Mein größter Misserfolg – und was ich daraus gelernt habe (9): Katja Nettesheim.
3. Mai 2019
Katja Nettesheim, im Spätsommer 2000, hält glücklich ihre Doktorarbeit in den Händen. (Foto: Privat)
Von wegen “liederlich”!Katja Nettesheim, Professorin und Gründerin der Beratungsfirma Mediate, scheitert mit ihrer Doktorarbeit am Zweitkorrektor. Drei Wochen lang, Tag und Nacht, arbeitet sie ihr Werk um und lernt, dass manche Dinge nicht viel mit der eigenen Leistung zu tun haben, aber dennoch durch Leistung kompensiert werden können. Erzählen auch Sie uns von Ihrem größten Misserfolg und was Sie daraus gelernt haben: post@turi2.de.
Prof. Dr. Katja Nettesheim, Gründerin und Geschäftsführerin der Beratungsfirma Mediate, erzählt ihre Miss-Erfolgsgeschichte:
Ein Misserfolg, der mich bis heute prägt, ist die Ablehnung meiner Doktorarbeit durch den Zweitkorrektor im Jahr 2000.
Mein Doktorvater hatte mir eine recht gute Note gegeben, der Zweitkorrektor hingegen fand meine Arbeit “derart liederlich”, dass er sich “außer Stande” sah, sie zu bewerten.
Ich war 26, musste allein dieser Situation Herr (bzw. Dame) werden, stand unter Zeitdruck wegen des Termins zur Verteidigung und war dem Zweitkorrektor komplett ausgeliefert.
Eine Welt stürzte für mich ein – so ungerecht! Zumal “Liederlichkeit” nun wirklich nicht zu meinem Selbstverständnis gehört.
Unter Bequatschung der Uni-Verwaltung konnte ich ein vom Zweitkorrektor kommentiertes Exemplar der Arbeit bekommen, arbeitete dieses über Nacht durch und saß am nächsten Morgen komplett zerstört in seiner Sprechstunde.
Das schien ihn milder zu stimmen. Wir vereinbarten, was geändert werden musste, um die “Liederlichkeit” zu beseitigen. Und ich arbeitete (zumindest rückblickend gefühlt) drei Wochen lang Tag und Nacht.
Endlich gab ich komplett geschafft ab – nur um zu erfahren, dass der Zweitkorrektor tags zuvor mit Herzproblemen ins Krankenhaus eingeliefert worden war! Der ganze Kraftakt also umsonst – und ich am Boden zerstört.
Zu meiner Überraschung kam aber ein paar Tage später die Nachricht, dass die Benotung vollständig vorläge – für mich ein Wunder. Später habe ich erfahren, dass der Zweitkorrektor im Krankenhaus das Gutachten diktiert hatte.
Anscheinend hatte ihn mein Engagement doch etwas beeindruckt… . Auf den letzten Drücker konnte ich mich für die Verteidigung anmelden.
Meine Lehren daraus:
1. Nie und nimmer strebe ich eine akademische Karriere an!
2. Es gibt Dinge, die nicht viel mit der eigenen Leistung zu tun haben, aber dennoch durch Leistung kompensiert werden können.
3. Im Zweifelsfall steht man doch allein da. Dann hilft nur “Augen zu und durch”.
4. Sei immer freundlich zu den Sekretärinnen und Verwaltungsmitarbeiterinnen, sie können dir den A…. retten. Schokolade ist dabei ziemlich hilfreich (übrigens auch bei Übergepäck oder überbuchten Flügen).