Köche geben – und viel Fast Food.
Wie können Unternehmen den Journalismus fördern?
Schwierig. Wir müssen da realistisch sein. Das, was Journalisten in Pressestellen schreiben, kann den echten, freien, investigativen Journalismus nie ersetzen.
Unternehmen könnten journalistische Institutionen fördern. Oder Journalisten in Pressestellen eine ganz lange Leine geben.
Aber es bleibt eine Leine. Machen wir uns nix vor: Was bezahlt ist, dient einem Zweck. In Stress-Situationen wird ein Unternehmen immer Einfluss nehmen. Natürlich könnten die 30 Dax-Unternehmen einen Fonds für Qualitätsjournalismus auflegen. Aber das ist doch maximal ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ich würde eher darauf setzen, dass es den Menschen etwas wert ist, unabhängig und kritisch informiert zu werden. Ich hoffe es jedenfalls sehr. Die Entwicklung von “New York Times” und “Washington Post” ist ja positiv.
Sie sind seit fünf Jahren in der Kommunikation von SAP – Sie sehen die Trends kommen und gehen. Was ist out?
Als ich kam, waren gerade Videos in der Unternehmenskommunikation
sehr in – jeder wollte Videos. Das hat sich gelegt, die Zugriffe in unserem YouTube-Kanal sind nicht explodiert. Ich persönlich bin überhaupt kein Videofan, ich finde es viel effizienter, zu lesen, weil ich da das Tempo selbst bestimmen kann.
Was ist in?
Sehr im Kommen sind Podcasts. Die haben den Charme, dass man sie beim Autofahren, im Zug oder im Flieger nutzen kann. Bei der SAP haben wir viele Vertriebler und Consultants, die eine Menge Zeit auf Reisen verbringen. Da ist Zuhören einfach sehr praktisch. Jennifer Morgan, unser Vorstand für Amerika und Asien, hat ja schon den Podcast “A Call to Lead” gestartet und da unter anderem mit Arianna Huffington gesprochen. Wir werden sicher auch in Deutschland mehr machen in Sachen Corporate Podcasts.
Print ist out?
Machen wir uns nichts vor: Das reiche Angebot an Gedrucktem wird es künftig nicht mehr geben. Aber: Print wird bleiben. Ich persönlich mag Gedrucktes. Es ist zwar praktisch, vieles auf dem Tablet zu lesen – aber ich weiß, dass es für mein Gehirn besser ist, manchmal auch ein gedrucktes Buch zu lesen.
Wird es wichtiger, als Unternehmen eine Haltung zu haben und diese zu kommunizieren?
Definitiv. Unsere eigenen Mitarbeiter fragen uns: Wie steht ihr hierzu oder dazu? Mit wem machen wir Geschäfte? Wie nachhaltig arbeiten wir? Die Antwort ist nicht einfach: Ein Unternehmen muss Profit machen – aber nicht um jedem Preis, nicht ohne Rücksicht auf Menschen und Umwelt.
Mir fällt auf, dass die SAP-Gründer zwar für große und gute Taten stehen, die SAP als Unternehmen aber sozial kein Profil hat. Sie sind auch für CSR, also die gesellschaftliche Rolle des Unternehmens, verantwortlich. Ist die SAP nur eine seelenlose Gewinnmaschine?
Ganz sicher nicht. Wir fördern zum Beispiel digitales Lernen für alle. Junge, Alte und alle dazwischen. Wir wollen Menschen die richtigen Werkzeuge an die Hand geben, damit sie in der digitalen Welt leben und arbeiten können. Die Vorstände, aber auch Hasso Plattner machen sich weltweit für Wissen, Ausbildung und Gesundheit stark. Sie sollten mal einen Blick in unseren integrierten Geschäftsbericht werfen. SAP engagiert sich auf vielen Ebenen. Es würde aber nicht zu uns passen, wenn wir sagen würden: Wir führen den Weltfrieden herbei.
Wird die Haltung und das gesellschaftliche Engagement auch wichtiger, damit Sie den Kampf um Talente gewinnen können?
Absolut. Die SAP hat ein gutes Image, versprüht aber nicht den Glamour eine Silicon-Valley-Ikone wie Google. Wenn wir Spezialisten für Datenanalysen suchen, konkurrieren wir mit Google. Und Mitarbeiter, die sich ihren Arbeitgeber aussuchen können, fragen nicht nur nach dem Geld. Die fragen auch: Was macht das Unternehmen mit der Umwelt? Wie behandelt es seine Mitarbeiter? Lebt es Vielfalt?
Hat die SAP da Nachholbedarf?
Wer hat das nicht? Aber wir sind auf einem sehr guten Weg. SAP hat als erstes Technologie-Unternehmen die internationale Zertifizierung
für Chancengleichheit erhalten. Oder denken Sie an unser Programm “Autism for Work”: Wir haben bereits für über 120 Autisten in zehn Ländern einen passenden Arbeitsplatz gefunden. Durch ihre hohe Fähigkeit zur konzentrierten Analyse sind Autisten zum Beispiel in der Qualitätskontrolle wertvolle Mitarbeiter.
Jeder Erfolg hat seinen Preis: Nach meiner Beobachtung gehen viele SAP-Mitarbeiter ein hohes Tempo. Kaum ein langgedienter SAPler ohne Burnout, nur wenige SAPler bleiben bis 65 im Job. überfordert das Tempo die Menschen manchmal?
Die Arbeitswelt ändert sich, entsprechend passen auch wir uns an. SAP bietet für Mitarbeiter Achtsamkeitskurse an. Für mich ist das allerdings nichts – ich powere mich lieber einmal die Woche beim Boxen aus.
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