Man(n) kann es sich leisten: Der Zeitverlag erobert einen weiteren Regalmeter am Kiosk und legt heute Zeit Magazin Mann vor. Die testosteronlastige Verlängerung des “Zeit Magazins” feiert Helden und den Konsum. Hinter einem enttäuschend biederen Titelbild legen die Kreativen imposante Arbeitsproben für den Lead Award vor. 43 von insgesamt 180 Seiten Luxusmarken-Werbung sind wie ein Spaziergang über die Düsseldorfer Königsallee und feuchter Traum eines jeden Anzeigenleiters.
Schon die Hefteröffnung wird zur Geldparade, vor allem für die Verlagskasse: Sieben Doppelseiten Luxusmarken-Anzeigen setzen den Ton, Chefredakteur Christoph Amend grüßt mit einem gönnerhaften Editorial über einen weißweinhaltigen Urlaubstag an der Atlantikküste. Amend liefert mit seinem Porträt über Christoph Waltz zudem den 20-seitigen Mittelpunkt des Magazins, schwarzweiß inszeniert von Modefotograf Peter Lindbergh.
Farbig-flott und ganz in Rot schließt sich eine Liebeserklärung von Politikredakteurin Elisabeth Raether an den Porsche 911 Turbo S Cabrio an. Auch Frauen dürfen im halbjährlichen “Zeit Magazin Mann” über Männerträume schreiben und Flower-Power-Ikone Gisela Getty im Interview sprechen. Das Gespräch mit ihr enthält das einzige Foto mit entblößten Brüsten, für ein Männermagazin eine selten dagewesene Quote.
“Mann” positioniert sich als Magazin, das bei seinen Lesern untenrum mit dem Sexappeal des Geldes für Bewegung sorgt. Edelstahl-Uhren, Rindsleder-Rucksäcke und Unterhemden aus Mako-Baumwolle sind Teil der großen Produktshow, die Sabrina Theissen fotografiert und Fashion Director Klaus Stockhausen inszeniert hat. Luxus trieft aus allen Seiten. 60.000 Auflage und 8,50 Euro Verkaufspreis deuten aber darauf hin, dass “Zeit Magazin Mann” nicht nur zur ersten Wahl für Millionäre werden soll, sondern zum Pflichtblatt für sämtliche Golfclubs der Republik.
Die Fotostrecke über Mäntel unterstreicht, dass Creative Director Mirko Borsche und Art Director Jasmin Müller-Stoy keinen Einkaufsprospekt für die oberen Zehntausend abliefern, sondern in erster Linie zum Staunen über Stil anregen wollen. Die Kleidung selbst ist im Schummerlicht kaum erkennbar, die Inszenierung der Models steht im Mittelpunkt.
Ein bisschen Text gibt es neben den gigantischen Optiken auch: Der für “Mann” verantwortliche Redakteur Sascha Chaimowicz trifft Ex-Fußballer Marcell Jansen. Das Stück ist in der Komposition aller Inhalte zwar kein Anker, aber ebenso aufwändig inszeniert. Fröhliche Farb- und nachdenkliche Schwarzweiß-Bilder umspielen, umgeben von Weißraum, Chaimowicz’ Text.
Die prominentesten “Zeit”-Kerle sind im Heft vertreten: Giovanni di Lorenzo spricht mit einem Mönch, Bernd Ulrich macht sich Gedanken über Politik und Männlichkeit, Moritz von Uslar übers Tanzen und Tillman Prüfer über Schlüsselbeinbrüche. Nur Harald Martenstein hatte offenbar Urlaub.
Der neue, starke “Mann” bedient die Erwartung an die Marke “Zeit” mit meisterhafter Präzision. Doppelt so umfangreich wie ein normales “Zeit Magazin”, höherwertiger eingebunden und auf griffig-glänzendem Papier vollendet, erfüllt es fast alle Kriterien für den Kaffeetisch. Eine rundum eindrucksvolle Premiere, wenn das schlecht geputzte Schaufenster nicht wäre: Ein beliebiges Titelfoto mit schlecht gesetzter Schrift lässt kaum vermuten, mit welch verschwenderisch-dekadenter Opulenz die “Mann”-Macher(innen) im Innenteil brillieren.
turi2.de (Background zur “Zeit”-Markenstrategie)