turi2 edition #13: Petra von Strombeck über Karriere in der Krise.
29. Januar 2021
Netzwerk-KöniginPetra von Strombeck hat Erfolg als Glücksspiel-Expertin, wechselt 2020 in den Vorstand des Xing-Konzerns New Work – dann kommt Corona. Was das Virus mit ihr und dem Rest der Karriere-Firma macht, erzählt sie im Interview mit Elisabeth Neuhaus für die turi2 edition #13. Sie können das Buch hier als kostenloses E-Paper lesen oder gedruckt bestellen.
Petra von Strombeck, wie kamen Sie 1993 an Ihren ersten Job?
Ich meine mich zu erinnern, dass das über persönliche Kontakte lief, Vitamin B. Über einen Studienfreund habe ich dort mein letztes studienbegleitendes Praktikum bekommen und bin im Anschluss übernommen worden. Das war lustig: Ich war Brand Manager für Dany Sahne. Das Produkt war damals genauso alt wie ich. Und ich habe schlagartig sehr viel Pudding gegessen.
Klingt nach wenig Stress.
Das war tatsächlich recht einfach. Rückblickend muss ich aber sagen, dass ich bei all meinen Jobwechseln immer auch relativ viel Glück gehabt habe. Ich habe nie Hunderte von Bewerbungen schreiben müssen. Meist habe ich mir meine Arbeitgeber sogar aussuchen können.
Ein “von“ im Nachnamen macht das Ganze sicher etwas leichter, oder?
Ich halte das für Unsinn. Die ersten paar Etappen meiner Laufbahn habe ich mit meinem Mädchennamen Stehle absolviert, ohne “von“. Ohnehin glaube ich nicht, dass es einen Adelsvorteil beim Recruiting gibt.
Kam Ihr New-Work-Jobangebot als Xing-Nachricht rein?
Nein. Auch da war es Vitamin B. Ich kannte meinen Vorgänger Thomas Vollmoeller, weil ich mit ihm bei Tchibo zusammengearbeitet habe. Durch ihn kam ich in den Recruiting-Prozess des Aufsichtsrates. Aus der Auswahl hat er sich herausgehalten.
Wie viel Glücksspiel wird die Jobsuche 2021?
Ich bin der Überzeugung, wenn wir diese konjunkturelle Delle hinter uns haben, wird der Markt wieder anziehen. Der Fachkräftemangel wird uns langfristig erhalten bleiben. Hochqualifizierte Arbeitnehmer werden sich darum auch in Zukunft nur wenige Sorgen machen müssen. Für diejenigen, deren Fähigkeiten am Arbeitsmarkt weniger gefragt sind, wird es darum gehen, wie sie durch Aus- und Weiterbildung, etwa beim Megatrend Digitalisierung, für Unternehmen interessanter werden. Das sehe ich durchaus auch als gesellschaftlichen Auftrag an.
Was hat 2020 mit dem Arbeitsmarkt gemacht?
Wenn ich auf unsere Kunden gucke, stelle ich zwei Dinge fest: einen wahnsinnigen Digitalisierungsschub und eine ungeahnte Flexibilisierung der Arbeit. Von Ausmaß und Geschwindigkeit dieser Veränderungen waren wohl alle überrascht. Das ist für mich der positive Aspekt dieser Krise: Wie schnell wir in komplett anderen Szenarien waren, die sich 2019 noch keiner vorstellen konnte.
Hat Xing im Lockdown eine andere Funktion?
Wir haben versucht, unsere Mitglieder und unsere Firmenkunden bestmöglich zu begleiten. Zu Beginn haben wir bei Xing beispielsweise einen Corona-Ticker zum Arbeiten und Leben in der Krise gestartet. Unsere Teams bei Kununu haben transparent gemacht, wie Firmen mit der Pandemie umgehen und das in Rankings dargestellt. Auf Firmenkundenseite haben viele Personabteilungen um Rat gebeten. Dazu haben wir einige Webinare auf die Beine gestellt und darin etwa darüber gesprochen, wie Führung und Recruiting aus dem Home-Office heraus funktionieren. Diese Formate wurden positiv beurteilt. Wir haben in dieser Zeit Marke machen können.
Ihrer Firma hat Corona aber ziemlich zugesetzt. Sie planen, Millionen einzusparen. Ärgern Sie sich, dass Sie sich gleich im ersten Jahr im neuen Job mit einem Virus herumschlagen müssen, das Ihnen die Wachstumsziele verhagelt?
Habe ich mir gewünscht, als CEO einer Firma aus meinem Wohnzimmer heraus zu starten, ohne täglich persönlichen Kontakt zu den Mitarbeitern zu haben? Nein, das ist sicher kein Traumzustand. Gleichzeitig waren meine Berufswechsel häufig von gewissen Challenges begleitet. Bei Lotto24 zum Beispiel war ich zum ersten Mal im Vorstand einer börsennotierten Gesellschaft. Zeitgleich zu meinem Start wurde ein Gesetz verabschiedet, mit dem unserem Geschäftsmodell im Prinzip innerhalb eines Jahres ein Ende gesetzt wurde. So gesehen bin ich da vergleichsweise entspannt unterwegs. Es war damals noch härter.
Wie hart ist es heute?
Unser Geschäft entwickelt sich weiterhin stabil, wobei wir mit begrenztem Wachstum unterwegs sind. Wir haben daher kritisch auf unser Portfolio geschaut und uns ganz genau überlegt: In welche künftigen Wachstumsfelder investieren wir? Das war eine Portfolio-Steuerungsmaßnahme mit dem Ziel, perspektivisch wieder bei unseren früheren Wachstumsraten zu landen. Das ist im Grunde eine sehr gesunde Übung für jede Firma. Eine Krise kann dabei hilfreich sein.
Als Teil dieser Übung haben Sie Stellen gestrichen. Wie haben Sie das Ihrem Personal beigebracht?
Natürlich würde man solche Nachrichten am liebsten in persönlichen Gesprächen vermitteln und in physischen All-Hand-Meetings weiteren Kontext geben. Da das aktuell leider nicht möglich ist, haben wir versucht, die interne Kommunikation so offen, transparent und auf Augenhöhe wie irgend möglich zu gestalten.
Das heißt?
Wir haben ein Kommunikationsformat entwickelt, unser “Weekly Campfire“. Das ist ein Video, das wir als Lagerfeuer der Firma begreifen, das informiert, manchmal wärmt, jedenfalls unsere Narrative erzählt. Es startet mit einem Interview, in dem wir Fragen der Belegschaft beantworten, die wir zuvor mit einem internen Tool einholen: Im sogenannten Mood-O-Meter können Mitarbeiter ihre Fragen loswerden, die alle anderen hoch- und runterranken. Auf die Fragen gehen wir dann im Video ein. Insgesamt haben wir so ein ganz gutes Gefühl dafür, wo die Belegschaft steht.
Petra von Strombeck wird 1969 geboren. Sie studiert in Paris, Oxford und Berlin Betriebswirtschaft. Ihre Karriere startet bei Danone, über Premiere, Tchibo und Lotto24 kommt von Strombeck Anfang 2020 in den Vorstand der börsennotierten New Work SE in Hamburg. An der Firma hinter Xing hält Burda 50 Prozent. Im Herbst 2020 wird bekannt, dass New Work mindestens 70 von 1.900 Stellen streicht. Wir treffen von Strombeck zum Fotoshooting im “Wiener Café“ im Xing-Büro am Hamburger Gänsemarkt. (Foto: Johannes Arlt)
Dann sagen Sie doch mal: Wie ist die Stimmung nach 2020?
Die Stimmung in Bezug auf die Zahlen: stabil und nicht existenzbedrohend. Die Stimmung nach der Restrukturierung: betroffen und empathisch. Dass solche Veränderungen keine Euphorie verursachen, ist ja klar. Gleichzeitig muss man durch eine solche Phase durchgehen, um Grundlagen für die Zukunft zu legen.
Das Event-Business liegt brach. Womit verdient Xing gerade Geld?
Da haben wir zwei große Säulen: Eine ist unser Memberships-Geschäft, mit Produkten wie Xing Premium und ProJobs. Das zweite sind die Umsätze, die wir im E-Recruiting und Employer Branding mit unseren Unternehmenskunden machen. Viele Firmen sind weiterhin vom Fachkräftemangel betroffen, speziell wenn wir uns die IT-Stellen ansehen. Da ist der Bedarf sogar eher gestiegen.
Wie wird das in Zukunft sein? Die Event-Branche wird erstmal kein großes Comeback feiern.
Nicht kurzfristig jedenfalls. Bis dahin begleiten wir unsere Kunden bei der Umstellung hin zu Online-Events und versuchen, ihnen dabei so viel Hilfestellung wie möglich zu geben. Die Nachfrage danach ist extrem groß. Die Monetarisierung ist im Vergleich allerdings schlechter. Das muss man in Kauf nehmen und entsprechend einpreisen.
Machen Sie sich manchmal Sorgen, dass es noch so lange kriseln könnte, dass New Work eben nicht gestärkt aus der Sache hervorgeht, wie es im PR-Sprech heißt?
Ich bin weiterhin guter Dinge, dass unsere Prognosen eintreten, nach denen wir ab Sommer 2021 wieder einen weitgehend normalisierten Zustand erreichen. Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass uns die langfristigen Trends, auf denen unser Geschäft aufbaut, also Digitalisierung und Fachkräftemangel, noch lange erhalten bleiben. Außerdem glaube ich, dass New-Work-Konzepte in und auch nach der Krise relevanter sind denn je. Unser Credo, dass zufriedene und motivierte Arbeitnehmer, die sich selbst verwirklichen können, zum Wohle der Unternehmen beitragen, werden wir darum weiter in den Markt tragen.
Sie haben immer wieder gesagt, dass Sie persönliche Kontakte sehr schätzen. Können Sie das Wort Home-Office überhaupt noch hören?
Nach dem ersten Lockdown habe ich es wirklich genossen, wieder ein bisschen häufiger im Büro zu sein. Ich bin ein bekennender Hasser von Video-Calls und treffe Menschen nach wie vor am allerliebsten persönlich. Auch wenn ich selbst nicht für immer zu Hause sitzen will, habe ich nichts dagegen, weil ich weiß, dass meine Belegschaft die Arbeit im Home-Office schätzt.
Wie wollen Sie sicherstellen, dass der starke US-Konkurrent Linked-in Ihnen nicht den Rang abläuft als größtes Business-Netzwerk in Deutschland?
Wir sind Marktführer in Deutschland. Wir haben eine sehr starke Marke. Ich glaube, man sollte bei dem, was man tut, nicht nur auf die Konkurrenz schielen, sondern sich vor allem auf die Bedürfnisse der Kunden konzentrieren. Darauf, dass wir Xing-Mitglieder durch ihr Berufsleben begleiten, dabei helfen, dass sie ihr Potenzial entwickeln und sich selbst verwirklichen können, in einer Umgebung, die zu ihnen passt. Uns geht es darum, in den relevanten Momenten ihres Berufslebens für sie da zu sein und eben nicht nur eine Bühne zu bieten, auf der sich besonders die Lautesten in Szene setzen. Wir haben das Ziel, unsere Kunden in ihrem Arbeitsleben glücklich zu machen. Daran arbeiten wir gezielt. Und das wird uns immer unterscheiden von der Konkurrenz.
Auch bei journalistischen Inhalten konkurrieren Sie mit Linked-in, betreiben eine eigene News-Redaktion. Wie soll sich das entwickeln?
News werden immer ein wesentlicher Bestandteil unseres Angebots sein. Wir werden weiter daran arbeiten, unsere kuratierten Inhalte stärker zu personalisieren und direkter auf den Einzelnen zuzuschneiden.
Mit 51 haben Sie noch ein paar Jahre bis zur Rente. Gut möglich, dass New Work nicht Ihre letzte Station bleibt. Welchen Job wollen Sie auf keinen Fall noch machen?
Veränderungen bewirken zu können, treibt mich an. Ich würde wahrscheinlich immer nach digitalen Geschäftsmodellen suchen. Wenn Sie mich in einen tradierten alten Konzern stecken, wo ich irgendwelche Prozessoptimierungen an der 15. Schraube mache, wäre das definitiv nicht mein Ding. Online-Geschäftsmodelle sind meine Leidenschaft. Davon werde ich wahrscheinlich auch bis zu meinem Karriereende nicht mehr abweichen.
Als Xing-Chefin sind Sie so etwas wie eine Netzwerk-Königin. Wie gut netzwerken Sie selbst?
Ich bin ein Mensch, dem der persönliche Kontakt sehr viel wertvoller ist als ein virtueller. Ich bin darum kein Freund davon, blind riesige Netzwerke ohne Bezug zu mir aufzubauen. Qualität ist für mich wichtiger als Quantität.
Wenn wir uns Ende 2021 nochmal sprechen, was sagen Sie mir?
Dass wir gestärkt aus der Krise herausgegangen sind. Dass wir zurückgekehrt sind zu alten Wachstumsraten. Und dass wir bei Xing jede Menge neue Veränderungen erlebt haben, die den Mitgliedern noch bessere Guidance in ihrem Berufsleben geben.
Was ist Ihr Vorsatz für 2021?
Den gibt es nicht. Ich mache mir keine Neujahrsvorsätze, sondern plane Dinge das ganze Jahr über.
Als eine von wenigen Vorstandsvorsitzenden in Deutschland und mit Blick auf 2021: Wie stehen Sie zur Frauenquote?
Seit Jahren sind kaum Frauen in der deutschen Wirtschaft in Führung gekommen. Das ist aus zwei Gründen schlecht: Schlecht für die Frauen selbst, da ihnen offenbar eine Führungsrolle zu oft nicht zugetraut wird, und schlecht für die Unternehmen, weil sie zu wenig diverse Führungsstrukturen haben. Ich bin fest davon überzeugt, dass Diversität – und dazu gehört mehr als die alleinige Frage nach Mann oder Frau – ein Unternehmen besser macht. Egal auf welcher Hierarchieebene. Wenn wir nur durch verbindliche Quoten zu einer wirklichen Verbesserung kommen, dann muss es so sein. Es wäre mir lieber, wenn es ohne ginge, aber dafür passiert leider zu wenig.