turi2 edition #14: Kai Diekmann über Meer und Mehrwert.
8. Mai 2021
Der alte Mann und das Mehr:Kai Diekmann hat als “Bild”-Chefredakteur einen Bundespräsidenten gestürzt – und sich nun als Social-Media-Experte neu erfunden. Im großen Interview mit Peter Turi erklärt Diekmann, warum er sich in Social Media mit seinen Ziegen inszeniert und dass er den Begriff “Neuland” fürs Internet auch heute noch für berechtigt hält. “Historisch gesehen ist Social Media gerade mal fünf Minuten alt. Wir müssen alle noch lernen, wie wir damit leben und umgehen”, sagt Diekmann und verrät etwa, dass seine Teenager-Kinder keine privaten Fotos von sich hochladen dürfen. (Fotos: Johannes Arlt)
Kai Diekmann, ist Social Media der neue Boulevard? Ist Selbstentblößung die neue Homestory?
Wer schlau ist, hat sich schon früher mit einer Homestory nicht entblößt. Sondern nur gezeigt, was die Menschen sehen und annehmen sollen. Und Social Media ist das Tool, diesen Ansatz noch zu professionalisieren: Ich bin der Herr meines Narrativs, ich kann selber entscheiden, was ich zeige und was ich nicht zeige. Ich liefere mich nicht aus, sondern dosiere den Ein-blick in mein Leben ganz präzise. Am Ende gelten für den Erfolg auf Social Media die gleichen Regeln wie im Journalismus: Eine Geschichte muss unterhaltend, spannend, relevant sein – ganz egal, ob sie von einem Firmen-chef gepostet wird, einem Influencer oder von einem Journalisten.
Sind Facebook, Twitter und YouTube die Fortsetzung der Straßenverkaufszeitung mit neuen Mitteln?
Natürlich funktionieren die digitalen Medien ebenso über Emotionen und Bilder wie Boulevardmedien. Auch sie stellen immer den Menschen in den Mittelpunkt. Das ist eine anthropologische Konstante: Nichts interessiert Menschen mehr als andere Menschen. Zeitungen wie die “FAZ” gehen davon aus, dass der Mensch logisch und rational entscheidet – wir bei “Bild” sind immer vom Gegenteil ausgegangen: die Emotion, das Bauchgefühl entscheidet.
Nach 16 Jahren als Chefredakteur der “Bild” steckten Sie in einer Sackgasse und mussten sich neu erfinden. Aber warum gerade als Experte für Social Media?
Ich steckte nirgendwo, im Gegenteil hatte ich das Gefühl, bei “Bild” ständig auf dem Highway zu sein. Aber wenn Sie die Route 66 ein paarmal rauf und runter gefahren sind, dann schauen Sie eben, ob es anderswo spannende Abfahrten gibt. Als Chefredakteur der “Bild” war ich der Gatekeeper, der Agenda-Setter, der entschieden hat, wer mit welcher Botschaft Zugang zu einem Massenpublikum erhält. Doch jetzt ist der Redakteur einer Zeitung, beim Fernsehen oder beim Radio entmachtet.
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In Teilen entmachtet. Auch Kai Diekmann gibt sich ja einige Mühe, hier in diesem altmodischen Printmedium gut rüberzukommen.
Einverstanden: Der Journalist ist in Teilen entmachtet. Und weil in Deutschland Print immer noch relevant stark ist, haben wir ja auch Storymachine Classic gegründet. Aber: Social Media liefert die Tools, mit denen jeder direkt sein Publikum erreichen kann. Dieser Gedanke hat mich umgetrieben. So bin ich auf den Gedanken “Storymachine” gekommen.
Eine ungeheure Kränkung für einen Alphajournalisten wie Sie, wenn er nicht mehr das ist, was Kurt Tucholsky den “Billetknipser an der Schranke der Öffentlichkeit” genannt hat.
Social Media ist gerade für Journalisten eine Herausforderung. Ich finde es spannend, in einer Welt zu leben, in der jede Person, jeder Politiker, jede Marke, jede Firma selbst Publisher sein kann. Diesen Paradigmenwechsel mitzugestalten mit all den Erfahrungen, die ich in Jahrzehnten in einem klassischen Medienunternehmen erworben habe, das hat mich gereizt.
Sie wollen mit fast 57 und als Boomer des Jahrgangs 1964 der Welt Social Media erklären?
Sie sind doch auch nicht beim Kassettenrecorder stehengeblieben, obwohl Sie mit ihm groß geworden sind. Als Journalist habe ich mich immer schon für das Neue interessiert. Bei “Bild” war das ein zentrales Thema: Welche neuen Kommunikationswege entstehen, welche neuen Geschäftsmodelle sind möglich? Bei meinem Ausscheiden 2017 war die “Bild” keine reine Straßenverkaufszeitung mehr, sondern ein digitaler Champion. Von daher war der Weg von “Bild” zu Social Media nicht weit.
Kein Usedom-Krimi: Weil die Ostsee im März am Strand bei Heringsdorf ein paar Wellen wirft, meidet Kai Diekmann, sonst ein leidenschaftlicher Eisbader, das Wasser.
Wenn Sie den Medienwandel so perfekt kapiert haben: Warum haben Sie nicht wie Gabor Steingart ein eigenes, neues Medium gegründet? Warum jetzt dieser Eunuchen-Job als Berater?
Was haben Sie an meiner Job-Description auszusetzen? Rückblickend: Es hätte tatsächlich eine Reihe von anderen möglichen Projekten geben können, aber ich fand es spannend, Auftrags-Kommunikation mit einer journalistischen Herangehensweise neu zu denken. Nach 31 Jahren bei einem Konzern wollte ich einfach auch mal was anderes machen. Da draußen findet eine Revolution statt und ich kann sie mitgestalten – super! Davon sind Sie, lieber Peter Turi, doch auch nicht frei.
Wieso?
Also Ihre Begeisterung für die Audio-App Clubhouse zeigt es doch klar: Da ist ein neues Kommunikations-Tool und wir wollen beide wissen: Wie kann ich das einsetzen? Wie kann ich daraus ein Geschäftsmodell machen? Welche Dienstleistungen werden gebraucht? Ich frage und beantworte für meine Kunden halt zusätzlich noch Fragen wie: Wie führe ich einen Konzern in Zeiten von Social Media? Wenn ich 150.000 Mitarbeiter habe, die ich nicht täglich sehen oder sprechen kann. Wie kann ich durch Kommunikation Nähe herstellen, Hierarchien überwinden, Begeisterung herstellen? Das sind doch spannende Herausforderungen.
Wieviele der 30 Dax-Konzerne sind Ihre Kunden?
Sie wissen doch, dass wir über unsere Kunden nicht sprechen.
Sie sollen nur sagen, wieviele der 30 DaxUnternehmen bei Storymachine Kunde sind.
Einige.
Andere Frage: Wie konnte Ihre Agentur so schnell wachsen – auf jetzt 100 Leute?
Offensichtlich machen wir keinen so schlechten Job. Die Kunden kommen häufig über Empfehlungen von Bestandskunden. Wenn wir vor drei Jahren in die Kommunikationsabteilung eines Dax-Unternehmens kamen, saßen da zwischen 70 und 140 Leute. Und ganz stolz hieß es dann: Social Media machen wir auch – die beiden Halbtags-Kräfte sitzen da hinten. Das hat die Realität der Mediennutzung in keiner Weise widergespiegelt. Zwei Zahlen dazu: Die Gesamtauflage aller deutschen Tageszeitungen ist innerhalb von 20 Jahren von 25 Millionen auf unter 14 Millionen gesunken – und inzwischen sind über 40 Millionen Deutsche auf Social Media unterwegs.
Sie bringen also den Unternehmen bei, wie sie ihre PR wunderbar ohne Ihre Ex-Kolleginnen von “Bild” organisieren können.
Wir erklären, was gute CEO-Kommunikation ausmacht. Also: Was mache ich in Social Media? Was nicht? Was ist der Unterschied zwischen privaten Inhalten und Inhalten, die den Blick auf meine Persönlichkeit erlauben? Das ist eine faszinierende Aufgabe. Es hat sich wohl herumgesprochen, dass wir das an einer Reihe von Stellen nicht ganz so schlecht gemacht haben. Nichts ist eben erfolgreicher als der Erfolg.
Woran messen Sie Erfolg? Mit 100 Mitarbeiterinnen müssen Sie 10 Millionen Umsatz machen, damit Sie im unteren Pro-Kopf-Mittelfeld der Agenturen liegen.
Wir messen unseren Erfolg an der Kundenzufriedenheit.
Welchen Tagessatz rufen Sie eigentlich auf für so eine Chef-Beratung?
Ich schicke Ihnen gerne ein Angebot zu. Aber ich gehe davon aus, dass Peter Turi meinen Rat gar nicht braucht. Grundsätzlich gilt es, darauf zu achten, nicht zu billig zu sein. Wenn Rat nichts kostet, hören die Menschen meist nicht zu.
Sie selbst sind nicht operativ tätig, sagen Sie. Hat das damit zu tun, dass Sie sich gesagt haben: Der alte Mann will jetzt mal ein Mehr an Freiheit genießen?
Ich war 31 Jahre im Konzern, 16 Jahre an der Spitze von “Bild”. Das hohe Maß an Fürsorge, das ein Konzern seinem Chefredakteur entgegenbringt, bedeutet auch Gitterstäbe im goldenen Käfig. Ich habe mir ein Stück Lebensqualität zurückgeholt, indem ich selbst entscheide, was ich tue, wann und für wen.
Ein Mehr an Freiheit mit Meerblick. Sie twittern ja oft den schönen Blick auf die Ostsee von Ihrem Haus auf Usedom.
Auch wenn ich auf Usedom bin: Ich schaue deutlich mehr auf den Bildschirm als aufs Meer. Aber klar: Ein Mehr an Freiheit ist da, aber kein Meer an Freizeit. Dafür arbeite ich zu gern. Ich habe ja noch ein paar Herzensprojekte wie den Komponisten Engelbert Humperdinck und den Freundeskreis Yad Vaschem. Und dass ich Uber berate, ist ja bekannt.
Sie haben ein Mehr an Freiheit – und ein Weniger an Bedeutung. Früher haben Sie Bundespräsidenten gestürzt, heute müssen Sie sich ärgern, weil der Virologe Hendrik Streeck sagt, es sei ein Fehler gewesen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.
Alles hat seine Zeit und alles hat seinen Preis. Die Zeit bei “Bild” war großartig. Wer sich aber über einen Titel oder eine Rolle definiert, über die geliehene Macht also, der hat im Leben schon verloren. Das hat schon meine Frau nie zugelassen. Übrigens habe ich keine Bundespräsidenten gestürzt. Wer stürzt, stürzt über sich selber. In der Regel nicht wegen des ursprünglichen Fehlers, sondern wegen der mangelhaften Kommunikation im Anschluss. Was den Virologen angeht: Den kenne ich persönlich gar nicht. Wir haben uns nie getroffen, ich habe nie mit ihm gesprochen – und das ist auch gut so.
Das wurde aber anders berichtet.
Sie sehen: Recherche ist alles. Wie hat Helmut Kohl immer so schön gesagt? Der Hahn auf dem Kirchturm wird von jedem Wind angeweht. Für Clickbaiting funktioniert mein Name immer noch ganz gut.
Was machen Digitalisierung und Social Media mit unserer Gesellschaft?
Meine liebe Kollegin Tanit Koch hat mal gesagt: Historisch gesehen ist Social Media gerade erst fünf Minuten alt – oder jung. Wir alle müssen noch lernen, wie wir damit leben und umgehen. Digitalisierung verändert die Gesellschaft mehr, als es die Erfindung der Dampfmaschine, die Elektrifizierung und die Automatisierung zusammen getan haben. Mit der Digitalisierung haben wir einen virtuellen Raum geschaffen, indem die physikalischen Gesetze unserer gelernten Welt nicht mehr gelten. Angela Merkel ist verlacht worden, weil sie gesagt hat, das Internet sei Neuland. Aber sie hat komplett recht: Die Gesellschaft kennt sich in dieser neuen Welt noch nicht aus, die Menschen müssen erst lernen, sich in ihr zu bewegen.
Was bedeutet das für Unternehmen?
Die Geschäftsmodelle müssen völlig neu gedacht werden, zum Beispiel in der Autoindustrie. Wir Deutschen sind seit 100 Jahren die besten Autobauer der Welt. Niemand baut besser Verbrennungsmotoren und biegt das Blech schöner als wir Deutschen. Doch künftig kommt die Wertschöpfung aus der Software. Wir müssen den Wandel gestalten, statt am Rand des Spielfelds zu stehen.
Kriegen wir das hin?
Ich bin ein unverbesserlicher Tech-Optimist und fest davon überzeugt, dass sich am Ende nur Technologien durchsetzen werden, die das Leben besser, angenehmer und bequemer machen. Die großen Plattformen wie Google, Facebook, Airbnb oder Uber haben Informationen, Kontakte, Transport, Reisen erschwinglicher und leichter gemacht und damit unsere Lebensqualität verbessert.
Was macht Ihnen Angst?
Meine Sorge ist, dass sich in Deutschland eine gewisse Überheblichkeit mit einer ganzen Menge Trägheit paart. In der Ökonomie der Plattformen sind wir digitale Habenichtse. Kaum eine relevante oder große Plattform kommt aus Europa. Bei der Künstlichen Intelligenz sieht es düster aus. Wir tragen das Thema Datenschutz wie eine Monstranz vor uns her. Dabei gibt es einen Datenschatz, zum Beispiel im Gesundheitswesen, den wir heben sollten – zum Wohl der Lebensqualität von Millionen Menschen. Wir betreiben eine Politik der Risikominimierung, die uns nicht weit bringen wird.
Was rät Kai Diekmann der Politik?
Die Politik ist Ausdruck von gesellschaftlichen Strömungen und Wünschen. Das Problem sind wir selbst – wir ruhen uns zu sehr auf den Erfolgen der Vergangenheit aus.
Was ist die größere Katastrophe: die Politik in der Pandemie oder die Kommunikation dieser Politik?
Ich halte nichts von Politiker-Bashing in solchen Ausnahmesituationen. Wenn Helmut Kohl nach der Wiedervereinigung Fehler vorgeworfen wurden, dann pflegte er darauf zu antworten: Bei der nächsten Wiedervereinigung machen wir alles anders. Erfolgreiche Menschen lernen aus Fehlern. Und ich hoffe, dass Erfolgs-Politiker das auch tun werden.
Bei der nächsten Pandemie wird alles besser?
Ja. Hoffentlich…
Hat Social Media Sie persönlich verändert? Würden Sie auch eisbaden, wenn keiner zuguckt?
Ich gehe auch eisbaden, wenn keiner guckt – das macht aber nicht so viel Spaß. Natürlich ist Social Media immer ein Stück Inszenierung und Selbstinszenierung. Das soll es ja auch sein. Als zu meiner Zeit bei Axel Springer alle das Bild vom dämonischen, mächtigen Chefredakteur gezeichnet haben, habe ich mich auf Social Media mit meinen Ziegen inszeniert. Oder besser: sie sich mit mir, die eitlen Viecher. Social Media bedeutet immer die Chance, ein Gegenbild zu entwickeln. Es geht nicht darum, wirklich Privates preiszugeben, sondern einen kontrollierten Blick auf die Persönlichkeit zu gestatten. Trotz Social-Media-Inszenierung ist von dem, was mich wirklich privat ausmacht, sehr, sehr wenig bekannt.
Wenn Sie einen Beipackzettel schreiben müssten zu Risiken und Nebenwirkungen von Social Media was stünde da drauf?
Wie hat Paracelsus gesagt: “Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.” Man darf Social Media weder übernoch unterdosieren. Wir machen häufig die Erfahrung mit unseren CEOs, dass die nach anfänglicher Skepsis einer regelrechten Euphorie verfallen, weil sie merken, welche unmittelbare Wirkung sie erzielen. Falls nötig, bremsen wir dann auch.
Welche Social-Media-Regeln stellt Kai Diekmann für seine vier Kinder im Teenager-Alter auf?
Die erste Regel gilt für mich selbst: Nach 22 Uhr wird nicht gepostet! Ich habe in der Vergangenheit
zu häufig am nächsten Morgen gedacht: Was hast du denn da wieder gemacht? Den Shitstorm hättest du dir ersparen können. Unsere Kinder dürfen keine Fotos von sich einstellen, auf denen sie erkennbar sind. Und ihre Instagram-Accounts sind privat, sodass sie die Kontrolle darüber behalten, wer ihnen eigentlich folgt. Bitte bedenken: Das Netz vergisst nichts! Es wäre für mich der Horror, wenn all der Unsinn, den ich als Teenager gemacht habe, in den Tiefen des Internets noch aufzufinden wäre.
Verlieren Sie sich manchmal in Social Media?
Manchmal entwickeln neue Plattformen regelrecht Suchtwirkung. Als Clubhouse im Januar aufploppte, war ich schwer begeistert und vier Wochen lang richtig angefixt, habe tolle neue Erfahrungen gemacht und war fasziniert, wildfremden Leuten zu spannenden Themen zu lauschen. Inzwischen hat sich das etwas beruhigt, ich finde es immer schwieriger, die Chat-Räume zu finden, die mich wirklich interessieren.
Sorgsam verwittert:Kai Diekmann pflegt auf seinem Zweitwohnsitz in Heringsdorf auf Usedom einen betont analogen, erdig-nostalgischen Wohnstil. Den Stil gibt Ehefrau Katja Kessler vor (Instagram: @katjakesslerkreation), er nennt sich Vinterior – gammlig meets teuer.
Ist Clubhouse also nur ein kurzfristiger Hype?
Nein. Denn in jedem Fall hat eine Social-Media-Plattform, die auf Voice basiert, einen hohen Reiz und ein großes Potenzial – übrigens insbesondere für Medien. Menschliche Sprache hat etwas sehr Intuitives und Unmittelbares. Ich bin sehr gespannt, wie sich Twitter Spaces jetzt entwickelt.
Bitte geben Sie drei Social-Media-Tipps für Chefs.
Social Media ernst nehmen. Es nicht nebenbei machen. Und Persönlichkeit nicht mit Privatheit verwechseln.
Ihr Geschäftspartner bei Storymachine – das mussten Sie jetzt sagen. Wer noch?
Einer, der es hervorragend macht, ist Herbert Diess. Schauen Sie sich an, wo er vor einem Jahr stand, wie er in den klassischen Medien behandelt wurde.
Er wurde gediesst. Galt als ablösereif.
Dann hat er die Kommunikation in die eigenen Hände genommen und sein Image komplett gedreht. Er kommuniziert auf Linked-in und Twitter sehr konsequent, immer pointiert, mitunter provokant. Oft mit einem Augenzwinkern, immer auch im Sinne des Unternehmens, der Stakeholder und der Mitarbeiter. Sein Video mit Elon Musk in Wolfsburg ist das meistgesehene Linked-in-Video in Deutschland, seine Testberichte haben mehr Reichweite als manche Marketing-Aktion. Im Silicon Valley werden er und VW jetzt ganz anders wahrgenommen – nicht mehr als die Abgehängten, sondern als die, die angreifen. Was nicht ganz unwichtig ist, da dort ja die Software-Entwickler sitzen, die auch VW als Fachkräfte braucht.
Dann war Diess gut beraten, das so zu machen.
Wer es als Marke richtig großartig macht, ist die BVG in Berlin. Die BVG zeigt, dass man selbst eine schlechte Dienstleistung über Social Media positiv aufladen kann. Niemand würde sagen, dass Busse und Bahnen in Berlin großartig, sauber und immer pünktlich sind. Aber in einem Post zu schreiben “Ringo Starr ist in der Stadt – noch einer außer uns, der den Takt nicht trifft”, ist großartig! Die eigene Fehlleistung zu ironisieren, zaubert Betrachtern ein Lächeln auf die Lippen. Inzwischen gilt die BVG als cool – trotz des schlechten Produktes. Wer Social Media leider auch sehr gut nutzt, ist die AfD.
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Schon in meinen Grundsatzvorträgen als “Bild”-Herausgeber habe ich gesagt: Bitte keine Prognose, die über drei Monate hinausgeht. Im Ernst: Ich habe keine Ahnung, was wird – aber es wird mit Sicherheit gut.
Videobesuch in Berlin: Kai Diekmann führt beim turi2 Clubabend durch die Räume seiner Berliner Agentur Storymachine und beantwortet Fragen zu Wirecard und Co.