Für seine Familie und den Verlag hängte Paul Pietsch 1952 die Rennbrillen an den Nagel
Als nach dem Krieg der Verlag zu laufen begann, gelang Pietsch ein Comeback als Rennfahrer: 1950 wurde auf einem Veritas RS Deutscher Sportwagenmeister. Im Maserati-Cockpit gewann er im selben Jahr das Freiburger Schauinslandrennen – ein Sieg mit großer symbolischer Bedeutung. Schließlich hat sich in den Zwanzigerjahren der Jugendliche Pietsch hier als begeisterter Zuschauer das Motorsport-Virus eingefangen, das ihn zeitlebens nicht mehr losließ. Es folgten mehr Siege und ein weiterer Titel als Deutscher Rennwagenmeister, doch die wachsenden Belastungen als Verlagschef, die Verpflichtungen als junger Familienvater und ein schwerer Unfall auf dem Avus in Berlin brachten Pietsch zur Einsicht, die Rennbrille für immer an die Nägel zu hängen.
Angesprochen darauf, ob es zwischen dem Cockpit eines Rennwagens und dem Schreibtisch eines Verlegers große Unterschiede gebe, antwortete Pietsch in einem Interview: “Bei beiden Tätigkeiten musste ich grundsätzlich einen klaren Kopf bewahren, immer ein bisschen schneller sein als andere und eine glückliche Hand haben.” Allerdings: Das Draufgängertum, ohne dass er als Rennfahrer keine Erfolge hätte feiern können, war seine Sache als Verleger nicht.
Geschäftlich handelte Pietsch auch mal nach dem Grundsatz “Kooperation statt Konfrontation”, etwa als ihm Anfang der Fünfzigerjahre zu Ohren kam, dass der Vogel Verlag plane, den renommierten Vorkriegstitel “Motor und Sport” zu reaktivieren. Um dem möglicherweise ruinösen Wettbewerb aus dem Weg zu gehen, entschlossen sich Pietsch und Troeltsch, lieber mit Vogel gemeinsame Sache zu machen – die Geburtsstunde von “auto motor und sport”, bis heute das Flaggschiff der Motor Presse Stuttgart. Auch die Aufnahme von Gruner + Jahr in den Gesellschafterkreis Anfang der Siebzigerjahre dienten der Absicherung des Verlags. Heute gehört die Motor Presse mehrheitlich zu Gruner + Jahr und damit zu Bertelsmann – aber nicht vollständig: G+J hält 59,9 %, die Familie Pietsch 25,1 % und Hermann Dietrich-Troeltsch 15,0 %.
Die Urteile und Einschätzungen über den Verleger Paul Pietsch sind eindeutig: Er behandelte seine Mitarbeiter stets mit Respekt und nie von oben herab – so ist unisono von altgedienten Motorpresslern zu hören, die ihn noch im Alltagsgeschäft erlebt haben. Er galt als unermüdlicher Arbeiter, der von Montag früh bis Freitagabend in seinem Büro saß und sich um alle Verlagsbereiche kümmerte. Pietschs ausgeprägten Geschäftssinn beschrieb Yörn Pugmeister, früher Chefredakteur von „sport auto“: “Er wittert überall Gelegenheiten wie jener bewundernswerte Fabel-Fuchs, den denn Raben im Baum so lange zum Singen animiert, bis der den Käse fallen lässt, den er im Schnabel hielt.”
Paul Pietsch starb im Frühjahr 2012 kurz vor Vollendung des 101. Lebensjahres.