turi2 edition #13: Frank Dopheide über Prinzipien und Purpose.
22. Januar 2021
Sinn stiften: Ist Purpose nur ein Buzzword geldgeiler Marketing-Berater*innen? Das haben wir Frank Dopheide gefragt. Der Ex-Handelsblatt-Chef und Geschäftsführer der Agentur Human Unlimited schlägt in seinem Gastbeitrag für die turi2 edition #13 gewaltige Brücken – von Aristoteles zu Greta Thunberg, von Blackrock zu Mutter Teresa und von Nietzsche zu Mark Twain. Sie können den Text hier im kostenlosen E-Paper lesen oder das Buch hier gedruckt bestellen.
Aristoteles ist nicht in erster Linie als geldgeiler Marketingberater bekannt. Vor 2.000 Jahren setzt der Mentaltrainer von Alexander dem Großen das Buzzword in die Welt. Seine Erkenntnis: “Purpose beginnt da, wo sich deine Begabung und das Bedürfnis der Welt begegnen”. Dieses Prinzip gilt weiterhin, auch wenn wir uns Jahrtausende später an dem Wort satt gehört haben. Das haben wir allerdings auch an “Klimaschutz” oder – im Fall meiner Kinder – an “Zimmer aufräumen”. Trotzdem sind alle drei wichtig, richtig und aktuell.
Wie kann ich Sie überzeugen, dass sinnstiftende Arbeit wertvoll ist? Den Anhängern der linken Gehirnhälfte könnte ich mit einem Berg Zahlen kommen. EY hat die Steigerung der Unternehmensperformance durch Purpose mit über 40 Prozent berechnet, Kienbaum hat über 1.300 Führungskräfte befragt und erkannt, dass Purpose die Mitarbeiterzufriedenheit um 68 Prozent und die Kundenbindung um 21 Prozent steigert. Und die Hälfte der Befragten glaubt, die Bedeutung von Purpose wird während und nach Corona zunehmen.
Denken Sie in Erfolgsgeschichten? Dann könnte Sie überzeugen, dass die wertvollsten Unternehmen des Planeten, Apple, Google, Tesla, alle Purpose-gesteuert sind. Wollen Sie auf der Sympathiewelle reiten, können Sie sich hieran festhalten: Marken, die rund um den Globus größte Zustimmung genießen, haben ihrem Geschäft schon vor vielen Jahren einen Sinn geben: Lego, Ikea oder dm. Wenn das alles nicht hilft, würde ich Ihnen gerne meinen besten Vertriebsmitarbeiter persönlich vorstellen: Larry Fink, CEO von Blackrock, größter Investor der Welt, verantwortlich für mehr als 7.000.000.000.000 Dollar Anlagevermögen. Ein Zahlenmensch, auch was sein eigenes Millionen- Dollar-Gehalt angeht. Er hat keine einzige esoterische Körperzelle in sich, ist aber weltweit zum Purpose-Verfechter geworden und hat jedem einzelnen CEO seiner zahlreichen Anteilsunternehmen Purpose persönlich ins Pflichtenheft geschrieben.
Wenn Sie eine medizinische oder neurobiologische Begründung überzeugt, möchte ich den bewundernswerten Viktor Frankl ins Feld führen, der als Insasse Auschwitz überlebte, als ausgebildeter Mediziner und Psychologe den Sinn als zentralen Treiber menschlichen Lebens und Überlebens freilegte und so Freud und das Lustprinzip ablöste. Sie könnten auch dem wunderbaren Neurobiologen Gerald Hüther zuhören, wenn er erklärt, dass es nur eine Art gibt, um komplexe Strukturen wie das Gehirn (oder eine Organisation) zur Mühsal des gesteigerten Energieverbrauchs zu bewegen – wenn es langfristig einen Sinn darin findet.
Vielleicht mögen Sie heute Abend bei den großen Literaten nachlesen und sich auf deren erkenntnisreiche Gedanken einlassen. Dann lege ich Ihnen diese beiden ans Herz und auf den Nachttisch: Friedrich Nietzsche, der uns einen Satz für die Ewigkeit hinterlassen hat: “Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes Wie” – eine Purpose-Definition für schwere Tage und die Anleitung, über sich hinaus zu wachsen. Oder, als etwas leichtere Kost, den Vater von Huckleberry Finn und Tom Sawyer, den warmherzig klugen Mark Twain, der uns wissen lässt: Die zwei wichtigsten Tage deines Lebens sind der Tag, an dem du geboren bist und der Tag, an dem du entdeckst, wofür.
Vielleicht lassen wir uns an dieser Stelle mal kurz auf diesen Gedanken ein: Jeder Mensch, der die Welt bewegt und den wir bewundern, hat sein Wofür gefunden – Nelson Mandela, Mutter Teresa, Martin Luther King, Jane Goodall, Karl Lagerfeld, Greta Thunberg. Sie sind ganz in ihrem Element und beseelt von ihrer Aufgabe. Damit entwickeln sie große innere Kraft und können eine Branche, ein Land, manchmal sogar eine ganze Welt und unsere Zukunft auf den Kopf stellen. Das unterscheidet uns von allen anderen Lebewesen und wirkt auch in der Gemeinschaft von Menschen – etwa einem Unternehmen.
Vielleicht überzeugt Sie eine persönliche Erfahrung: Denken Sie an Ihr Unternehmen und das Coronavirus, an den Moment, als die gesamte Firma zusammenrückte und über Nacht unmögliche Dinge möglich wurden. Jeder wusste “wofür” und machte ungeahnte Kräfte frei. Das ist Purpose.