Was, Gabor Steingart, ist die beste Idee, die Sie je hatten?
Die größte Innovation meines Lebens stammt nicht von mir, sondern von Dieter von Holtzbrinck. Auf die Idee, dass ich als Journalist auch einen Verlag führen könnte, wäre ich nicht gekommen.
Was war die schlechteste Idee, die Sie je hatten?
Nach dem Tod von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein wollte ich von den Mitarbeitern, sprich Miteigentümern des „Spiegel“ als deren Sprecher gewählt werden. Ich glaubte, den beginnenden Sinkflug einer journalistischen Instanz verhindern zu müssen. Das Ergebnis: Ich verlor mit Pauken und Trompeten. Der „Spiegel“ wollte nicht gerettet werden, und falls doch, dann nicht von mir.
Wie unterscheiden Sie eine gute Idee von einer schlechten? Wie eine geniale von einer fixen?
Gute Ideen sind schüchtern. Zu ihrem Wesen gehört, dass sie sich erst später als solche zu erkennen geben. Oder anders ausgedrückt: Ideen müssen sich im Probieren bewähren. Ideen ohne Mut zur Tat sind nur die Hälfte wert. Das Ehepaar Carl und Bertha Benz verkörpert für mich diesen Dualismus. Er entwarf das erste Auto, aber sie unternahm – gegen seinen Willen – die erste öffentliche Spritztour. Erst in der emanzipatorischen Tat fand die Idee vom Automobil ihre Erfüllung.
Was inspiriert Sie?
Wir sollten mehr auf die vermeintlichen Außenseiter achten, wissend, dass sich in ihnen die Zukunft versteckt hält. Ohne den Entdeckergeist eines Alexander von Humboldt, ohne die revolutionären Ideen des politischen Sonderlings Deng Xiaoping, ohne die unerschütterliche Innovationslust des Silicon Valley gäbe es die heutige Welt nicht. Auch im Scheitern steckt im Übrigen Zukunft, wenn auch eine Zukunft im Embryonalstadium. Der Widerstand der Geschwister Scholl gegen Hitler war – trotz seines Scheiterns – ein Sendbote der neuen, der demokratischen Zeit. Der Absturz des Flugzeugpioniers Otto Lilienthal, der im Oktober 1896 in 15 Meter Höhe mit seiner Flugapparatur ins Trudeln geriet, beendete nicht das Ende der Ambition, sondern spornte sie an. Auf Lilienthals Grabstein steht: „Opfer müssen gebracht werden.“
Welche Opfer haben Sie gebracht?
Opfer wäre für mein Leben ein zu großes Wort. Mein Vater, der als bewaffneter Student gegen die russische Besatzung im Ungarn des Jahres 1956 kämpfte und anschließend zum politischen Flüchtling wurde, hat Opfer gebracht. Er verließ als Halbwüchsiger sein Land, seine Familie, seinen Sprachraum. Ich habe mich immer angestrengt, aber ich habe nichts geopfert.
Welche Opfer sind Sie bereit zu bringen?
Wenn die persönliche oder politische Lage es erfordern: jedes.
Wie gehen Sie mit Kritikern um? Ignorieren oder integrieren?
Ich unterscheide zwei Arten von Kritikern. Die einen wollen durch ihre Kritik eine Idee besser machen. Der Widerspruch ist in diesem Fall die Antriebsenergie des Künftigen. Die zweite Sorte von Kritikern hat Erstarrung im Sinn, nicht Fortschritt. Sie liebt vor allem ihre eigene Bequemlichkeit. Wenn es nach dieser Sorte Kritiker ginge, lebten wir noch in der „guten alten Zeit“, also wahlweise im Mittelalter oder in der frühen Industriegesellschaft oder in den 70ern. Oder im Zeitalter der Printindustrie.
Und wie gehen Sie mit ihnen um?
Ich höre Kritikern jeder Couleur zu. Allein schon um herauszufinden, ob sie zur ersten oder zur zweiten Sorte gehören.