turi2 edition #12, 50+1 Vorbilder: Mats Hummels schreibt über Vorbilder.
21. Oktober 2020
Selbstläufer:Mats Hummels ist Fußballweltmeister, BVB-Star, Mann der Influencerin Cathy Hummels – und damit für viele ein Vorbild. Für die turi2 edition #12 hat er aufgeschrieben, warum es das perfekte Vorbild nicht geben kann.
Auf Fragen nach einem Vorbild habe ich immer Zinédine Zidane genannt. Oder Roger Federer oder Dirk Nowitzki. Diese drei Sportler waren für mich die prägendsten meiner Jugend: Außergewöhnliche Menschen, zu denen ich aufgeschaut, die ich bewundert habe. Trotzdem habe ich immer betont, dass ich kein Vorbild im eigentlichen Sinn habe.
Vielmehr könnte man sagen, dass ich mir einige Eigenschaften dieser drei zum Vorbild genommen oder dass ich mich an ihnen orientiert habe. Bei Zidane im Speziellen habe ich versucht, mir sportlich einiges abzuschauen und in mein Fußballspiel zu integrieren. Aber bis heute bleibe ich dabei, nicht eine Person als Vorbild gehabt zu haben. Weil es sich für mich anfühlt, als würde man versuchen, denjenigen zu kopieren – und nicht, ein eigenständiger Sportler oder Mensch zu sein.
Durch Social Media erreichen mich immer wieder Nachrichten, in denen mich junge oder bereits erwachsene Fußballer nach Tipps fragen und wissen wollen, wie sie Profis oder schlichtweg besser werden können. Wenn ich es schaffe, darauf zu antworten, betone ich, dass ich nicht den einen Tipp geben kann. Da jeder seinen eigenen Weg gehen muss, seine eigenen Stärken und Schwächen hat, die ich gar nicht einschätzen kann.
Nichtsdestotrotz ist es ein schönes Gefühl, als Vorbild gesehen zu werden. Eine große Bestätigung für das, was man selbst erreicht hat und für all die Anstrengung und Leidenschaft, die man in etwas reingesteckt hat.
Aber bei aller Leidenschaft und Emotionalität, mit der ich Fußball spiele, versuche ich auf dem Platz immer, ein gutes Vorbild zu sein – vor allem für die Kinder, die uns zuschauen und sich an uns orientieren.
Keine Schwalben machen, keine Tätlichkeiten, respektvoll mit den Schiedsrichtern umgehen: All das ist mir sehr wichtig für den Sport im Allgemeinen und für mich als Person. Und ich hoffe, dass mein Verhalten dazu beiträgt, dass sich viele junge Menschen ähnliche Werte aneignen. Und auch die dürfen dann mal “daneben langen”. Jetzt wird es nämlich Kritiker geben, die sofort sagen: Da und da hast auch du den Schiedsrichter angeschrien. Und natürlich gab es diese Fälle in meinem Leben. Aber das ist das Wichtige daran, wenn man Vorbilder hat: Man darf von ihnen keine Perfektion erwarten – die gibt es einfach nicht.
Zinédine Zidane zum Beispiel war emotional ein Hitzkopf, aber fußballerisch genial. Auch Dirk Nowitzki und Roger Federer sind so außergewöhnliche Genies, dass ich manchmal völlig fassungslos bin, wenn sie einen Fehler machen. Dann erwische ich mich dabei, wie ich vergesse, dass sie einfach nur Menschen sind. Fehler machen und Scheitern gehört zu einer Karriere dazu, es gehört schlicht und einfach zum Leben dazu. Und das muss man sich selbst sowieso, aber auch seinen Vorbildern erlauben.
Das gilt auch und im Besonderen außerhalb des Platzes in Situationen, in denen man seinen öffentlichen Status mal ablegen und einfach privat sein will. Beinahe alle Fußballer geben gerne und oft Autogramme oder machen Fotos mit Fans. Allerdings nicht 24/7, wie man so schön sagt. Und deshalb wird es bei jedem, und zwar wirklich jedem, Momente geben, in denen es nicht passt oder man auch einfach mal nicht in jedes Handy lächeln will, das einem hingehalten wird (und das sind viele). Dann fallen oft Begriffe wie “arrogant” oder “eingebildet” – ganz egal, ob man davor schon eine Stunde lang jeden Wunsch erfüllt hat.
Diese Momente gab es schon haufenweise in meinem Leben. Und das geht anderen öffentlichen Personen genauso. Egal, wie sehr man sich bemüht, man kann eine “Vorbildrolle” nicht immer und jederzeit vorbildlich ausfüllen. Vorbild sein bedeutet nicht, perfekt zu sein. Das muss man sich immer vor Augen halten. Egal, ob man einem Vorbild nacheifert oder selbst Vorbild ist.