Komischer Vogel: Die Goldene Henne ist der vielleicht ehrlichste Fernseh-Preis im Land. Mehr als die Hälfte aller Auszeichnungen kommt durch direkte Publikumswahl zustande, die Leser der “SuperIllu” und Zuschauer von MDR, RBB und NDR stimmen ab. Am Freitagabend ist der Preis in Leipzig zum 25. Mal vergeben worden. In unserem Schwerpunkt TV – Totale Vielfalt stellen wir das Event und seine Macher vom Burda-Verlag vor. (Foto: Burda)
“Ich habe ja keine Angst vor Kameras und Mikrofonen, aber das ist schon ein wahnsinniger Anblick”, sagt Stefan Kobus, wenn er an die Stimmung in der mit 4.700 Menschen gefüllten Leipziger Messehalle denkt. Der Chefredakteur der “SuperIllu” ist fester Bestandteil des Warmup-Programms, das in der Halle läuft, während die TV-Zuschauer im RBB, beim MDR und NDR Fernsehen noch die “Tagesschau”, bzw. das regionale Vorabendprogramm sehen. Gemeinsam mit Moderator Kai Pflaume stimmt er die Gäste und Fans auf die Verleihung der “Goldenen Henne” ein.
Am Freitagabend ist die Show zum 25. Mal über die Bildschirme geflimmert – wobei, wenn man es genau nimmt, erst zum 24. Mal. Die erste Preisverleihung der “Henne”, wie Kobus die Auszeichnung liebevoll nennt, fand 1995 in sehr kleinem Kreis und noch ohne Fernsehkameras im Friedrichstadt-Palast in Berlin statt. Seit ihrem zweiten Lebensjahr steht das Huhn auch im Licht der Fernsehöffentlichkeit. In diesem Jahr läuft die Preisverleihung zum ersten Mal auch im NDR Fernsehen. “Damit schließen wir die Lücke im Norden”, sagt Heinz Scheiner, Geschäftsführer des SuperIllu-Verlags und gemeinsam mit Stefan Kobus die Spitze des “Henne”-Organisationsteams. Bisher waren nur die rein ostdeutschen ARD-Sender RBB und MDR an der “Goldenen Henne” beteiligt.
Chefredakteur Stefan Kobus und Moderator Kai Pflaume auf der Bühne der “Goldenen Henne”. (Foto: Burda)
Das liegt auch daran, dass die Henne – ähnlich wie ihre Erfinderin “SuperIllu” – lange ein rein ostdeutsches Ding war. Burda rief den Preis ins Leben, um die eigene Markenbekanntheit zu stärken und um die Leistungen der ostdeutschen Showbranche auszuzeichnen. Die ersten Preisträger waren denn auch die Schlagersänger Stefanie Hertel und Frank Schöbel sowie der Boxer Henry Maske – alle drei stammen aus dem Osten. Zwar schaffte es schon 1996 der erste Westdeutsche in die Riege der Preisträger. Doch Kurt Biedenkopf, damals sächsischer Ministerpräsident, blieb eine Ausnahme.
Stefan Kobus beantwortet den TV-Fragebogen von turi2
Inzwischen versteht sich die Goldene Henne als gesamtdeutscher Preis. Das zeigen die Preisträger von gestern Abend, etwa die Musik-Henne für den Sänger Wincent Weiss aus Schleswig-Holstein und den Entertainment-Preis für Joko Winterscheidt und Paul Ripke. Im vergangenen Jahr haben die Macher auch die sozialen Medien entdeckt und ehren #OnlineStars. Man mag meinen, dass das spät ist. Stefan Kobus findet es gerade rechtzeitig. Inzwischen wisse auch die ältere Generation, dass es YouTube und Instagram gibt – und das sei nunmal das Publikum. Auch war man sich nicht sicher, wie ein Preis, dessen Rekord-Preisträgerin Helene Fischer heißt, bei den hippen YouTubern ankommt.
Sehr gut, kann Kobus heute sagen und berichtet von echter Begeisterung unter den Nominierten. Und auch das ist eine Besonderheit der “Henne”: In der Regel wissen die Nominierten nicht vorher, ob sie gewonnen haben – weder bei den Publikums- noch bei den Jury-Preisen. “Es ist sportlich, Menschen zu Veranstaltungen zu locken, ohne dass sie wissen, ob sie gewonnen haben”, weiß Kobus. Immer mal wieder hat er Künstler-Manager am Telefon, die versuchen, ihm etwas zu entlocken, damit ihre Schützlinge nicht umsonst nach Leipzig reisen. Aber er hält dicht und wünscht sich echte Überraschungen in den Gesichtern der Stars und Sternchen.
Heinz Scheiner beantwortet den TV-Fragebogen von turi2
Und was unterscheidet die “Goldene Henne” von anderen Preisverleihungen wie dem “Bambi” oder der “Goldenen Kamera”? Für Kobus und Scheiner ist es die Nähe zum Publikum. Das entscheidet über die Mehrzahl der Preisträger. Und die Fans sind auch am Abend in der Messehalle dabei: Etwa 900 geladene Gäste und Nominierte sitzen im Publikum und 3.800 Otto-Normal-Verbraucher, die 85 Euro pro Karte zahlen. “Die ‘Goldene Henne’ ist im Prinzip eine Samstagabend-Show, die am Freitagabend läuft”, erklärt Kobus das Konzept.
In der rund dreistündigen Sendung bekommt das Publikum zehn bis zwölf Musik-Acts geboten und zehn Preisvergaben. Ein volles Programm, für das das Organisations-Team um Heinz Scheiner und Stefan Kobus ab Montag wieder arbeitet. Lange ausruhen können sich die Macher nach der After-Show-Party also nicht. Chefredakteur Kobus und die Redaktion sind schon heute wieder im Büro in Berlin, sichten Fotos und schreiben Texte. Am Montag geht die “SuperIllu” in Druck. Bis dahin wollen viele Seiten für die ausführliche Nachberichterstattung von gestern Abend mit Bildern und Texten gefüllt sein.
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