Befreiung:Coco Chanel stellt Schnitt- und Rollenmuster auf den Kopf und ebnet so den Weg für die erfolgreichen Frauen, die nach ihr kommen. Ihr Leben ist bis heute ein Lehrstück für Innovation und Veränderung, schreibt Mindshare-Chefin Katja Brandt in der turi2 edition #12.
In meinem Kleiderschrank hängen nur einzelne Stücke von Chanel, ich habe nur hin und wieder mal Chanel No. 5 gekauft. Trotzdem ist Coco Chanel eine Persönlichkeit, die ich bewundere. Denn es geht bei ihr um so viel mehr als um Kleider und Parfum.
Gabrielle “Coco” Chanel war eine Visionärin, die nicht nur die Mode revolutioniert hat. Sie hat Generationen von Frauen befreit: vom Korsett – aber vor allem in den Köpfen. Man kann sie als eine der ersten Feministinnen sehen. Ihre radikal neuen Schnittmuster räumen auf mit alten Rollenmustern: Sie kürzt Röcke und Frisuren, lässt sich durch Uniformen inspirieren, entwickelt daraus einen Stil von zeitloser Eleganz. “Mode ist nicht nur eine Frage der Kleidung”, hat sie mal gesagt. “Mode hat etwas mit Ideen zu tun, damit, wie wir leben.”
An dem Menschen Coco Chanel bewundere ich den Mut und die Beharrlichkeit, mit dem sie ihre Vision verfolgt. Sie stammt aus ärmlichen Verhältnissen, wächst im Waisenhaus auf. Ihr vorgezeichnetes Schicksal: eine von Tausenden Näherinnen in den Textilfabriken von Paris zu werden. Stattdessen erschafft sie ein Mode- Imperium, für das auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs Anfang der 30er mehr als 4.000 Menschen arbeiten. Auch heute wäre das eine beeindruckende Biografie. Anfang des vergangenen Jahrhunderts ist es eine Sensation.
Als Chanel 1953, inzwischen 70, ein Comeback versucht und ihre erste Kollektion seit 14 Jahren veröffentlicht, wird sie von der französischen Öffentlichkeit verspottet. Manch einer wäre daran zerbrochen. Coco Chanel aber erobert mit ihrer Mode die USA und wird erfolgreicher als je zuvor.
Die Geschichte der Coco Chanel ist bis heute eine große Inspiration für jeden, der sich mit Unternehmensführung und Marketing beschäftigt. Es ist eine Geschichte über Innovation par excellence. Diese Frau müssen unbändige Neugier und schöpferische Fantasie ausgezeichnet haben. Ihre ersten Outfits entwickelt sie, indem sie mit der Kleidung ihres Geliebten experimentiert. Sie ist eine der ersten Frauen, die Hosen trägt. Aus Jersey, einem vermeintlich minderwertigen Material, aus dem bis dahin vor allem Männerunterwäsche hergestellt wurde, fertigt sie Kostüme und Röcke. Sie erfindet ein Abendkleid in einer Farbe, die bislang nur zu Beerdigungen getragen wurde: das “kleine Schwarze”. Keine Konvention, keine Regel und kein Denkverbot, von dem sie sich einschränken lässt. Das ist der Stoff, aus dem erfolgreiche Innovationen entstehen.
Ein weiteres Talent: den Geist der Zeit zu erkennen – und ihm Ausdruck zu verleihen. Nach dem ersten Weltkrieg wollen sich viele Frauen nicht mehr von Miedern einengen und als schmückendes Beiwerk ihrer Gatten ausstaffieren lassen. Sie sehnen sich nach Mode, die Ausdruck ihrer Unabhängigkeit ist. Coco Chanel trifft mit ihren Kollektionen den Nerv dieser Zeit. Die Bewegungsfreiheit, die ihre Kleidung den Trägerinnen lässt, steht stets auch für eine gesellschaftliche Befreiung.
In vielem war Coco Chanel ihrer Zeit voraus. Die kurzlebige, billig produzierte “Fast Fashion” von heute wäre ihr ein Graus. “Ich bin gegen Mode, die vergänglich ist. Ich kann nicht akzeptieren, dass man Kleider wegwirft, nur weil Frühling ist”: in einer Zeit, in der sich immer mehr Unternehmen auf Nachhaltigkeit besinnen, aktueller denn je. In dieser leuchtenden Biografie gibt es aber auch dunkle Flecken: Nach offiziellen Angaben hat Chanel während der Besatzungszeit für die Nationalsozialisten spioniert.
Wenn ich Coco Chanel als Vorbild bezeichne, denke ich an die visionäre Unternehmerin, Querdenkerin und geniale Marken-Schöpferin, die den Weg für viele mutige Frauen geebnet hat, die nach ihr kamen. Eines meiner Lieblingszitate von ihr: “Die allermutigste Handlung ist immer noch, selbst zu denken. Laut.”