Was ist das Beste, was das Gefährliche an der Digitalisierung, Carsten Knop?
4. Februar 2021
Im Gespräch bleiben: Für Carsten Knop, Herausgeber der “FAZ”, heißt “Digital heute auch Dialog” – gerade in Zeiten, in denen die Ansichten z.B. über die Pandemie-Maßnahmen auseinandergehen und der Ton schärfer wird. In der turi2 edition # 13 schreibt er: “Man muss versuchen, gegenzuhalten, so lange mitdiskutieren, bis zumindest bei den Mitlesern, die guten Willens sind, klar ist, was Schwarz ist und was Weiß”. Sie können den Text im kostenlosen E-Paper lesen oder das Buch gedruckt bestellen.
Das Beste ist der digitale Dialog. Er kann aber anstrengend sein, besonders in einer Zeit, in der Ansichten zu politischen Maßnahmen weit auseinandergehen. So wird heute in allen Fragen zur Bekämpfung von Corona um Antworten gestritten. Wer dazu aufruft, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten, der bekommt dafür auf Social Media die Quittung: Ob man wieder Regierungspropaganda verbreite? Auf Basis eines bewusst fehlinterpretierten Textes irgendwo aus dem Netz wird munter mit Unterstellungen gearbeitet, manchmal auch Gewalt angedroht. Und das, was die Redaktion seit Monaten zu einem Thema in all seinen Facetten erarbeitet hat, wird ignoriert. Das ist das Gefährliche.
Und doch, man muss versuchen, gegenzuhalten, so lange mitdiskutieren, bis zumindest bei den Mitlesern, die guten Willens sind, klar ist, was Schwarz ist und was Weiß. Denn Nahbarkeit, echtes Interesse und wirkliches Zuhören, auch mit Hilfe der Social-Media-Redaktion, die Bereitschaft zum Perspektivwechsel: Journalismus kann man anders nicht betreiben. Eigentlich galt das schon immer. In digital vernetzten Zeiten aber schmerzt die Einsicht manchmal etwas stärker; man braucht bessere Filter, um die Spreu vom Weizen der Leserkommentare zu trennen. Dabei helfen Algorithmen, aufmerksame Social-Media-Kollegen und der Dialog mit den Lesern.
Doch leider gibt es viele Menschen, die die Ängste, die eine verwirrende Welt auszulösen imstande ist, nur durch den Blick auf fragwürdige Einflüsterer aushalten. Die stellen eine vermeintliche, schlichte Wahrheit der komplizierten Realität entgegen. Dann hat es eine differenzierte Auseinandersetzung mit Fakten schwer. Auf sogenannten “Querdenker“-Demos kann man das erleben, und an den extremen Rändern des politischen Spektrums. Andere finden keine Theorie zu absurd, als dass es sich dabei nicht um eine Verschwörung handeln könnte. Das wiederum ist gefährlich. Und Journalisten, die sich nicht vor einen Karren spannen lassen wollen, denen das aber stets unterstellt wird, werden beschimpft. Für Politiker gilt das erst recht. Die Wirtschaft und ihr Handeln, außerhalb des Wirecard-Desasters, sind 2020 etwas aus dem Blick geraten. Im Grunde gelten die Herausforderungen der Digitalisierung aber für jedes Unternehmen und jede Führungskraft. Die Chance ist, ernsthaftes Interesse an seinen Stakeholdern zu haben; das Risiko, in der großen Gereiztheit den Überblick zu verlieren.
Um den wahrhaftigen Umgang miteinander zu erhalten, wo es noch möglich ist, heißt Digital heute auch Dialog. Die Welt ist vielen zu komplex geworden; die Medien müssen versuchen, ihren Lesern den Weg durch diese Welt zu weisen.