turi2 edition6: Netzartistin Katharina Huber im Porträt.
17. April 2018
Katharina Huber turnt als Netzartistin über deutsche Bühnen – obwohl sie die Maschen manchmal am liebsten durchschneiden würde. Anne-Nikolin Hagemann hat die Künstlerin für die “turi2 edition” zum Thema “Netze” porträtiert. Foto: mit freundlicher Genehmigung von Katharina Huber
Katharina Huber glitzert. Das sieht man aber erst auf den zweiten Blick. Während sie in einem Café im Prenzlauer Berg in Berlin sitzt und von ihrer ersten großen Liebe spricht, funkelt es in ihren Augenwinkeln. Ein paar Punkte glitzernder Kajal, die man nur bemerkt, wenn das Licht günstig fällt. Und sich die Haut um die Augen beim Lachen in winzige Fältchen legt.
Mit 15 geht sie nach Berlin an die Artistenschule. Ihr Traum: Seiltänzerin werden
Katharina Huber, 25 Jahre alt, geboren in Bad Wiessee am Tegernsee, ist Netzartistin. Sie turnt und tanzt in den Maschen eines Luftnetzes, das als Dreieck an einem Ring in vier bis sieben Metern Höhe hängt, ähnlich wie eine Hängematte. Auf das alte Varieté- Versprechen “ohne Netz und doppelten Boden” ist Katharina Huber im Laufe ihrer Karriere so oft angesprochen worden, dass es ihr kaum noch ein müdes Lächeln entlockt. Kein Glitzern.
Tuch und Trapez wählen viele Artisten – Netzkünstler gibt es nur wenige. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Katharina Huber
Eigentlich war ohnehin alles ganz anders geplant. Eigentlich war das Drahtseil für sie “so ein bisschen wie die erste große Liebe. Die man nie gekriegt hat.” Mit 15 lässt Huber ihre bayerische Heimat und ihre Eltern zurück, um in Berlin auf die staatliche Artistenschule zu gehen. Internat in Marzahn, “nicht gerade die schönste Ecke der Stadt”, sagt sie und lacht. Zu dritt in einer Wohnung im Plattenbau, Training morgens um acht, dann Unterricht, dann wieder Training. Jeden Abend um halb neun sei sie ins Bett gefallen, sagt Huber, die bis zu ihrer Bewerbung an der Schule nicht mehr mit Artistik am Hut hatte als dreimal die Woche Turnen im Verein und ab und zu einen Wettkampf.
Als sie 16 Jahre alt ist, bricht sie sich beide Mittelfußknochen
Die Schule in Berlin, das ist nicht nur Anstrengung, sondern auch Abenteuer. Eine andere Welt, ein weiterer Horizont. Den bayerischen Dialekt hat sie mitgenommen in diese Welt. Was sie erzählt, klingt so bescheidener, nüchterner, aber auch fröhlicher, als wenn sie Hochdeutsch reden würde. Schon hier im Prenzlauer Berg wirkt das seltsam exotisch, zu Hubers wild zerzaustem Haar, den beiden verschiedenen Ohrringen, einer kurz, einer baumelnd.
Man ahnt, wie es in einer Showumgebung sein muss, wo alles und jeder funkelt und strahlt, das Gegenteil von Bodenständigkeit.
Die Grundausbildung für jeden Artisten an der Schule ist gleich: jonglieren, Trapez, Bodenturnen, Handstand. Und Seiltanz. Ihre Lieblings-Disziplin zählt Huber zuletzt auf, mit kurzer Pause davor. “Auf dem Drahtseil bin ich sehr schnell sehr gut geworden”, sagt sie. Seiltänzer gibt es nicht viele auf dem Markt. Sie beginnt, von einer
Karriere zu träumen.
Am Anfang ist das Netz störrisch, unberechenbar: es wickelt Huber ein, fesselt sie – als hätte es einen eigenen Willen. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Katharina Huber
Beim Tanzen auf dem Drahtseil tragen die Mittelfußknochen die meiste Last, beim Ausbalancieren werden sie am meisten beansprucht. Bei Katharina Huber brechen sie, in beiden Füßen. Ermüdungsbruch, wahrscheinlich durch falsches Training. Der Traum platzt. Kurz steht in Frage, ob sie auf der Schule bleiben darf. Da ist sie 16 Jahre alt, “wütend und frustriert und weit weg von zu Hause”.
Das Netz kann auf der Bühne viel sein: Tanzpartner, Gegenspieler, Gefängnis
Huber muss sich ein neues Gerät suchen. Sie soll in die Luft, die Füße entlasten. Aber Tuch und Trapez wählen viele. Im Cirque du Soleil sieht sie einen Artisten, der mit einem Luftnetz arbeitet. Sie bestellt sich eines aus den USA. Es wäre schön, wenn man jetzt schreiben könnte, das Netz habe sie aufgefangen, ihr Halt gegeben. Aber nichts wäre falscher. Es wickelt sie ein, fesselt sie, ist störrisch und unberechenbar, als hätte es einen eigenen Willen. Ganz anders als das Drahtseil, die gerade Linie, die federnd nachgibt, wenn man Druck ausübt. Die Schul-Trainer können ihr kaum helfen, Erfahrung mit dem Netz hat keiner. Und viele haben noch immer im Kopf, wie gut sie auf dem Seil gewesen ist… weiterlesen in der turi2 edition Vernetzung.