Journalist*innen fehlt der Mut zu Meinungen abseits vom Mainstream, kritisiert Ulf Poschardt.


Keine Angst vorm Shitstorm: "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt bedauert im "Journalist"-Interview, dass seine Zeitung eine der letzten Bastionen des "freiheitlich-liberalen Denkens" sei, während die meisten anderen Medien "in ihrer moralischen Blase gefangen" seien. Journalist*innen haben Poschardts Meinung nach zu viel Angst vor Shitstorms und trauen sich deshalb zu selten, Sichtweisen abseits des Mainstreams zu vertreten. Er sieht ein "Klima von Angst und Unsicherheit in einigen Redaktionen". Die "Welt" will laut Poschardt schnell und mit Substanz "in Debatten eingreifen". Die "durchschaubaren Wirkungsmechanismen" von Twitter mache er sich regelmäßig zunutze. Kalkulierte Provokation sieht er darin nicht.

Für differenzierte Debatten wünscht er sich "den humanistisch kleinsten Nenner" mit Argumenten und ohne Denunziationen. Dass Kolumnist Don Alphonso, dessen Texte besonders Identitären und Rechten gut gefallen, nur an Scharfmacherei interessiert ist, will Poschardt so nicht stehen lassen. Bei der "Welt" gebe es daneben etwa eine Menge Kommentare mit "klarer Haltung" zur AfD.
"Journalist" 12/2020, S. 20-28 (Paid)

Aus dem turi2.tv-Archiv (03/2020): Wie geht’s der Freiheit, Ulf Poschardt?