turi2 edition #20: Rainer Esser über Zahlen und Zeit.
29. Januar 2023
Keine Zeit verschwenden: In der Krise stehen die “Zeit” und ihre Ableger so gut da wie nie, Rainer Esser steuert den Verlag von Erfolg zu Erfolg. “Decke über den Kopf ziehen, ist keine Lösung”, sagt er im großen Interview in der turi2 edition #20. Mit 66 Jahren ist ihm Ruhestand ebenso fremd wie Work-Life-Balance.
Rainer Esser, macht es Ihnen angesichts der bedrohlichen Weltlage noch Spaß, jede Woche die „Zeit“ zu lesen?
Ja, die Krisen prasseln auf uns ein: Energiepreise, Inflation, der Krieg, die Pandemie, Lieferketten-Probleme, der Fachkräftemangel. Es gibt von schwierigen Dingen aktuell ziemlich viel. Das ist eine große Herausforderung und Verantwortung für die „Zeit“, über diese Themen zu berichten, sie einzuordnen und zu analysieren, aber gleichzeitig Lösungen anzubieten und Mut und Zuversicht zu geben. Auch auf Zeit Online sind die beliebtesten Inhalte Dossiers, Infografiken und Hintergrundanalysen. Nur Kritisieren und schlechte Nachrichten bringen keinen Mehrwert. Das macht nur schlechte Laune. Deshalb lese ich „Zeit“ und Zeit Online weiterhin sehr gerne.
Vieles, was früher als gesichert galt, steht heute infrage. Ängstigt Sie das?
Mich ängstigen große Schäferhunde, die mir laut bellend beim Joggen begegnen. Ansonsten sehr wenig. Ich komme aus einem „Flüchtlingshaushalt“. Meine Großmutter musste zweimal fliehen, zweimal Weltkrieg und alles verloren, erst von Oberschlesien nach Niederschlesien, dann aus Schlesien nach Wolfenbüttel. Solange jeder am Abend ein Bett hatte, eine warme Decke und ausreichend zu essen, war sie glücklich. Über unsere Probleme, die wir in einem ordentlichen demokratischen Staat mit einer ordentlichen Wirtschaft haben, würde sie gnädig lächeln.
Was haben Sie von Ihren Eltern fürs Leben gelernt?
Von meinem Vater Neugier und Spontanität, von meiner Mutter Fleiß und Einsatz.
Was ist Ihr Gegengift zur Sorge – neben Ihrer Prägung als Kind?
Freude macht mir, mit meinen sympathischen, klugen Kolleginnen und Kollegen bei der „Zeit“ zu arbeiten. Meine wundervolle Familie ist ein Quell steter Freude. Verschweigen will ich auch nicht den morgendlichen Alsterlauf, das Frühstück mit Granatäpfeln und der Lektüre von „Handelsblatt“ und Zeit Online.
Die Konzentration auf den Alltag als Gegengewicht zu schlechten Nachrichten?
Mich berühren die Krisen natürlich. Aber ich freue mich dennoch auf jeden neuen Tag und versuche, ihn besser als den Vortag zu gestalten. Und immer nach vorn zu schauen.
Sind Menschen, die sagen „Lasst mich mit der Weltlage in Ruhe und meldet euch, wenn alles wieder in Ordnung ist!“ für den Nachrichten-Journalismus verloren?
Ich kann diese Haltung verstehen. Aber es ist keine Lösung, sich die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und zu warten, bis alles vorbei ist. Vermutlich wird die geordnete, vorhersehbare Welt, die wir in den letzten Jahrzehnten, zumindest in Europa hatten, nicht wiederkommen – auch angesichts der rapiden Entwicklungen in der Technik, der Gesellschaft und der internationalen Politik. Auf der anderen Seite waren die Chancen für wache Menschen auch noch nie so groß wie heute, wo so viel Neues entsteht. Unsere Aufgabe ist es, auch die Menschen, die ermüdet sind, abzuholen, ihnen Zuversicht zu geben und Lösungen zu zeigen. Das machen wir mit unseren Publikationen, aber zum Beispiel auch mit unserem Programm „Freunde der Zeit“: Alle Abonnentinnen und Abonnenten sind Freunde und wir laden sie jede Woche zu einem besonderen Programm ein. Etwa zu unserem Leser-Parlament kürzlich in Hannover und Frankfurt. Da diskutieren Giovanni di Lorenzo und Redakteurinnen und Redakteure mit den Lesern, fragen, was sie bewegt, und was sie von uns erwarten.
Wie ist das Stimmungsbild? Was macht Freude? Was macht Sorgen?
Die Leserinnen und Leser halten unserer Branche oft den Spiegel vor. Sie interessieren sich nicht für die zigste Debatte über das Gendersternchen, über Quoten oder politisch korrekte Themen. Sie wollen mehr wissen über Außenpolitik, Klimakrise, Energiepreise, Schulpolitik oder die Unterschiede zwischen Stadt und Land. Viele Leserinnen und Leser freuen sich sehr, dass wir wieder persönlich zusammenkommen. Die aktuelle Weltlage treibt sie um. Sie suchen nach einem guten Umgang mit den Polykrisen. Dabei ist die „Zeit“ für viele ein Anker in ihrem Leben. Ein Beispiel: Immer noch erreichen die „Freunde der Zeit“ Mails, in denen Leser der Redaktion für die während Corona fast wöchentlichen Hangouts danken. Da wurde über Politik ebenso diskutiert wie über Zuversicht und den Umgang mit dem Alleinsein. Aus dem engen Austausch während Corona haben die „Freunde der Zeit“ neue Communities entwickelt. Uns hat überrascht, wie gut, nah und offen der Austausch auch im Digitalen funktioniert. Wir haben eine Literatur- und eine Reisecommunity aufgebaut. Im neuen Jahr folgen zwei weitere.
Wie gelingt dieser Spagat: Auf der einen Seite die traurige Wirklichkeit abbilden und auf der anderen Mut machen?
In unserem Leitbild stehen vier Kernbegriffe: Unabhängigkeit, Kreativität, Respekt – vor den Menschen und den Unternehmen, über die wir berichten, aber auch im Umgang untereinander – und Zuversicht. Das gilt für die Redaktion und auch für unsere kaufmännischen Aktivitäten. Redaktionell stärken wir die Resilienz unserer Leser auch mit dem neu gegründeten Sinn-Ressort. Hier geht es um mentale Gesundheit, Sinnsuche und Bekämpfung von Einsamkeit – alles hoch relevant für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.
Zu Hoch-Zeiten von Corona stand der Journalismus sehr in der Kritik: zu nah bei der Politik, zu unkritisch. Was haben Sie aus den vergangenen Jahren gelernt?
Es gibt nicht „den Journalismus“ und auch nicht „die Medien“. In Deutschland haben wir einen Reichtum vieler unterschiedlicher Medien und jedes einzelne Medium hat seine Besonderheit. Bei der „Zeit“, Print wie Online, liegt es im genetischen Code, dass wir zu den großen Themen immer mindestens zwei Meinungen zeigen, also häufig pro und contra. Qualitätsjournalismus macht sich nicht mit einer Sache gemein, auch wenn sie noch so gut ist, sondern berichtet genau und objektiv. Das ist wertvoller für die Leserinnen und Leser, authentischer und glaubwürdiger. Echte Diversität bedeutet nicht nur gleiche Chancen für Mann und Frau, sondern auch Meinungsvielfalt. Unser neues Mitglied im Herausgeberrat, Yascha Mounk, hat jüngst eindringlich gewarnt vor Selbstzensur und vor der Angst, dass andere Anstoß nehmen, an dem, was man sagt.
Ja, und aus der Berichterstattung um die Flüchtlingskrise 2015. Es gab ja den Vorwurf „Mainstream-Medien”, der das eine oder andere Medium getroffen hat – teilweise zu Recht, teilweise zu Unrecht.
Haben Sie mal darüber nachgedacht, ob die „Zeit“ ein Mainstream-Medium ist?
Bei der „Zeit“ wurde schon zu Zeiten von Marion Gräfin Dönhoff und Theo Sommer immer gestritten. Hier gab es nie den einen großen Zampano, der sagte, dass wir für oder gegen etwas sein müssen. Der Chefredakteur ist eher ein Moderator. Er muss gute Journalistinnen und Journalisten auswählen, er muss Themen setzen. Aber was dann geschrieben wird, das ist Sache der Autorinnen und Autoren. Insofern trifft dieser Vorwurf die „Zeit“ kaum.
Wenn man auf Ihre Wirtschaftszahlen guckt, erscheint mir der Zeitverlag wie das kleine gallische Dorf im Asterix-Comic, das sich erfolgreich gegen die Römer stemmt, während alle anderen straucheln. Auflage und Umsätze sind hoch wie nie. Was ist Ihr Zaubertrank?
Wer die Asterix-Comics von Goscinny und Uderzo kennt, der weiß: Nicht nur der Zaubertrank, sondern auch der geschwisterliche Zusammenhalt macht es dem gallischen Dorf möglich, sich gegen die Römer zu behaupten. Deshalb versuchen wir diesen Zusammenhalt jeden Tag zu leben, zwischen Print und Online, zwischen Redaktion und Verlag, zwischen Hamburg, München und Berlin. Und was den Zaubertrank angeht: Der Druide Miraculix mischt viele Zutaten in seinem Kessel zusammen, die erst in Kombination einen durchschlagenden Erfolg bringen. Zum Zauber gehören auch die Freude und der Stolz, für die wundervolle „Zeit“ zu arbeiten – egal, ob Sie in Hamburg sind oder bei Zeit Online in Berlin, ob Sie für „Zeit Geschichte“ schreiben, für die „Zeit Sprachen“-Magazine in München, in der Zeit Akademie oder bei Zeit Reisen arbeiten. Wir sind jetzt 1.300 Köpfe und die Kommunikation und die Hilfsbereitschaft sind weiterhin ungewöhnlich groß. Die Hierarchie ist flach, die Innovation groß, der Wandel stetig. Neue Ideen kommen schnell auf die Straße.
Wer sind die Römer in dem Bild? Die bösen Silicon-Valley-Konzerne?
Die sind nicht die bösen Römer. Das sind starke, große Unternehmen mit ziemlich erfolgreichen Geschäftsmodellen. Wir müssen schauen, wo wir gut mit ihnen zusammenarbeiten, was wir abgucken können. Ich halte nichts davon, andere für unsere Herausforderungen verantwortlich zu machen. Die müssen wir aus eigener Kraft bewältigen.
Gesamtgesellschaftlich betrachtet machen Facebook und Twitter die Welt nicht gerade besser. Sie fokussieren die Polarisierung der Gesellschaft, manche werfen ihnen vor, per Algorithmus Hass zu schüren, weil Fake News hier viel Verbreitung finden.
Zunächst: Die sozialen Netzwerke haben viele positive Seiten. Sie bringen Menschen zusammen, die sonst nicht zusammenfinden. Sie geben Menschen eine Stimme, die sich sonst nicht trauen. Sie sind auch für Journalisten ein Reservoir für neue Themen und zeigen ein Meinungsbild. In Diktaturen sind sie die einzigen Foren, in denen es noch „dissenting opinions“ gibt. Allerdings: Auf Marktplätzen wird viel gehandelt, ge- und verkauft, es findet viel Austausch statt. Es gibt aber auch Taschendiebe und Halunken. Das ist leider auch auf den Marktplätzen Facebook und Twitter so. Die Algorithmen bringen auch laute aggressive Meinungen nach oben. Deshalb müssen die Betreiber der Marktplätze ihre Polizeikräfte deutlich verstärken.
Und der Journalismus sammelt dann die Scherben auf, zum Beispiel mit Fact Checking?
Guter Journalismus liefert geprüfte Fakten, ordnet ein und ist deshalb glaubwürdig. Über Google, Facebook, Instagram und TikTok machen wir unsere Marke bekannt und bekommen zusätzlichen Traffic, erreichen neue Zielgruppen und neue Abonnentinnen und Käufer. Allerdings darf niemand allgemeine Posts auf diesen Kanälen für bare Münze nehmen oder gar für genauso geprüft und glaubwürdig und vergleichbar halten mit der Arbeit von ordentlichen Journalisten.
Mathias Döpfner sagt: „Für das Printgeschäft kann ich mir nicht vorstellen, dass echtes Wachstum möglich ist. Vielleicht gibt es mal ein gutes Quartal oder so, aber strukturell ist der Rückgang unvermeidlich.“ Widerspruch? Zustimmung?
Also wir haben im Zeitverlag neben Zeit Online und der Wochenzeitung „Die Zeit“ auch 16 Magazine – „Zeit Geschichte“, „Zeit Wissen“, „Zeit Leo“, „Zeit Verbrechen“, um nur einige zu nennen. Und wenn Mathias Döpfner sich die Auflagen ansehen würde, würde er sehen, dass sie bei Print-Magazinen durchaus noch steigen können. Unsere jüngste Neugründung, das „Zeit Magazin Wochenmarkt“, hat einen Gesamtverkauf von 40.000 Exemplaren erzielt – und das bei einem Preis von 9,80 Euro pro Ausgabe. Recht hat er für große, überregionale Auflagen.
Groß und überregional ist die „Zeit“ aber auch – und die wächst.
In der Tat, vor allem durch das digitale Abo und durch Z+.
Wie nachhaltig ist es heute überhaupt noch, jede Woche ein paar Tonnen Papier zu bedrucken, das in sehr absehbarer Zeit im Altpapier landet?
Eine interessante Frage. Zunächst einmal: Unsere gedruckte Zeitung ist zu 100 Prozent aus Altpapier und mit dem Blauen Engel zertifiziert. Ich halte nichts davon, den Verbrauch von Papier unter einen generellen Bannstrahl zu stellen. Wichtig ist, dass wir nicht nur über Probleme sprechen, sondern auch über intelligente Lösungen, damit wir die menschengemachte Klimakrise in den Griff bekommen und das 1,5-Grad-Ziel doch noch erreichen, ohne den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gefährden. In unserem Ressort Green lesen Sie, wie wir Nachhaltigkeit und gutes Leben kombinieren können.
Was tun Sie für mehr Nachhaltigkeit?
Der Nachhaltigkeit dient natürlich, dass bald die Hälfte unserer Auflage von über 620.000 digital gelesen wird. Außerdem haben wir eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die fortwährend an neuen Vorschlägen arbeitet, um unseren CO2-Fußabdruck zu verkleinern. Im März starten wir eine große Aktion im Haus, aber auch mit unseren Leserinnen und Lesern, um Deutschland grüner zu machen. Unser Ziel ist es, 2025 CO2-neutral zu sein.
Sie waren Ende 2015 Protagonist in der turi2 edition #1. Damals hat der Zeitverlag auch mit Designer-Möbeln und anderen Gütern des gehobenen Bedarfs Geld verdient. Wie wichtig sind diese Geschäfte?
Der Zeit Shop, die Zeit-Editionen und Zeit Reisen sind sehr wichtig. Genauso wie unsere 16 Magazine oder unsere 25 Podcasts mit ihrer rekordverdächtigen Reichweite von 18 Millionen Downloads im Monat. Je mehr jemand Kontakt mit der „Zeit“ hat, desto sicherer ist das Abo. Unser „Zeit Verbrechen“-Podcast wird inzwischen pro Monat vier Millionen Mal gestreamt – das ist gigantisch. Die Hörerinnen – zu über 80 Prozent sind es Frauen zwischen 18 und 35 – kommen so in Kontakt mit der „Zeit“. Und wenn sie am Kiosk vorbeikommen, greifen sie vielleicht zu einem unserer Magazine oder zur Wochenzeitung.
2015 waren Podcasts noch kein großes Thema. Heute gehört „Zeit Verbrechen“ zu den erfolgreichsten im Land. Hat Rainer Esser Zeit zum Hören?
Klar, ich höre morgens sehr gerne unseren „Was jetzt?“-Podcast, der wird pro Monat sieben Millionen Mal gestreamt. Unseren „Alles gesagt“-Podcast höre ich nicht immer bis zum Ende – der dauert ja manchmal auch sieben Stunden.
Berliner Wachstum mit Hamburger Wurzeln: Die neuen Hauptstadt-Büros von Zeit Online in der Schöneberger Straße sind gerade bezogen, noch verbreiten handgeschriebene Wegweiser Baustellen-Atmosphäre. Feste Arbeitsplätze gibt es dort nicht, Desk-Sharing lautet die Devise
Wie konnte es passieren, dass die früher oft als „alte Tante“ verspottete „Zeit“ zur erfolgreichsten Podcast-Produzentin in Deutschland wurde?
Jochen Wegner, unser Online-Chefredakteur, und die Kollegen aus der Geschäftsführung von Zeit Online, Christian Röpke und Enrique Tarragona, und ich waren sehr früh davon überzeugt, dass Audio ein Zukunftsthema ist. Und wir waren uns alle einig, da Vollgas zu geben. Denn es war absehbar, dass der Podcast-Trend aus den USA zu uns schwappt und ein wichtiger, neuer Kanal wird. Und dass wir so erfolgreich sind, ist der große Verdienst der Kolleginnen und Kollegen in den Redaktionen, die unsere Podcasts produzieren, fortwährend neue Ideen haben und ihre Podcasts über alle Kanäle promoten.
Am Erscheinungstag dieser turi2 edition feiern Sie Ihren 66. Geburtstag. Die Mehrheit der Menschen denkt in dem Alter schon längst an Ruhestand…
Ruhestand ist mir – genauso wie Work-Life-Balance – nicht so nahe.
Schon 2015 haben Sie uns erzählt, dass Sie eine 60-Stunden-Woche haben und auch im Urlaub drei bis vier Stunden täglich arbeiten.
Was ist schon Arbeit? Ich lese dann interessante Artikel über unser Geschäft, über die Medien, über neue Entwicklungen, vor allem in Übersee. Ich telefoniere mit Kolleginnen und Kollegen, die ich mag, maile hin und her. Das ist keine Arbeit, sondern interessante Fortbildung und spannende Beschäftigung. Und im Alltag: Ich habe, seitdem ich 18 Jahre alt bin, eigentlich den gleichen Rhythmus – damals habe ich eine Banklehre begonnen. Seitdem arbeite ich umfänglich, halt immer an interessanten Dingen.
Die Arbeitsforschung sieht das sicher anders. Waren Sie nie in Gefahr, einen Burnout zu erleiden?
Mir macht meine Arbeit Spaß. Gelegentlich ist sie auch erfolgreich. Das stärkt meine Resilienz. Allerdings nehmen wir Belastungen bei Kolleginnen und Kollegen sehr ernst und haben als Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht. Bei der Zeit Verlagsgruppe stellen wir allen, die besonders belastet sind, deshalb auch Hilfsangebote zur Verfügung. Die Stärkung von mentaler Gesundheit und Resilienz ist unerlässlich. Die Aufklärung über Burnout und über Depression als ernstzunehmende Krankheit und die gesellschaftliche Diskussion darüber ist ein hohes Gut. Übrigens befassen sich auch einige unserer meistgelesenen Zeit-Online-Artikel mit diesem hochrelevanten Thema.
Der Himmel über Berlin: Verlagschef Rainer Esser genießt den Blick von der Dachterrasse auch an grauen Tagen
Sagen Sie abends auch mal: Sowas wie heute brauche ich nicht jeden Tag?
Klar. Auch bei uns wachsen nicht alle Bäume in den Himmel. Aber dann gibt es den nächsten Tag und der mag dann wieder großartig sein.
Interessiert es Sie eigentlich, wer irgendwann einmal Ihre Nachfolgerin oder Ihr Nachfolger wird?
Unbedingt! Und dass es anschließend hoffentlich besser weitergeht!
Ihr Verleger Dieter von Holtzbrinck ist 81 Jahre alt – wie lange wollen Sie noch machen?
Wie lange mein Vertrag läuft, entscheiden die Verleger Dieter und Stefan von Holtzbrinck. Aber turi2 muss sich keine Sorgen machen, denn wir haben eine starke Geschäftsleitung, die das operative Geschäft leitet. Ich bin Ideengeber, stelle Fragen und versuche, meine Kolleginnen und Kollegen möglichst gewinnbringend in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen, oft auch bei Key Accounts, als Moderator oder Grüßaugust.
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Apropos Fragen: Welche Fragen werden die Medienbranche im Jahr 2023 bewegen?
Vor allem Wachstum im digitalen Geschäft und Heben unserer Datenschätze. Daneben ganz alltägliche Dinge wie Papierpreise oder wieder bei der Reklame zuzulegen – vielleicht zulasten des privaten linearen TV, das erdrutschartig an Reichweite verliert.
Wie blicken Sie auf das Jahr 2023, das, wenn man den Prognosen glaubt, wieder ein Krisenjahr ist?
Ich könnte Ihnen jetzt etwas erzählen über Rezession, wirtschaftlich schwierige Zeiten und große Herausforderungen – so das Übliche. Aber das bringt ja nichts. 2023 wird ein Jahr voller neuer spannender Tage und Überraschungen. Christian Drosten hat Ende 2022 in der „Zeit“ gesagt, dass, wenn es bei dem aktuellen Covid-Erreger bleibt, die Pandemie in sich zusammenfällt. Das ist doch mal eine wirklich gute Nachricht.
Was gibt Ihnen Hoffnung?
Dass jeden Tag wieder die Sonne aufgeht. Und wenn der Himmel über Hamburg oder Berlin mal grau sein sollte, dann scheint die Sonne in unseren Herzen.
Rainer Esser
Geb. 1957 in Wolfenbüttel
1975 Lehre bei der Deutschen Bank
1977 Jura-Studium in München, Genf, Georgia (USA)
1986 Ausbildung zum Redakteur, Deutsche Journalistenschule
1989 Chefredakteur Bertelsmann International
1992 Geschäftsführer Spotlight Verlag
1995 Geschäftsführer „Main Post“
1999 Geschäftsführer Zeitverlag
2011 Geschäftsführer der Dieter von Holtzbrinck Medien