turi2 edition #8: Sybille Kircher über Namen und den Erfolg ihrer Träger.
11. Juni 2019
Nomen est omen: Welchen Einfluss haben Vor- und Nachname auf den Erfolg eines Menschen? Tatjana Kerschbaumer trifft sich für die turi2 edition #8 mit Sprachwissenschaftlerin und Namensfinderin Sybille Kircher. Sie sagt, dass auch ein Kevin erfolgreich sein kann und erklärt, warum Niggemeier, Kress und Turi besser als Marke funktionieren als Müller und Pawlaczyk. (Foto: dpa/Julian Stratenschulte)
Das Interview mit Sybille Kircher und viele andere Erfolgsgeschichten finden Sie auch in unserem frei zugänglichen E-Paper zur “turi2 edition #8” auf den Seiten 120-124.
Frau Kircher, mein vollständiger Name ist Tatjana Alexandra Kerschbaumer, die Kurzform Tatjana Kerschbaumer. Wenn Sie den hören – was denken Sie da als erstes?
Bei den Vornamen denke ich ein bisschen an das alte Russland, an die Zaren und Zarinnen. Beim Nachnamen eher an Süddeutschland und Kirschbaum. Der Name macht schon neugierig. Er ist ja auch ausladend – aber nicht zu lang, vor allem, wenn Sie die Kurzform benutzen.
Ist das ein guter Name? Gibt es den perfekten Namen?
Bei Personennamen geht es nicht um gut oder schlecht, sondern darum, ob der Name zur Person passt. Es ist ja die Person, die den Namen mit Inhalt füllt und ihn prägt. Sie muss ihn mit Stolz tragen. Ein Name soll uns Selbstwertgefühl geben, und das entsteht aus der Person heraus, aus dem Auftreten. Meistens ist es schön, wenn der Name eine Melodie hat. Kurze Namen sind immer gut, weil sie sich gut sprechen lassen. Drei Silben sind optimal, mehr sind eher schwieriger.
Gibt es so etwas wie erfolgreiche Namen? Also Namen, die Erfolg implizieren?
Ich glaube nicht. Der Name kann den Erfolg des Menschen nicht beeinflussen, er ist nur das i-Tüpfelchen. Wenn man zum Beispiel einen Namen hört, macht man sich erst einmal ein Bild von diesem Menschen. Aber wenn man den Menschen dann wirklich kennenlernt, denkt man ja auch gar nicht mehr so viel über seinen Namen nach.
Also ist Karl-Theodor nicht besser als Kevin?
Auch der Kevin kann ein ganz gewitztes Kerlchen sein und ein sehr erfolgreicher Mensch werden. Es kommt darauf an, wie man zu seinem Namen steht. Der Name ist wie ein unbeschriebenes Blatt, das man mit Inhalten füllen muss. Allerdings gibt es natürlich auch Namen, die diskriminierend oder unpassend sind. Viele Italienerinnen heißen zum Beispiel Immaculata, “die Unbefleckte”, und sind überhaupt nicht glücklich damit. In Südamerika habe ich mal einen “Esposito” getroffen, den “Ausgesetzten”, das fand ich auch schlimm. Viele dieser Personen kürzen ihre Namen dann ab, weil sie nicht damit zufrieden sind.
Wie sollte man sein Kind heute nennen, damit es erfolgreich durch die Welt gehen kann?
Das Schöne bei Namen ist, dass es keine Regeln gibt. Man kann auch keine aufstellen. Hier sind die Eltern gefragt, die haben alle Möglichkeiten.
Wie individuell soll der Name sein?
Natürlich nicht lächerlich oder albern: Ich würde jetzt nicht empfehlen, das Kind Charmin, Pepsi oder Gucci zu nennen. Was man heute außerdem berücksichtigen sollte, ist der internationale Kontext. Es macht Sinn, eventuell einen Namen zu wählen, den man global leicht aussprechen kann. Aber man benennt sein Kind ja auch nicht, um es erfolgreich zu machen.
Was signalisiert eigentlich ein Doppelname?
Das kann alles Mögliche sein. Für mich signalisiert es in erster Linie, dass man dem Kind die Wahl lässt. Dass es später vielleicht entscheiden kann, wie es genannt werden will. Vielleicht konnten sich die Eltern aber auch nicht entscheiden. Manchmal sind Eltern auch auf der Suche nach etwas besonders Einzigartigem, Ungewöhnlichem – und Doppelnamen sind eher seltener.
Wir haben bei uns in der Redaktion gleich mehrere zur Auswahl: Anne-Nikolin Hagemann zum Beispiel oder Lea-Maria Kut. Wer hat‘s besser erwischt?
Beide Namen sind sehr schön und melodisch. Sie sind beide sehr weiblich, einerseits durch das sanfte -i bei Anne-Nikolin, andererseits durch die a-Laute bei Lea-Maria. Besser als der andere ist keiner, aber beide sind sehr ungewöhnlich. Lea-Maria kennt man vielleicht noch etwas mehr, Anne-Nikolin ist noch seltener.
Unser Creative Director heißt Uwe C. Beyer. Hilft ihm das C beim erfolgreich sein?
Das “C” macht in diesem Fall den Namen noch interessanter. Es wird betont, weil die beiden anderen Namen – Uwe und Beyer – in Deutschland eher häufig sind. Uwe Beyer gibt es vermutlich oft, Uwe C. Beyer ist einmaliger. Außerdem macht das “C” neugierig, man fragt sich: Wofür steht dieser Buchstabe? So eine aufgeworfene Frage kann auch helfen, ein Gespräch einzuleiten und aufzubauen. Bei Markennamen sucht man übrigens auch nach Namen, die neugierig machen. Und bei denen sich der Konsument fragt: Was steckt dahinter?
Peter Turi hat sein Unternehmen nach sich benannt: Er gründete turi2. Wäre das auch ein guter Plan gewesen, wenn er Müller oder Pawlaczyk heißen würde?
Er hat auf jeden Fall Glück gehabt mit seinem Namen – auch wenn ich mich am Anfang gefragt habe, ob er etwas mit Tourismus zu tun hat. Wäre sein Name Müller, hätte er ihn natürlich auch nehmen können, aber er hätte ihn mit viel mehr Kommunikation vermarkten müssen. Müller gibt es eben wie Sand am Meer. Er hätte also noch deutlicher machen müssen, dass es um Medien und Marken geht. Pawlaczyk wäre vor allem am Anfang schwierig wegen der Aussprache. Wenn ein Name schwer auszusprechen ist, wird er weniger benutzt und kann sich nicht so gut etablieren.
Unter den journalistischen Marken gibt es zum Beispiel auch “Kress”, benannt nach Günther Kress. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier ist auch eine eigene Marke. So im Vergleich, wer hat namenstechnisch das große Los gezogen: Turi, Kress, Niggemeier?
Das sind alles Familiennamen, der eine ist so gut wie der andere. Natürlich sind Turi und Kress kürzer, Niggemeier ist länger. Aber man müsste prüfen, welches Image dahinter steht. Ob ein Name wertiger aufgeladen ist als der andere. Es geht ja um die Positionierung. Die Zeit spielt auch eine Rolle, wie groß eine Marke ist. Alte Marken wie zum Beispiel “Kress” sind immer stark in den Köpfen präsent. Auch große Firmen aus anderen Bereichen beziehen sich mit ihren Namen oft auf ihre Gründer und ihren Herkunftsort: Haribo kommt von “Hans Riegel Bonn”, Aldi steht für “Albrecht-Discount”. IKEA ist zusammengesetzt aus den Anfangsbuchstaben des Gründers Ingvar Kamprad, dem elterlichen Bauernhof Elmtaryd und seines Heimatdorfs Agunnaryd.
Ist das der Weg zum Markennamen-Erfolg – Initialen gepaart mit Ort?
Früher hat man gern Akronyme gebildet, heute findet man das noch häufig in technischen Bereichen. Aber eigentlich wird das nicht mehr so gerne gemacht. Heute versucht man, mit einem Markennamen eher eine Idee zu transportieren – und das funktioniert mit Akronymen nicht so gut. Sie sind zwar einzigartig, aber sie haben keine Message. Jetzt überwiegen Namen, die eine Idee in sich tragen. Wie bei Amazon: Das kommt von Amazonas – groß, umfangreich, breit, beweglich. Oder Alexa: der Roboter, der mir das Gefühl gibt, ich spreche mit einer Person, obwohl das natürlich nicht stimmt. Paypal – der Freund, der mir beim Zahlen hilft.
Wenn ich jemals ein Unternehmen gründe und mich auf ein Akronym versteife, müsste es TAKMI oder TAKPA heißen – meine Initialen, kombiniert mit den Anfangsbuchstaben der Orte Miesbach oder Parsberg. Hört sich für mich beides nicht gelungen an. Habe ich Pech gehabt?
Wir würden Akronyme sowieso nicht unbedingt empfehlen. Sie transportieren ja keine Emotion. Der Name muss bei der Positionierung ansetzen und die Position des Produkts gut zusammenfassen. Wir haben zum Beispiel mal einen Namen für eine Lernplattform entwickelt, die wir “Scook” genannt haben: das neue Schoolbook. Schneller und effizienter als die Vergangenheit. Das sind so Namen, die eine Geschichte erzählen.
Akronym fällt also flach. Was raten Sie mir dann?
Ich würde Sie fragen: Um was geht es? Was möchten Sie gründen? Was machen Ihre Wettbewerber und wie unterscheiden Sie sich von Ihnen? Was macht Sie besonders, und, ganz wichtig: Was brauchen Ihre Kunden? Warum sollen die ausgerechnet bei Ihnen einkaufen? Und dann überlegt man, mit welchem Namen man diese Nische benennen kann. Alles andere wäre unseriös. Einfach nur Buchstaben zu kombinieren ist auch nicht zielführend.
Ich hab‘s ja noch gut erwischt. Was macht man, wenn man Peter Lustig heißt? Oder als Fußballer Philipp Lahm?
Man steht dazu. Wenn der Name ein bisschen lustig ist oder genau das Gegenteil von dem benennt, was man gut kann, ist das sehr einprägend. Man muss einfach dahinter stehen. Ich denke, diese Namen sind eher gut als schlecht – und durchaus hilfreich für noch mehr Selbstbewusstsein. Am Ende geht es um den Menschen als solches. Der Mensch prägt den Namen durch sein Auftreten. Das ist der große Unterschied zu Produktnamen: Da hilft der Produktname dem Auftritt der Marke.
Was muss denn ein guter Markenname mitbringen, um eine Marke wirklich bekannt und erfolgreich zu machen? Gibt es da Tipps und Tricks?
Der Name muss individuell sein und die Marke von allen anderen Marken im Markt abheben. Er muss eine Geschichte erzählen und zur Zielgruppe passen: die muss ihn aussprechen können. Und, was die meisten vergessen: Der Name muss schutzfähig sein, viele Marken werden ja auch eingetragen. Das ist oft nicht so einfach, denn Namen, die ein Produkt zu genau beschreiben, werden nicht akzeptiert. Kinderschokolade ist so ein Beispiel – das geht nur, weil der Name schon so lange existiert. Normalerweise kann man eine Vokabel wie “Schokolade” nicht für sich beanspruchen, weil das quasi allen Konkurrenten untersagt, ebenfalls von Schokolade zu sprechen. Superlative wie “prima” und “toll” kann man auch nicht schützen lassen.
Welche Trends gibt es heute bei der Namensgebung?
Bei Personen finden sich viele kurze Namen, die sehr stark und selbstbewusst klingen. Paul, Leon, Ben etwa; bei Mädchen Mia, Lea, Sophia. Bei Marken geht es darum, Namen zu finden, die eine Welt widerspiegeln. Man entfernt sich von Kürzeln und ganz künstlichen Namen, auch Familiennamen werden kaum noch benutzt: Grundig, Siemens, Bayer, alles Familiennamen – das macht man nicht mehr so. Zu der Zeit, als das Internet salonfähig wurde, gab es auch viele Markennamen die auf “E-” angefangen oder auf “.com” geendet haben, booking. com ist so ein Fall. Auch das ist nicht mehr en vogue. Es ist sowieso nie gut, sich an einen Trend zu hängen – man sollte bei einem Markennamen eher an die Zukunft denken. Was auf jeden Fall stimmt: Man geht eher ins Englische, weil die Wirtschaft immer globaler wird und möglichst viele Kundengruppen erreicht werden sollen. Man will es vielen Nationalitäten leicht machen – und Deutsch eignet sich nicht für Internationalität.
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