Die Gastgeberin: Wencke Tzanakakis ist Theologin und Journalistin – bei der “Zeit” verantwortet sie den Leser-Club Freunde der Zeit. Im Porträt von Anne-Nikolin Hagemann für die turi2 edition #8 zieht sie Bilanz nach einem Jahr im Job und findet, dass “Club” eigentlich nicht die richtige Bezeichnung für das Leser-Programm der Wochenzeitung ist.
Das Porträt über Clubmanagerin Wencke Tzanakakis finden Sie auch in unserem kostenlosen Blätter-PDF zur “turi2 edition #8” auf Seite 154.
Eigentlich würde Wencke Tzanakakis in dieser Reihe lieber unter “G” auftauchen, wie Gastgeberin. Vielleicht auch unter “P”, wie Programmleiterin, ihr offizieller Jobtitel. Dabei managt sie tatsächlich einen Club, der nur nicht so heißt: “Freunde der Zeit”, das Abonnenten-Programm der “Zeit”.
Als man vor anderthalb Jahren im Verlag überlegte, wie man Abonnenten binden könnte, befragte man alle im Haus dazu. Die Autoren, sagt Tzanakakis, wollten mehr Geschichten in der Zeitung. Die Marketingabteilung mehr Abo-Geschenke, noch ein Messerset. “Die Abonnenten aber wollen vor allem wissen, was genau sie mit ihrem Abo eigentlich unterstützen”, weiß Tzanakakis aus Befragungen.
Herausgekommen ist ein Programm, das “Zeit”-Leser und “Zeit”-Macher zusammenbringt. Abonnenten werden zum Redaktionsbesuch oder zur Blattkritik eingeladen. Es gibt Meisterklassen, in denen Journalisten ihr Handwerk weitergeben – die einzigen Veranstaltungen, die Geld kosten. Mit den meistdiskutierten Themen gehen Tzanakakis’ Team und die Redakteure auf Tour und veranstalten “Unter Freunden”-Abende.
Für all das ist der Titel Club nicht der richtige, findet Tzanakakis. “Das Wort klingt für mich so, als ob alle das Gleiche sind, das Gleiche wollen und das Gleiche tun müssen, um dabei zu sein.” Die Abonnenten vereine Neugier auf die Welt und das Interesse, sich einzubringen, “aber ansonsten sind sie sehr heterogen, was etwa das Alter oder die politischen Ansichten betrifft.” Die “Zeit” will sich mit exklusiven Veranstaltungen eher bei Abonnenten bedanken als alle anderen ausschließen, sagt Tzanakakis. Das große verlegerische Ziel? “In Beziehungspflege investieren.”
Das publizistische Ziel ist es, mit den Lesern in Austausch zu treten. Gut 500 Mails bekommt die “Zeit” pro Woche, meist Beschwerden. Bei den Treffen zwischen Journalisten und den “Freunden der Zeit” kommt auch mal Kritik, aber vor allem Lob – zumindest immer Interesse. Die Events, sagt Tzanakakis, sind auch Motivation für die Redakteure. Manchmal entstehen dadurch Themenideen. “Natürlich ist das nicht repräsentativ und ersetzt nicht die Marktforschung. Aber wir verstehen so besser, welche Fragen sich die Leser stellen.”
Tzanakakis sieht sich als “eine Blattmacherin jenseits der Zeitung.” Sie und die Redakteure können zum Beispiel einen Protagonisten aus der Zeitung zum Gespräch einladen oder erzählen, wofür in der Zeitung Platz fehlt. Früher wurden Zeitungen an Marktplätzen verkauft und die Nachrichten dort direkt diskutiert. “Heute müssen wir uns die Marktplätze selbst schaffen.”
Eigentlich wollte Wencke Tzanakakis Pastorin werden. Auf die Religionswissenschaften setzt Tzanakakis einen Journalismus-Master, arbeitet in der Video- und der iPad-Redaktion des “stern” und wird Mitglied der Chefredaktion. Sie berät die “NZZ” beim Relaunch der Videoformate und ist an dem des “Zeit”-Reiseressorts beteiligt. “Ich habe gelernt, aus allen Richtungen zu denken.” Bei “Freunde der Zeit” vereint sie journalistische und verlegerische Aspekte. Eigentlich wollte Tzanakakis immer eine Gastgeberin für den Journalismus sein.
Erfolg ist für sie: “Wenn ich einen ehrlichen Austausch zwischen Journalisten und Lesern ermöglichen kann, in dem man sich kennenlernt, einander regelmäßig zuhört und über manches auch streiten kann.” Dass mittlerweile mehr Redakteure mit Veranstaltungsideen auf ihr Team zukommen, als sie aktuell umsetzen können, ist ein weiterer Erfolg. Tzanakakis’ Bilanz nach einem Jahr “Freunde der Zeit”: Die positiven Effekte sind die Zeit- und Personalkosten wert.
Tzanakakis würde sich freuen, wenn jeder Journalist das Gleiche tut wie sie: die Leser zum Gespräch einladen. “Es wird weiter die großen Erzähler geben”, sagt sie, “aber es wird auch immer mehr von denen geben, die das Erzählen erst ermöglichen.” Wenn es immer mehr mögliche Erzählwege gibt, Print, Online, Podcast, Video, braucht es immer mehr Menschen, die das Ganze zusammenbringen. Mehr Gastgeber.
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