“Den Tabellenwust in einfache, klare Botschaften übersetzen” – Monika Schaller über die hohe Kunst der Finanz-Kommunikation.
14. Oktober 2024
Excel versus Word: Präzision ist das A und O in der Finanz-Kommunikation, betont Monika Schaller, Chief Communications Officer der SAP AG in Walldorf: “Jeder noch so kleine Fehler, ein einzelnes Wort, kann sehr teuer für ein Unternehmen werden.” Schaller wünscht sich einen “kritischen und sauber arbeitenden Journalismus”, weiß aber auch die Arbeit von Finfluencern zu schätzen. Ihre wichtigste Zielgruppe aber sind die über 100.000 SAP-Mitarbeiter. Wie Monika Schaller zum umstrittenen Homeoffice steht, verrät sie im Interview mit Heike Turi. Es ist der Auftakt der Themenwoche Finanz-Kommunikation.
Monika, als Kommunikationschefin der SAP sind Aktienkurse, Quartalsberichte und Zahlen zur Jahreshauptversammlung Dein täglich Brot. Warst Du denn ein Mathe-Ass in der Schule?
Mathe war nicht mein Lieblingsschulfach, aber können und mögen sind ja zweierlei. An der Uni war ich ganz gut in Statistik.
Bist Du eher der Word- oder der Excel-Typ?
Ich hantiere gerne mit Zahlen, aber ich bin definitiv im Team Word.
Was ist wichtiger in der Finanzkommunikation: Zahlen- oder Sprachgefühl?
One doesn’t go without the other. In der Finanzkommunikation kommt es darauf an, aus Zahlenkolonnen eine Story zu stricken. Wir müssen den Tabellenwust in einfache, klare Botschaften übersetzen. Es geht darum, die emotionale, leicht nachvollziehbare Geschichte dahinter zu erzählen. Die Entwicklungen, die geschafften Meilensteine, die aufgegangene Strategie oder die Ambition, die übertroffen wurde.
Welche besonderen Skills braucht es?
Im Grunde nur das Faible für Bilanzen und die Lust, sie verständlich zu machen. Und man muss in der Nomenklatur sowie auch im Zahlenwerk und dessen Entstehung natürlich inhaltlich absolut sattelfest sein.
Was macht Finanzkommunikation zu einer besonderen Disziplin?
Nur wenige Leute teilen zugleich die Liebe für die Zahlen und für die Sprache. Komplexe Sachverhalte so zu vermitteln, dass sie für die jeweiligen Zielgruppen verständlich und relevant sind – das ist die hohe Kunst. Man muss die Balance zwischen Genauigkeit und Klarheit finden. Zudem: Jeder noch so kleine Fehler, ein einzelnes Wort, kann sehr teuer für ein Unternehmen werden. Da ist deutlich mehr Präzision gefragt als in anderen Disziplinen.
Was liebst Du an Deiner Arbeit?
Kommunikation ist mein Leben. Ich mache den Job seit 24 Jahren und ich möchte nichts anderes machen.
Was hasst Du?
Hassen ist ein starkes Wort. Aber frei nach dem Motto: “This meeting could have been an email”, oute ich mich als ungeduldigen Menschen, den lange und ergebnislose Besprechungen schnell ermüden.
Was ist die größte Herausforderung für eine Finanzkommunikatorin?
Ich empfinde mich als Vermittlerin zwischen den Welten. Man bedient Medien und den Kapitalmarkt zugleich. Das ist ein thematischer Spagat und auch fachlich in Terminologie und Duktus.
Monika Schaller ist die wohl bekannteste und profilierteste unter den Top-Kommunikatorinnen in Deutschland. Geboren wird sie in Wien, dort absolviert sie ein BWL-Studium, arbeitet zur Jahrtausendwende zwei Jahre als Trader. Sie wechselt als Reporterin zu Bloomberg TV, geht 2003 als Sprecherin zur Citigroup Bank, später zu Goldman Sachs und zur Deutschen Bank. Ab 2019 spricht Monika Schaller für DHL/Deutsche Post und seit 2023 für die SAP AG.
Was war Dein größtes Fuckup?
Glücklicherweise nichts in der Finanzkommunikation. Eine Übersetzung vom Englischen ins Deutsche ist schiefgelaufen. Mit dem Ergebnis, dass wir voneinander abweichende Aussagen kommuniziert haben. Es war recht mühsam, das wieder einzufangen. Aber wir haben es geschafft und waren wieder schlauer, wie wir es beim nächsten Mal nicht mehr machen.
Wer ist Deine wichtigste Zielgruppe?
Die weltweit über 100.000 SAP-Mitarbeitenden sind das wichtigste Asset, das ein Unternehmen hat. Wenn man die Reputation eines Unternehmens erfolgreich managen möchte, geht das aber nur im 360-Grad-Ansatz. Du musst einfach immer alle Stakeholder auf dem Radar haben: Medien, Analysten, Investoren, Politik, Arbeitnehmervertreter und so weiter. Und klar gilt: intern first. Die Belegschaft hat immer Vorrang.
Sind Journalisten noch wichtig?
Ja, natürlich! Die Rolle der Journalisten als Gatekeeper hat sich ein Stück weit verändert. Themen und Informationen gelangen heute auf vielen Wegen an die Öffentlichkeit. Um diese einordnen zu können, benötigen wir einen kritischen und sauber arbeitenden Journalismus. Journalisten liefern Orientierung. Das ist und bleibt eine wichtige Aufgabe in unserer Demokratie.
Wie haben sich die Journalisten, mit denen du zu tun hattest und hast, über die Jahre verändert?
Wir sind gemeinsam gewachsen – lebensnaher geworden. Bei manchem ist der Idealismus ein Stück dem Realismus gewichen. Das ist sicherlich auch dem höheren Druck auf den Traditionsjournalismus geschuldet. Durch die sozialen Medien kann jeder Massenkommunikation betreiben. Tragfähige, digitale Geschäftsmodelle zu finden, ist für viele Verlage eine Herausforderung. Das macht sich in den Redaktionen bemerkbar. Die Arbeitsverdichtung ist hoch, die Zeit für den einzelnen Beitrag knapp. Ich habe großen Respekt vor Redaktionen, die jeden Tag mit dem Anspruch antreten, sauber recherchierte Information, Hintergrund und Orientierung zu bieten. Das ist in Zeiten von fake news und deep fakes wichtiger denn je.
Sind sie ahnungsloser als früher?
Definitiv nicht die, mit denen ich arbeite.
Sind Finfluencer wichtig?
Man sollte alle Kanäle und Formate ernst nehmen. Einige Finfluencer haben beachtliche Reichweiten – insbesondere bei jüngeren Zielgruppen. Und den Ansatz, Finanzthemen für jedermann besser verständlich und zugänglich zu machen, finde ich gut. Am Schluss zählt – wie überall im Geschäft – die Qualität.
DHL war worldwide tätig, SAP auch. Jettest Du das ganze Jahr um die Welt?
Ich empfinde es als großes Privileg, international arbeiten zu können und tatsächlich liebe ich es, unterwegs zu sein – auch wenn ich mir einbilde, den Jetlag früher besser weggesteckt zu haben. Mein Kommunikationsteam ist über alle Kontinente hinweg verteilt. Ich will regelmäßig vor Ort sein, weil ich eine Verantwortung für mein Team habe und weil man Kulturen, Ländern und Entwicklung nur dann richtig erfassen kann, wenn man auch on the ground ist. Wir haben zum Beispiel bei SAP entschieden, dass wir nicht mehr alle Townhalls nur aus der Zentrale in Walldorf streamen. Unsere nächste globale Mitarbeiterversammlung wird aus Japan heraus stattfinden.
Letzte Frage: Bei SAP geht’s intern rund, weil Mitarbeiter ihr liebgewonnenes Homeoffice aufgeben müssen. Wie viele Tage pro Woche bist Du im Homeoffice?
Das Thema beschäftigt viele Unternehmen – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Hybrides Arbeiten ist gelebte Praxis und es ist selbstverständlich, dass zu Hause bleibt, wer ein krankes Kind oder die Handwerker im Haus hat. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass Kommunikation Teamsport ist. Mir persönlich ist der persönliche Austausch und das gemeinsame Lernen wichtig. Ich denke, dass sich die Aufregung schnell wieder legt, wenn jeder das Thema mit gesundem Menschenverstand und etwas Fingerspitzengefühl angeht. Da bin ich sehr zuversichtlich.