turi2 edition #9: Naturfilmer Dirk Steffens und das Jetset-Leben im Namen des Umweltschutzes.
19. September 2019
Abenteurer mit Fußabdruck: Dirk Steffens will mit seinen Naturreportagen die Welt retten – und ist doch ein Umweltsünder. Für die turi2 edition #9 spricht Markus Trantow mit ihm über das Paradoxon, um die Welt zu fliegen, um den Menschen die Schönheit und Fragilität des Planeten zu zeigen. Steffens fühlt sich bei “Terra X” als Krisenberichterstatter, der zeigt, was wir durch Klimawandel und Umweltsünden bald verlieren könnten. (Foto: Oliver Roetz)
Das Porträt über Dirk Steffens finden Sie auch in unserem kostenlosen E-Paper zur turi2 edition #9 auf den Seiten 146-147.
Dirk Steffens hängt öfter mal in den Seilen – im wahrsten Sinne des Wortes: Kaum eine “Terra X”-Folge, in der sich der Moderator nicht in Bergsteiger-Montur eine steile Felswand hinab
oder einen hohen Baum hinauf hangelt. Wenn er dabei auch noch seine Moderationstexte aufsagt, spitzbübisch vom Rücken eines Kamels in Saudi-Arabien herab lächelt oder auf einem über das ewige Eis Grönlands gleitenden Hundeschlitten in die Kamera spricht, sieht das kinderleicht aus.
Und tatsächlich: Steffens lebt seinen Kindheitstraum. Im Alter von sechs Jahren sieht der kleine Dirk seinen ersten Tierfilm. Und fängt sofort Feuer: Sowas wie dieser Bernhard Grzimek will er später auch mal machen. Heute lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass Steffens der legitime Nachfolger des legendären Tierfilmers der 1960er und -70er Jahre ist. Sein Weg aus der niedersächsischen Provinz in die große, weite Welt verläuft allerdings etwas verschlungen.
Beim Sortieren hilft ihm die Bundespost. In Hamburg lässt er sich zum Fernmeldemechaniker ausbilden, hängt das Abi dran, volontiert an der Kölner Journalistenschule und lernt, dass ein Nachrichtenredakteur beim Deutschlandfunk zwar gut verdient, aber kein allzu aufregendes Leben hat.
Seitdem jettet Dirk Steffens als freier Journalist, Moderator und Naturfilmer um die Welt. Bei Vox lernt er das Handwerkszeug für Auslandsdrehs – von der Drehgenehmigung über die Inszenierung bis zur Postproduktion. Seit 2007 taucht er vor der ZDF-Kamera mit Tümmlern, streichelt Schlangen und kuschelt mit Koalas. Die Liebe zur Natur und den Wundern unserer Welt treibt ihn an.
“Ich habe die Showeffekte der Natur alle gesehen. Jetzt kann ich mich wieder über die Kleinigkeiten freuen – wie früher als Junge”, sagt Steffens. Sein Lieblingsplatz liegt auch nicht in der großen, weiten Welt, sondern in seiner Heimat, an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste. Dort besitzen er und seine Frau ein Haus am See. Vom Steg aus schlüpfende Kaulquappen zu beobachten, findet Steffens genauso faszinierend wie eine Elefantengeburt.
Gleich nebenan, in Eckernförde, pflegt er ein weiteres Herzensprojekt: In der 22.000-Einwohner-Stadt wirkt er seit 2016 als Leiter des Naturfilmfestivals Green Screen, in Europa das größte seiner Art, eine Mischung aus Filmfestival, Branchenmesse und Stadtfest. Denn die Eckernförder helfen und feiern kräftig mit, wenn im September eine Woche lang Filmemacher, Fernsehredakteure und Naturfilmfans aus ganz Europa zu Gast sind. Für Steffens ist es das jährliche “Klassentreffen” und ein “sensationeller Spaß”, die Kollegen, die sonst in den entlegensten Gegenden des Globusses drehen, zusammenzubringen.
“Ich bin mal losgegangen, weil ich die Freuden des Naturfilmers so geschätzt habe. Dann bin ich gegen meinen Willen zu einer Art Krisenberichterstatter geworden”, sagt Steffens über seine Rolle bei “Terra X”. Denn die jungenhafte Freude, mit der der 51-Jährige auf den Seychellen frivol anmutende Palmensamen erntet oder sich in Südafrika an Erdmännchen heran robbt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ihm todernst ist mit der Sorge um unseren Planeten: “Die Phase, in der wir den Klimawandel noch hätten verhindern können, haben wir verpasst.” Er führt den ZDF-Zuschauern die überwältigende Schönheit unseres Planeten vor, um zu erklären, was wir durch Klimawandel und Umweltsünden bald verlieren werden – wenn wir uns nicht um ein kluges Krisenmanagement kümmern.
Dirk Steffens führt ein Jetset-Leben im Namen des Umweltschutzes. Das ist vielleicht das größte Paradoxon im Leben des Naturfilmemachers. Zehn Filme produzieren er und sein Team jedes Jahr. Dafür fliegen sie die meiste Zeit um die Welt. Als Buße für diesen gewaltigen CO2-Fußabdruck spendet Steffens für Aufforstungsprojekte. Als Umweltsünder fühlt er sich dennoch.
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