Wie erfinden wir uns neu als Wissensgesellschaft, Anja Steinbeck?
16. Dezember 2020
Wissen und Verantwortung:Anja Steinbeck, Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, findet, dass Universitäten in Sachen Faktentreue und Transparenz eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe zu tragen haben. In der turi2 edition #13 beschreibt sie, welche Prioritäten universitäre Bildung in Zukunft setzen sollte. Sie können das Buch hier als kostenloses E-Paper lesen oder gedruckt bestellen.
Längst liegt Wissen nicht mehr in den Händen einzelner Privilegierter. Ob die Schriften Aristoteles oder Interviews mit Zuckerberg – jeder Text ist nur einen Klick entfernt. Frei zugängliche Datenbanken halten heute so viel Wissen vor, wie kein Mensch erfassen kann. Dennoch beklagen Bildung und Forschung seit Jahren, dass die Fachkenntnisse des Nachwuchses abnehmen. Online ersetzen zweifelhafte Inhalte Fakten. Für mich stellt sich daher weniger die Frage, wie wir uns als Wissensgesellschaft neu erfinden, sondern wie Universitäten – als Keimzellen und Impulsgeber – auf die neuen Herausforderungen reagieren.
Blicken wir zuerst auf die Forschung: Nicht das fehlende Wissen ist ein Problem, sondern die Flut an Wissen und die unterschiedliche Qualität von Informationen. Wissenschaftler*innen greifen auf ein erprobtes System zurück, um Wissen zu generieren, verifizieren oder falsifizieren. Vor dem Hintergrund zweier Grundprinzipien der Wissensgesellschaft wird die Weiterentwicklung einer offenen, transparenten Kultur wichtigste Aufgabe der Wissenschaft sein. Dazu gehören etwa Open Access und Open Data.
Kommen wir zur Lehre: In der Wissensgesellschaft von morgen brauchen wir Menschen, die selbstbestimmt und kritisch mit der Masse an Wissen umgehen können. Für Unis bedeutet das: Nicht mehr die Ausbildung zum Universalgelehrten oder Fachexperten steht im Fokus. Es wird enorm wichtig sein, junge Menschen auszubilden, die sich für eine wissensbasierte, egalitäre Gesellschaft einsetzen, die feine Antennen für soziale Ungleichheiten haben und sich verantwortlich fühlen für die Zukunft. Praktisch kann das heißen, in die Curricula der Studiengänge stärker überfachliche Befähigungen wie Datenkompetenz oder Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit einzubauen.
Die Qualität unserer künftigen Gesellschaft wird nicht von Rechenleistung abhängen. Sondern von Menschen, die kreativ, innovativ und verantwortungsbewusst sind.