turi2 edition #13: Katja van Doren über Führung und Fridays for Future.
23. Januar 2021
Unter Strom:Katja van Doren ist Finanz- und Personal-Vorständin von RWE Generation, der RWE-Tochter für konventionelle Stromerzeugung. Im Interview mit Heike Turi für die turi2 edition #13 spricht sie über Führung, Frauen, Fridays for Future und ihre gar nicht konventionelle Karriere: Seit 1999 erklimmt sie bei RWE eine Karriere-Stufe nach der anderen. Sie können das Interview hier im kostenlosen E-Paper lesen oder das Buch gedruckt bestellen.
Katja van Doren, Sie kamen 1999 von KPMG zum Energieversorger RWE, seit 2018 sind Sie Finanz- und Personalvorständin der Tochter RWE Generation. Sind solche Karrieren innerhalb eines Konzerns nicht out?
Die 20 Jahre sind vergangen wie im Fluge. RWE hat enorme Veränderungen durchgemacht, sodass ich neue Herausforderungen gefunden habe und mir nie langweilig wurde. Auch innerhalb eines Konzerns kann man einen spannenden Weg gehen. Allerdings nicht in einem Bereich, auf einer Stelle. Unsere künftigen Führungskräfte sollen deshalb unterschiedliche Sparten und andere Länder kennenlernen – das ist die Voraussetzung für eine Karriere im eigenen Konzern.
Sie sind mit der gesamten RWE im Lockdown-Mai 2020 aus der Essener Innenstadt hier auf den neuen Campus Essener Nordviertel gezogen. Jetzt ist November und wieder Lockdown, die meisten Mitarbeiter sind im Home-Office. Denken Sie nicht manchmal: “Haben wir hier nicht zu groß gebaut?“
Nein, gar nicht. Wir sind ein Unternehmen, das wächst. Wir werden den Platz also brauchen. Worüber wir diskutieren, ist die Frage, wie wir den Platz künftig am besten nutzen wollen. Denn nach Corona wird es kein Zurück ins Vorherige geben. Wir überlegen, wieviel Präsenz wir hier brauchen und was wir durch mobiles Arbeiten ersetzen können. Andererseits wollen wir die Kreativität nicht verlieren, die entsteht, wenn sich die Kolleginnen und Kollegen physisch treffen. Das alles abzuwägen, erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl.
Wie stressig war 2020 für RWE?
Die Krise war für uns beherrschbar. Wirtschaftlich ist es gut gelaufen. Als Unternehmen der Energiebranche, das stark technisch geprägt ist, hatte RWE schon vor Corona sehr hohe Standards und Regeln in Sachen Gesundheit und Sicherheit. Wir pflegen eine besondere Arbeitskultur: Wir achten auf Sicherheit, und wir achten aufeinander. Diese Einstellung hat uns sehr geholfen. Und das mobile Arbeiten funktioniert auch sehr gut.
Die “Vogue“-Chefin Anna Wintour hat zugegeben, im Home-Office Jogginghose zu tragen. Wie ist es bei Ihnen?
Für eine der einflussreichsten Frauen der Modebranche schon ein erstaunliches Bekenntnis. Mit einem Franzosen als Ehemann weiß ich, wovon die Rede ist. Und ja, auch bei mir gibt es schon mal Jogginghosen-Tage. Es ist aber auch so, dass eigene Ansprüche durch Corona nicht verloren gehen.
Welche Diskussionen hat Corona noch bei Ihnen in Gang gesetzt?
Ganz oben steht die Frage nach der Führung 2.0. Wie halte ich auch auf Distanz das Team zusammen? Wie unterstützen wir unsere Mitarbeiter bei der Nutzung digitaler Tools? Führungskräfte sind mit dafür verantwortlich, dass Mitarbeiter sich Auszeiten nehmen, dass es ein Äquivalent für den Plausch in der Kaffeeküche gibt. Und weiter: Wie werden im digitalen Zeitalter Karrieren aussehen? Wie kann ich einen Mitarbeiter beurteilen, den ich kaum noch sehe? An all diesen Fragen müssen wir arbeiten, wenn wir das Gute aus dieser Krise in die Zukunft mitnehmen wollen.
Wie gelingt Ihnen persönlich das Führen auf Distanz?
Indem ich noch mehr und noch intensiver kommuniziere und klar mache, was mir wichtig ist. Wir müssen den Mitarbeitern sagen, wo wir stehen, und wo wir hinwollen. Zugleich müssen wir herausfinden, was unsere Mitarbeiter bewegt und was sie für Sorgen haben.
Wie setzen Sie das in die Praxis um?
Wir haben ein Collaboration Tool eingeführt, RWE Connect, eine Plattform, über die wir uns austauschen können. Eine Art Facebook fürs Unternehmen, auf dem wir Dinge teilen, Daten und Dokumente sicher ablegen, um gemeinsam daran zu arbeiten. Das gab es vorher schon, aber jetzt wird es noch intensiver genutzt. Einmal im Monat gibt es unseren Board Chat, einstündige, interaktive, virtuelle Live-Gespräche mit dem Vorstand. Da berichten meine Vorstandskollegen und ich über aktuelle Entwicklungen, die Mitarbeitenden von allen Standorten in allen Ländern können sich direkt äußern und fragen. Diesen unmittelbaren Dialog zwischen Vorstand und Mitarbeitenden haben wir deutlich ausgeweitet.
Haben Sie persönlich Vorbilder?
Mich inspirieren starke Frauen. Zum Beispiel Simone de Beauvoir, eine richtig kluge Frau. Oder Sheryl Sandberg. Ihr Buch habe ich wortwörtlich mit Gewinn gelesen: Ich habe ihre Tipps für Gehaltsverhandlungen direkt ausprobiert. Was soll ich sagen? Es hat hervorragend geklappt.
Brauchen wir eine Frauenquote?
Keine von uns will eine Quotenfrau sein, aber es braucht eine Quote für qualifizierte Frauen. Wer daran glaubt, dass Diversity in allen Dimensionen für ein Unternehmen gut ist, der sollte das auch messen. Und das tun wir bei RWE. Als Finanzerin sehe ich die Quote ganz pragmatisch als einen KPI, als einen Indikator für Performance. Anders ausgedrückt: Ziele, die ich mir setze, muss ich an etwas konkret festmachen können. Für das Betriebsergebnis haben wir das Ebita, wir haben eine Gesundheitsquote und eine für die Arbeitssicherheit. Und so gibt es bei RWE jetzt eben auch eine Kennzahl für Diversity.
Bewerben sich für die männerlastige Energiebranche denn genügend Frauen?
Seit 2017 sehen wir einen deutlichen Anstieg bei der Anzahl der Bewerberinnen, vor allem bei jungen Menschen. Die sehen, durch welche Veränderungen RWE gegangen ist und geht. RWE besetzt die richtigen Themen, als wirtschaftlich gesundes Unternehmen sind wir ein attraktiver Arbeitgeber. Trotzdem könnten wir noch mehr qualifizierte Frauen brauchen.
Maßgeschneidertes Etui-Kleid und lässiger Turnschuh: Katja van Doren steht für einen neuen Typ Führungskraft und für den Wandel des Traditionskonzerns RWE. (Foto: Selina Pfrüner)
Wie werden Sie als Arbeitgeber für Frauen attraktiv?
Ein Großteil unseres Geschäfts ist nach wie vor sehr ingenieurslastig. Die dazu passenden Studiengänge belegen jedoch noch immer mehr Jungen als Mädchen. Wir setzen daher früh an und wollen über die Schulen Mädchen für Mint-Fächer begeistern. Das ist nach wie vor kein Selbstläufer. Zum Glück haben wir bereits ein paar hervorragende Ingenieurinnen bei uns. Sie zeigen, was Frauen können und treten auch nach außen als Vorbild und Botschafterinnen auf – zum Beispiel auf YouTube und in anderen Social-Media-Kanälen. Ich würde es begrüßen, wenn aus der Fridays-for-Future-Bewegung auch fachliches Engagement in Unternehmen entstünde. Der Ausbau erneuerbarer Energien, die Entwicklungen beim Wasserstoff – das sind Themen, wo junge Leute verstärkt und aktiv mitarbeiten können. Mit einem geeigneten Studienabschluss kann diese Generation sich direkt auch bei uns für ihr Anliegen einbringen.
Was besagt eigentlich Ihr Claim “Die neue RWE“?
Dass hier etwas Neues entstanden ist und sich weiterentwickelt. Es ist keinesfalls so, dass wir plötzlich aufgewacht sind und grün sein wollten. Unser Wandel ist ein evolutionärer Prozess.
Aber RWE wird mit Kohleförderung und Atomkraftwerken verbunden und mit dem Hambacher Forst. Sie sind noch lange kein grünes Unternehmen.
Diesen Anspruch haben wir auch nicht formuliert. Aber wir treiben als Unternehmen die Energiewende voran. Aus der Stromerzeugung mit Kohle und der Kernenergie steigen wir aus – das ist beschlossene Sache. Über die Hälfte unseres Konzernergebnisses kommt schon heute aus erneuerbaren Energien wie Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. 85 Prozent unserer Investitionen erfüllen die Kriterien für grüne Investitionen.
Hilft der Druck, den die Generation Greta aufmacht?
Ja, aber wir müssen die richtige Balance hinbekommen. In Deutschland beruht unser Wohlstand auch auf einer gesicherten und bezahlbaren Energieversorgung – und auf einer Industrie, die sich genau darauf verlassen kann. Diesen Aspekt dürfen wir nicht außer Acht lassen. In der Diskussion mit meinen Kindern sage ich: Messt uns an unseren Taten.
Welche sind das?
Wir haben mit der Bundesregierung einen Vertrag zum Ausstieg aus der Braunkohle. Wir haben einen klaren Fahrplan, wie wir aus der Steinkohle rausgehen. In Deutschland sind unsere beiden letzten Blöcke Ende Dezember geschlossen worden. In Großbritannien sind wir komplett aus der Kohle raus, in den Niederlanden gehen wir von der Kohle zur Biomasse. Nicht zu vergessen: Wir haben heute im Vergleich zu 2012 gut 50 Prozent unseres CO2-Ausstoßes reduziert, bis 2030 werden es 75 Prozent sein. Wir können deshalb guten Gewissens sagen, dass wir 2040 klimaneutral sein werden.
Einer Ihrer Werbeslogans lautet: “Die klügste Art, mit Gegenwind umzugehen.“ Trifft der die Lage?
Ja. Wir kommen von der fossilen Energie, jetzt sind die Segel in Richtung erneuerbare Energien gesetzt. Das bringen wir auch kommunikativ rüber. Die jüngsten Umfragen belegen, dass man uns Klimaschutz und Nachhaltigkeit zutraut. Wir tun alles, um den Wind in die richtige Richtung zu lenken und Rückenwind zu bekommen.
Liegt im Wasserstoff die Zukunft?
Das unterschreibe ich sofort. Bei RWE beschäftigen sich mittlerweile über 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Thema. Schon heute treiben wir rund 30 Projekte in den Niederlanden, Deutschland und Großbritannien voran. Richtig ist auch, es gibt bei der Technologie noch viel zu tun. Zunächst muss Wasserstoff “grün“ produziert werden, also mit Strom aus erneuerbaren Energien mittels Elektrolyse und dann zu den Abnehmern transportiert werden, also vornehmlich Industrieunternehmen, die ihre Prozesse dekarbonisieren müssen, dabei aber im internationalen Wettbewerb stehen. Die Rahmenbedingungen sind also entscheidend. Aber ich bin zuversichtlich: Wir sind mit vielen Unternehmen in Kontakt, und die Politik will das Thema sichtbar vorantreiben.
Werden wir bald mit wasserstoffbetriebenen Autos durch die Gegend düsen?
Dekarbonisierung durch grünen Wasserstoff sehen wir vor allen Dingen bei der Schwerindustrie, im Flug- und beim Schwerlastverkehr. Autos lassen sich besser direkt mit Strom antreiben – ohne den Umweg über Wasserstoff.
Nur zwei Arbeitgeber zählt die 54-jährige Nordrhein-Westfälin bis heute: KPMG und die RWE AG. Seit 1999 geht die Betriebswirtin im Konzern ihren Karriereweg von der Abteilungsleiterin bis zur Vorständin für Personal und Finanzen der RWE Generation. Auslandserfahrung bringt die zweifache Mutter aus dem Studium und ihrer ersten Berufstätigkeit in Paris mit. (Foto: Selina Pfrüner)