Neuanfang: “Monopol”-Chefredakteurin Elke Buhr glaubt, dass der Kunstwelt ein Reset nach der Corona-Krise guttun würde: Die Kunst sollte eine “neue Balance finden zwischen Gemeinwohl und Fetisch für die Superreichen”, schreibt sie in ihrem Gastbeitrag für die turi2 edition #13. Sie können den Text hier im kostenloses E-Paper lesen oder das ganze Buch hier gedruckt bestellen.
Die Pandemie traf auf eine Kunstwelt, die seit Jahren in einer geradezu tragikomischen Bewusstseinsspaltung lebte. Die Geschäfte liefen vor allem für das Top-Segment exzellent, der Kunstmarkt expandierte im Gleichklang mit den weltweit wachsenden Vermögen der Globalisierungsgewinner. Gleichzeitig wurden in Ausstellungen der Zeitgenössischen Kunst der zerstörerische Neoliberalismus beständig angegriffen und Rassismus und ökologischer Raubbau angeprangert.
Als Corona den globalen Kunstzirkus lahmlegte, war das ein Schock, der viele prekär arbeitende Menschen im Kunst- und Kulturbetrieb in Schwierigkeiten brachte – und die Gelegenheit, sich selbst und den eigenen Willen zur Veränderung auf neue Weise ernst zu nehmen. In der Kunst sind die Utopien für ein solidarischeres Zusammenleben und einen respektvollen Umgang mit der Natur längst da – jetzt fordern Kurator*innen und Künstler*innen, dass die Krise für einen echten Reset genutzt und auch der Museumsbetrieb nachhaltiger wird, mehr am Gemeinwohl interessiert, lokaler ausgerichtet. Hans-Ulrich Obrist, einer der einflussreichsten Kuratoren der Gegenwart, hat dafür den Begriff des “Slow Programming“ entwickelt.
Wenn sich das durchsetzt, wird die Kunstwelt der Zukunft klimafreundlicher und mit weniger Interkontinentalflügen auskommen. Museen werden weniger auf Blockbuster-Ausstellungen setzen und die Kulturpolitik überzeugen, dass Besuchermassen nicht das einzige Erfolgskriterium sind. Die Kunst könnte eine neue Balance finden zwischen Gemeinwohl und Fetisch für die Superreichen.
“Könnte es in Zukunft mehr um Bildung und soziales Engagement gehen statt um Luxusgüter?“, fragt die Künstlerin Despina Stokou 2020 in unserem Magazin. Die Kuratorin Chus Martinez fordert eine Kunstfinanzierung, die sich am Gemeinwohl orientiert: “Im Rahmen eines großen, noch nie da gewesenen sozialen Pakts, der als Horizont hat: Koexistenz mit der Natur und umfassende Gleichberechtigung“. Ja, das klingt utopisch. Aber dafür ist die Kunst ja da.